US-Vorwahl der Republikaner Wenn drei sich streiten, freut sich der Vierte

Die Republikaner wissen nicht, was sie wollen und küren bei der achten Vorwahl bereits den dritten Sieger: Rick Santorum. Der Sieg des erzkonservativen Katholiken dürfte vor allem Barack Obama freuen.

Romney, Gingrich, Paul oder doch Santorum? Die Republikaner können sich einfach nicht entscheiden. In acht Vorwahlen gab es bislang drei verschiedene Gewinner. Und erstaunlicherweise ist es der erzkonservative Rick Santorum, dem es gelang, jetzt sogar einen Dreifachsieg hinzulegen. Damit hat er in vier Staaten die Nase vorn. Favorit Mitt Romney hat bisher in Nevada, Florida und New Hampshire gewonnen und Gingrich in South Carolina. Freilich: Die Vorwahlen, mit denen die Republikaner ihren Präsidentschaftskandidaten ermitteln, haben gerade erst begonnen. Doch das Hin und Her zeigt, dass die Konservativen mit keinem ihrer Spitzenmänner so recht etwas anfangen können.

Da wäre zum Beispiel Mitt Romney - der Favorit und bei den Delegiertenstimmen immer noch führende Kandidatenanwärter: Ein Konservativer, so gemäßigt, dass er von seinen Kontrahenten wie Newt Gingrich sogar als "Linker", als Obama-Wiedergänger, geschmäht wird. Früher hatte er nichts gegen Abtreibung und Homo-Lebensgemeinschaften, sogar seine Gesundheitsreform, die er als Gouverneur von Massachusetts durchgesetzt hatte, war in weiten Teilen identisch mit der höchst umstrittenen Reform des Präsidenten, genannt "Obamacare". Aber das war früher, mittlerweile hat er seine Ansichten um 180 Grad gedreht, weshalb er als Wendehals gilt. Und als wäre das nicht schon schlimm genug, ist Romney auch noch 250 Millionen Dollar schwer, zahlt aber nur 13 Prozent Steuern und ist zudem noch Mormone - also für viele Republikaner im Grunde unwählbar.

Zielgruppe erzkonservativ bis reaktionär

Und da kommt Rick Santorum ins Spiel. Ein Mann, apart und smart, der geradewegs aus dem innersten Führungszirkel des Vatikans zu stammen scheint: konservativ bis ins Mark. Abtreibung müsse auch bei Schwangerschaften nach einer Vergewaltigung verboten werden, Homosexualität stehe auf einer Stufe mit Pädophilie und Sodomie, das Recht auf eine Privatsphäre in der Ehe dürfe es nicht geben. Und in der Schule solle nicht nur die Evolutionslehre unterrichtet werden, sondern gleichberechtigt auch der Kreationismus, also die Menschheitsgeschichte wie sie die Bibel erzählt. Kurzum: Der 53-jährige Katholik zielt auf die erzkonservativen und reaktionären Amerikaner und trifft dabei überraschend oft.

Seine Zielgruppe ist vor allem im sogenannten Bibelgürtel zu Hause, dem Süden und Südosten der USA, wo der Alltag durch christliche Frömmelei bestimmt wird. Missouri, wo Santorum nun 55 Prozent der Stimmen bekam, gehört dazu. Die Menschen in Colorado und Minnesota, wo er ebenfalls siegreich war, sind zwar nicht ganz so streng, aber immer noch konservativ genug, um einen strammen Rechten wie den ehemaligen Senator zu bevorzugen. Dass Santorum in der Gesamtrechnung trotz seiner vier Siege nur auf Platz 3 hinter Romney und Gingrich liegt, hat vor allem damit zu tun, dass er in Staaten erfolgreich war, die relativ wenige Einwohner haben. Rund 1200 Delegierte werden Ende August auf dem Parteitag der Republikaner aus den Bundesstaaten entsandt, entsprechend ihrer Bevölkerungszahl unterschiedlich viele. Zurzeit liegt Mitt Romney mit 106 Stimmen vorn, Santorium kommt auf 22.

Todkranke dreijährige Tochter

Wie Mitt Romney führt Santorum ein Bibelbuch-Familienleben: Sieben Kinder hat er mit seiner Frau Karen. Eines starb kurz nach der Geburt, seine Gattin hat den Tod des kleinen Gabriel in einem Buch verarbeitet. Und dann ist da noch die dreijährige Tochter Isabella, deren Schicksal im Wahlkampf immer wieder am Rand auftaucht. Denn sie leidet unter Trisomie 18. Der schwere Gendefekt führt zu schwersten Behinderungen, der Großteil der Betroffenen stirbt in den ersten zwölf Lebensmonaten. Während des Vorwahlkampfs in Florida war das Mädchen an einer Lungenentzündung erkrankt, weshalb Rick Santorum einige Auftritte ausfallen ließ, um ihr im Krankenhaus beizustehen. Ihr Schicksal wurde bei TV-Debatten immer wieder angeschnitten, seine Widersacher Mitt Romney und Rick Perry beteuerten öffentlich ihr Mitgefühl - Santorum bedankte sich via Twitter bei ihnen. Es dürfte einige Wähler gegeben haben, die der Mensch Santorum überzeugt hat.

Ob das reicht, den noch sehr langen und für Santorum wohl auch zu teueren Vorwahlkampf über die nächsten 42 Bundesstaaten zu retten, ist aber fraglich. Selbst wenn er in den sehr konservativen und ländlichen Gegenden wie Georgia, Nebraska und Kentucky abräumen sollte, ist und bleibt Mitt Romney der wahrscheinlichste und gefährlichste Gegner für Amtsinhaber Obama. Die ehemalige "Heuschrecke" polarisiert und wiegelt nicht unnötig auf wie Mitbewerber Newt Gingrich es tut. Außerdem kann er auf eine ansehnliche Bilanz als Gouverneur verweisen. Und sein langweiliges Auftreten hat immerhin den Vorteil, dass er so grundsolide wirkt, dass man ihm unbesehen jeden Gebrauchtwagen abkaufen würde. Kurzum: Er wird ebenfalls um die unentschiedene aber entscheidende Mitte der Wähler buhlen wie Obama. Deshalb werden die Republikaner ihn am Ende wohl auch als Präsidentschaftskandidat nominieren, vielleicht nicht aus Liebe, aber aus purer Vernunft.

So einer will Präsident werden?

Der eigentliche Sieger des bisherigen republikanischen Gerangels aber ist Barack Obama. Gegen Radikalinskis und Frömmler wie Santorum, Ron Paul und Newt Gingrich mit ihren teilweise haarsträubenden Wahlkampfversprechen hätte der US-Präsident leichtes Spiel. Romney ist da eine ganz andere Nummer und Obamas Wahlkampfteam wird mit Freude die Selbstzerfleischung der Konkurrenz beobachten. Wenn nach dem Sommer das eigentliche Präsidentschaftsduell beginnt und ein angeschlagener Mitt Romney die Bühnen des Landes betritt, wird der Amtsinhaber genüsslich und immer wieder darauf herumreiten, dass der Mormone ja nicht mal das eigene Lager geschlossen hinter sich versammeln konnte. Und so einer will Präsident werden?