Längst gehört dieser Satz zu seinem Standardrepertoire, ausgerechnet diese eine kleine Geschichte, die ihn glaubwürdig macht, es ist fast eine Ironie seines Wahlkampfes. Es war, als Mitt Romney seine Frau Ann fragte: "Hast Du Dir in Deinen kühnsten Träumen je vorstellen können, dass ich einmal für das Präsidentenamt kandidiere? Da schaute sie ihn nur an, und ebenso schlagfertig wie trocken erwiderte sie: "Mitt, in meinen kühnsten Träumen kamst Du nie vor."
Bei dieser kleinen wahren Begebenheit aus seinem Leben hat er die Lacher immer wieder auf seiner Seite. Wenigstens dann.
Bei Romney steht kein Häarchen quer
Denn allzu glatt erscheint dieser Mitt Romney, 60, vielen Republikanern, wahlweise im immergleichen blauen Pullover oder im dunkelblauen Anzug, seine dunklen Haare stets zurückgekämmt, so streng, dass kein Häarchen quer stehen darf, und stets das gleiche, strahlende, ebenso freundliche wie nichtssagende Lächeln. Hinter ihm auf den Bühnen seines Wahlkampfes mindestens einer seiner fünf Söhne und meist auch einige der insgesamt zehn Enkelkinder. Gattin Ann hat Recht - ihr Mitt ist kein Mann für kühne, wilde Träume.
An diesem Dienstag wurde wenigstens einer seiner Träume wahr: Klar gewann Mitt Romney die Vorwahl in seinem Heimatstaat Michigan. Mit 39 Prozent lag er neun Prozent vor seinem großen Herausforderer John McCain. Endlich, endlich, ein erster Sieg. Den brauchte er dringend. Denn gestern ging es um sein politisches Überleben. Auch Mitt Romney verkündete gestern sein Comeback. Und den Sieg des "Optimismus". Zum ersten Mal hatte ihn die republikanische Basis gewählt. Und vor lauter Freude über diesen Erfolg verrutschte ihm in seiner Siegesrede sogar das Haar.
Katja Gloger
Die US-Hauptstadt ist ein politisches Haifischbecken, in dem getuschelt, geschmiedet, verschworen und gestürzt wird. Mittdendrin: Katja Gloger. Die stern-Korrespondentin beobachtet in ihrer Kolumne "Washington Memo" den Präsidenten und beschreibt die, die es werden wollen. Dazu der neueste Klatsch aus dem Weißen Haus und von den Fluren des Kongresses.
Endlich mehr als nur Silber
Zweimal hatte er sich in den vergangenen Wochen geschlagen geben müssen. Obwohl Mitt Romney gezielt auf die "Early States - Strategie" gesetzt hatte - durch Siege in den ersten Vorwahlstaaten soviel nationalen Bekanntheitsgrad zu erringen, dass damit der ersehnte Schneeballeffekt einsetzen würde. Er hatte Millionen in Iowa und New Hampshire investiert, und es hatte doch nur für Platz Zwei gereicht - zur "Silbermedaille", wie er in Anspielung auf seine Arbeit als Retter der Olympischen Spiele in Salt Lake City verkünden ließ. Er, der hochrangige Mormone, hatte verloren gegen Mike Huckabee, den scheinbar so netten Populisten-Prediger von nebenan. Und dann auch noch gegen Senator John McCain, 71, den altgedienten Kämpfer mit Charakter und seiner unabhängigen Agenda.
In den landesweiten Umfragen startete dieser John McCain durch. Lag gestern noch mit neun Prozent vor Romney, mit acht Prozent vor Huckabee.
Ein Manager jenseits ideologischer Grabenkämpfe
Dabei ist Mitt Romney ist der reichste unter den republikanischen Bewerbern um die Präsidentschaftskandidatur. Sein Privatvermögen wird auf mindestens 200 Millionen Dollar geschätzt, zu seinen größten Unterstützern gehört Ebay-Chefin Meg Whitman, die einst für seine Investmentfirma Bain arbeitete. Niemand zweifelt daran, dass er ein erfahrener Manager ist, der Unternehmen analysierte und Millionen investierte, als niemand sonst etwas von ihnen wissen wollte. Und viele, die ihn näher kennen, beschreiben ihn als warmherzig, anständig, ein Familienmensch. Ein Mann von elektrisierender Intelligenz, der seine Entscheidungen auf Zahlen, nicht auf Emotionen begründet. Ein Team-Player, der von seinen Mitarbeitern Widerspruch und eigene Ideen erwartet.
Eigentlich wäre dieser Mitt Romney einer der besseren Präsidentschaftskandidaten der Republikaner. Doch seine besten Eigenschaften scheint er hinter einer Maske zu verstecken.
Bislang lief etwas falsch in Romneys Wahlkampf, ziemlich falsch. Denn er hat doch all´ die kühle Businesserfahrung, die es seiner Meinung nach braucht, um Ordnung zu schaffen in Washington. Um Amerika wirtschaftlich wieder stark zu machen, die Gefahren der Globalisierung abzuwettern. Ein Manager als Präsident, konservativ zwar, aber in Wahrheit jenseits der ideologischen Grabenkämpfe, ein Mann auch jenseits von George W. Bush.
Unglaubwürdig konservativ
Doch bislang glaubte er wohl, er könne die republikanischen Stimmen nur mit den sozialkonservativen Themen gewinnen, den Themen der evangelikalen Konservativen wie Abtreibung, die illegale Einwanderung, die Einsetzung konservativer Richter, die nationale Sicherheit. Einmal forderte er sogar eine Debatte über die Erweiterung von Guantanamo. Er wollte konservativer als alle Konservativen sein. Es sind nicht seine Themen, und es klang von Anfang an schal, wenn er darüber sprach.
"Die Wähler spüren die Falschheit dieses Wahlkampfes", mahnt der konservative Journalist und Romney-Anhänger Dean Barnett, "sie glauben, man könne ihm nicht trauen. Sein Wahlkampf war unehrlich, denn seine Talente liegen ganz woanders. Hoffentlich wird er noch Gelegenheit haben, zu zeigen, wer der echte Mitt Romney ist." Und Michael Gerson, einst Chefredenschreiber von Präsident Bush, ergänzt: "Romney scheint einen Wahlkampf in der Art von Richard Nixon zu führen, er zielt auf die schweigende Mehrheit. Er fördert die Ressentiments gegen illegale Einwanderer, Kriminelle und das Kyoto-Protokoll."
Romneys Heimat: Der Autostaat
Michigan musste sein Heimspiel werden. Michigan sei sein "Ground Zero", sagte er. Der kalte Bundesstaat entlang der großen Seen, Herz der US-Autoindustrie, ist seine Heimat. "Hier ist der Himmel den ganzen Tag lang grau" pflegt er zu sagen, "die Bäume haben die richtige Höhe, die Menschen sprechen ohne Akzent und die meisten Autos auf den Strassen sind immer noch ‚Made in USA'. Und so sollte es auch sein."
Hier war sein Vater George W. eine große Nummer. Besitzer der Autofabrik American Motors Corporation, er produzierte Anfang der sechziger Jahre den "Rambler", (Wanderer) das schnittige In-Automobil mit seinen schicken, spitzen Heckflossen, gerne gekauft auch in Pink. Hier war sein Vater langjähriger Gouverneur, hier startete er 1968 seine Kandidatur um die Präsidentschaft - damals scheiterte er, weil er eine kritische Bemerkung über den Vietnamkrieg gemacht hatte. Hier ging Mitt Romney zur Schule, er war 16, als er auf einer Tanzveranstaltung seine Mitschülerin Ann traf, die spannte er ihrem damaligen Freund aus. Und jedes Jahr fuhr er mit seinem Vater zur großen, zur wichtigen Automobilmesse in Detroit.
Und hier konnte Mitt Romney seine entscheidende Stärke zeigen: Er konnte sich als erfolgreicher Sanierer präsentieren. Denn auch 2008 wird gelten, womit Bill Clinton schon 1992 siegte: "It's the economy, stupid".
"The angst" geht um
Die Sorge um die Wirtschaftsentwicklung steht mittlerweile auch bei den Republikanern auf Platz Eins der Wahlkampfthemen. "The angst" nennt man diese Sorgen auf Englisch. Die anhaltende, immer schlimmer werdende Immobilienkrise, die gigantische Verschuldung der Verbraucher, die astronomisch hohe Staatsverschuldung, explodierende Kosten für Energie, Benzin, Krankenversicherung... Die Menschen haben Angst vor der Rezession.
Besonders deutlich zeigen sich die Probleme in Michigan, einst Herz der Autoindustrie. Die großen Hersteller wie Chrysler, GM stecken tief in der Krise, allein in der Autoindustrie gingen in den vergangenen sechs Jahren 250.000 Jobs verloren - jeder dritte Arbeitsplatz in diesem Industriebereich. Die Arbeitslosigkeit ist mit 7,4 Prozent fast doppelt so hoch wie im Rest des Landes. Die Industrie wandert ab in den Süden der USA. Dort sind die Investitionsbedingungen besser, die Arbeiter jünger, und sogar die Sonne scheint jeden Tag.
"Washington ist kaputt"
In den vergangenen Tagen tourten drei der vier großen republikanischen Bewerber durch Michigan, John McCain, Mike Huckabee und Mitt Romney, alle besuchten pflichtschuldig die Automesse in Detroit. Mike Huckabee pries sein angebliches Wunderrezept zur Rettung der Wirtschaft: Die Abschaffung der Steuerbehörde, den Ersatz der Lohn- und Einkommenssteuer durch eine 30prozentige Mehrwertssteuer auf alle Produkte und Dienstleistungen. "Fair Tax" nennt sich diese Idee - doch fair ist sie nicht. Geringverdiener wären benachteiligt - sie würden durch ihre täglichen Einkäufe unverhältnismäßig mehr Steuern als Reiche zahlen.
Mitt Romney wiederum legte einen Plan zur Rettung der amerikanischen Autoindustrie vor. Da präsentiert er sich als Kämpfer gegen die Übermacht des Staates "Washington ist kaputt" steht auf seinen Wahlplakaten. Doch zugleich fordert er die Verfünffachung der Subventionen für Forschung, sowie Rücknahme der Effizienzstandards für Automotoren. Die sollen die US-Autoproduzenten endlich zwingen, Benzinsparende Motoren zu bauen.
Sein Wirtschaftskonzept: "Ökonomische Freiheit und persönliche Freiheit. Das ist unsere Strategie." Und was steht auf seinen Wahlplakaten? "Veränderung beginnt mit uns." Diesen Slogan hat er wohl von den Demokraten geklaut.
Romneys menschliche Seite - inszeniert
Mitt Romney wusste, er musste hier in Michigan Wärme zeigen, die menschliche Seite, die einen Kandidaten erst glaubwürdig macht - so wie es vergangene Woche schon Hillary Clinton vormachte. Also besuchte er ein Opfer der Wirtschaftskrise, Elisabeth Sachs, 51, arbeitslos, zwei erwachsene Söhne, sie will ihr Häuschen verkaufen, findet aber keine Käufer mehr. Er umarmte sie und saß mit ihr am Küchentisch, dahinter lauerten die Journalisten, die Fotografen. " Wenn Sie keine Fragen beantworten wollen, dann müssen Sie dies nicht", riet der Kandidat. "Und ich habe gelernt: Wenn die etwas fragen, kann man auch ruhig etwas Anderes antworten." Es sollte wohl ein Scherz sein.
Genüsslich verbreiteten die Wahlkampf-Strategen seines Konkurrenten John McCain am Wahltag die banale Wahrheit: Mrs. Sachs ist die Mutter eines festangestellten Romney-Mitarbeiters, Der Event - eine Show. Aber in jedem Fall gut gemeint. Wie Mitt Romney eben.
Alle müssen gewinnen - sonst tut es Giuliani
Drei Kandidaten, drei Siege - desolater kann die Lage für Republikaner kaum sein. Jetzt geht es nach South Carolina, in den evangelikal-konservativen Süden, dort stimmen die Republikaner am Samstag über ihre Kandidaten ab. Im Süden kommt es zum Schwur für John McCain, das "comeback-kid" von New Hampshire und für Teleprediger Mike Huckabee, den Überraschungssieger von Iowa. Hier im Süden hatte John McCain vor acht Jahren gegen eine anonyme Schmutzkampagne verloren, offenbar inszeniert von Bushs Strategen. Und prompt tauchte gestern das erste Flugblatt auf, es verunglimpft den Vietnam-Veteranen und Kriegsgefangenen John McCain als feigen Verräter. Hier im Süden muss auch Mike Huckabee einen Sieg erringen, um weiterhin als ernster Kandidat im Rennen zu bleiben. Und Mitt Romney, der Mormone, dem viele Evangelikale misstrauen? Er muss gewinnen. Koste es, was es wolle. Und er wird Millionen investieren.
Denn noch weiter südlich, in Florida, lauert Rudolph Giuliani. In den ersten drei Vorwahlen verlor er haushoch. Doch er ist überzeugt: am 29. Januar gewinnt er die Vorwahl in Florida und zieht dann an seinen Konkurrenten vorbei. Ob dieser Aussichten plagt viele Republikaner mittlerweile eine fürchterliche Vorstellung: Dass am 29. Januar, eine Woche vor dem alles entscheidenden Super-Dienstag, gleich vier Kandidaten ihren Sieg erklären könnten. Es wäre ein republikanischer Albtraum.