Nach monatelanger Blockade US-Repräsentantenhaus macht Weg für milliardenschwere Ukrainehilfen frei

Mike Johnson, Sprecher des Repräsentantenhauses
Mike Johnson, Sprecher des Repräsentantenhauses, hat es geschafft: Die Kongresskammer hat für neue Milliardenhilfen für die Ukraine stimmen. Das könnte den Republikaner allerdings den Job kosten (Archivbild).
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Das US-Repräsentantenhaus hat nach monatelanger Blockade ein milliardenschweres Hilfspaket für die Ukraine gebilligt. Auch Israel soll neue Gelder erhalten. Außerdem votierte die Kongresskammer erneut für ein Gesetz, das in einem Verbot von Tiktok enden könnte.
 

Das US-Repräsentantenhaus hat für milliardenschwere Hilfen für die Ukraine gestimmt. Die Vorlage mit einem Volumen von etwa 61 Milliarden Dollar war einer von insgesamt vier Gesetzentwürfen, die der von Republikanern beherrschten Kongresskammer vorlagen. Der Entwurf wurde in der Kammer, in der die Republikaner eine hauchdünne Mehrheit haben, mit einer überparteilichen Mehrheit von 311 zu 112 Stimmen angenommen. 

Die Regierung des Demokraten Joe Biden forderte seit Monaten die Bewilligung, die auch von Militärs und Verbündeten als dringend notwendig für die Regierung in Kiew im Kampf gegen Russland beschrieben wurde. Die anderen drei Vorlagen umfassten Gelder für Israel und Taiwan sowie ein Gesetz zur nationalen Sicherheit. Nach der Verabschiedung im Repräsentantenhaus müssen die Vorlagen noch vom Senat angenommen werden.

Milliardenhilfen für die Ukraine – ein lang ersehnter Geldregen

Im Plenum gab es nach der Abstimmung Applaus. Etliche Abgeordnete wedelten mit Ukraine-Flaggen und riefen "Ukraine, Ukraine". Sie wurden zur Ordnung gerufen. Zahlreiche Republikaner votierten gegen die Hilfen, konnten aber die Annahme mithilfe der Demokraten von Präsident Biden nicht verhindern. Die Republikaner haben in der Kammer eine hauchdünne Mehrheit. Den republikanischen Vorsitzenden des Repräsentantenhauses, Mike Johnson, könnte die Abstimmung den Job kosten. Mehrere radikale Abgeordnete, die Ex-Präsident Donald Trump treu ergeben sind, stemmten sich gegen die Ukraine-Hilfe.

Das Paket sieht etwa 23 Milliarden US-Dollar für die Aufstockung des US-Militärbestands vor. Das Geld geht somit indirekt an die Ukraine, da die USA das von Russland angegriffene Land in der Regel mit Ausrüstung aus ihren Beständen ausstatten. Der Rest ist für weitere militärische Unterstützung und Finanzhilfe vorgesehen. Letztere ist als Darlehen angelegt. Zudem heißt es in dem Text, Biden solle der Ukraine "so bald wie machbar" weittragende Raketensysteme vom Typ ATACMS zur Verfügung stellen. Kiew hofft seit langem auf das Waffensystem, dessen Raketen vom Boden aus auf Ziele am Boden abgefeuert werden.

Selenskyj dankt USA 

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat dem US-Repräsentantenhaus für die Billigung der Hilfen gedankt. Er sei beiden Parteien sowie persönlich dem republikanischen Vorsitzenden des Repräsentantenhauses, Mike Johnson, "dankbar für die Entscheidung, die die Geschichte auf dem richtigen Weg hält", teilte Selenskyj kurz nach der Abstimmung auf der Plattform X (vormals Twitter) mit. "Demokratie und Freiheit werden immer eine globale Bedeutung haben und niemals scheitern, solange Amerika hilft, sie zu schützen."

Kongresskammer segnet auch Hilfen für Israel und Taiwan ab

Das Repräsentantenhaus votierte am Samstag nicht nur für die Unterstützung für Kiew. Der Vorsitzende Johnson stellte weitere Pakete zur Abstimmung. 

Die Abgeordneten stimmten auch für ein Gesetzespaket, das 13 Milliarden Dollar (12,2 Milliarden Euro) für Israel vorsieht, die hauptsächlich zur Stärkung der israelischen Luftabwehr eingesetzt werden sollen.Der israelische Außenminister Israel Katz erklärte nach dem Votum des US-Repräsentantenhauses im Onlinedienst X, das US-Repräsentantenhaus sende damit "eine starke Botschaft an unsere Feinde". Die "überwältigende" Unterstützung der neuen Hilfen durch Demokraten und Republikaner sei ein Beleg für "die starken Beziehungen und strategische Partnerschaft zwischen Israel und den USA". Er hoffe nun auf eine baldige Zustimmung des US-Senats, fügte Katz hinzu.

Angenommen sind auch rund acht Milliarden US-Dollar an Unterstützung für Taiwan und den Indopazifik-Raum sowie Sanktionen gegen den Iran und die Beschlagnahmung russischer Vermögenswerte.

Vorstoß könnte Mike Johnson den Sprecher-Job kosten

Eigentlich hatte der Senat bereits im Februar für ein von Biden beantragtes milliardenschweres Hilfspaket votiert. Dieses sah ebenfalls Milliardenhilfen für die Ukraine, Israel und Taiwan vor. Im Repräsentantenhaus kam es aber nie zu einer Abstimmung, weil in der von den Republikanern dominierten Kammer ein parteiinterner Machtkampf tobt. Der Vorsitzende Johnson wird vor allem vom rechten Rand seiner Partei mächtig unter Druck gesetzt. 

Einen ersten Antrag für seine Abwahl reichte die stramm rechte Republikanerin Marjorie Taylor Greene bereits Ende März ein, später schlossen sich zwei weitere Abgeordnete der Partei an. Für sie ist die Abstimmung über Ukraine-Hilfen eine rote Linie. Ob Greene wirklich eine Abstimmung über Johnsons Abwahl forcieren wird, ist offen. Sollte sie dies tun, wäre Johnson wegen der knappen Mehrheit in der Kammer wohl auch hier auf die Unterstützung der Demokraten angewiesen. Auf die könnte er vermutlich zählen, da diese seit Monaten auf die Ukraine-Hilfen dringen.

Die USA gelten als wichtigster Verbündeter der Ukraine im Abwehrkampf gegen die russische Invasion. Seit Kriegsbeginn im Februar 2022 hat die Regierung von Präsident Biden militärische Hilfe im Umfang von mehr als 44 Milliarden US-Dollar für Kiew bereitgestellt. Hinzu kommen noch weitere Milliarden an nicht-militärischer Finanzhilfe. Die vom Kongress genehmigten Mittel sind nach Angaben der US-Regierung aufgebraucht – deshalb ist die Abstimmung über neue Hilfsmittel von großer Bedeutung.

US-Repräsentantenhaus stimmt erneut für Gesetz zu Tiktok-Verkauf

Außerdem hat das US-Repräsentantenhaus mit einer großen überparteilichen Mehrheit erneut für ein Gesetz gestimmt, das die beliebte Kurzvideo-App Tiktok aus China unter amerikanische Kontrolle bringen soll. Das Gesetz könnte zur Verbannung von Tiktok aus amerikanischen App-Stores führen, wenn der Dienst weiter im Besitz des chinesischen Konzerns Bytedance bleibt. Der Entwurf sieht eine Frist von neun Monaten für einen Verkauf vor. US-Präsident Joe Biden kann diese um drei weitere Monate erweitern. 

Tiktok ist die einzige international erfolgreiche Online-Plattform, die nicht aus den USA stammt. ByteDance wird in den USA parteiübergreifend als chinesisches Unternehmen gesehen, das sich entsprechend dem Willen der Kommunistischen Partei Chinas beugen müsse. Das US-Repräsentantenhaus hatte im März bereits einen ähnlichen Entwurf gebilligt, der eine teilweise als zu kurz kritisierte Frist von sechs Monaten für den Verkauf vorsieht. Dieser steckt aktuell im Senat fest.

Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel wurde mehrfach aktualisiert.

DPA · AFP · Reuters
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