Donald Trump behauptet gerne, er sei der Erste oder Beste, ganz egal wobei. Doch Ende April zeigte sich der US-Präsident stolz vor einem Ländervergleich und verwies darauf, dass seine USA eben nicht das Feld anführen würden, sondern Belgien. Die Liste war jedoch eine, bei der niemand gerne ganz oben stehen möchte: Es ging um die am Coronavirus gestorbenen Menschen pro 100.000 Einwohner eines Landes.
Diese Liste führt Belgien auch heute noch mit solidem Vorsprung an. Mit rund 7800 Corona-Toten starben in Belgien bisher knapp 69 Infizierte auf 100.000 Einwohner an Covid-19 (Daten der Johns Hopkins Universität, 3. Mai). Hier dazu der Vergleich mit den in absoluten Zahlen am stärksten getroffenen Ländern: USA 20, Italien 48, UK 42, Spanien 54 und Frankreich 37. Für Deutschland liegt dieser Wert bei 8. Das relativ kleine Belgien mit seinen 11.5 Millionen Einwohnern liegt auch bei den absoluten Todeszahlen auf Rang sechs noch vor deutlich größeren Ländern wie Deutschland oder Brasilien.

Belgien sagt: Wir zählen genauer als die anderen
Warum aber ist das so? Belgien selbst sieht den Grund dafür in seiner Zählweise. Die sei in der Form aktuell einzigartig auf der Welt, argumentiert Professor Steven Van Gucht, ein belgischer Virologe und Sprecher der Regierung. Belgien zähle nämlich anders als andere Länder auch Verdachtsfälle aus Pflegeheimen, bei denen nie ein Corona-Test gemacht wurde. Diese würden fast die Hälfte der gemeldeten Todesfälle ausmachen und die Zahl somit signifikant nach oben reißen.
Allerdings sind die Belgier nicht die einzigen, die geschätzte Corona-Tote in die Statistik mit einfließen lassen. Das ebenfalls massiv betroffene New York korrigierte etwa Mitte April die Zahlen deutlich nach oben, weil man 3700 Tote mit zu den Corona-Opfern hinzurechnete, die vorher nicht erfasst waren. Keiner davon war positiv getestet worden. Die Ärzte gingen anhand der Symptome aber davon aus, dass Covid-19 ursächlich für den Tod dieser Menschen war. New York beklagt mehr als ein Viertel der Toten in den USA, ist also entsprechend auch für die Länderstatistik relevant.
Auch Großbritannien gab unter der Woche bekannt, nun auch die Toten in Pflegeheimen und Privathaushalten aus England und Wales mit in die Statistik einfließen zu lassen. Man korrigierte die Todeszahl um rund 5000 nach oben. Zuvor waren lediglich Tote in Krankenhäusern erfasst worden. Ein Alleinstellungsmerkmal, das ihre Sonderstellung in der Totenstatistik schlüssig erklären würde, haben die Belgier also nicht.
Über- oder unterschätzt Belgien die Toten?
Regierungssprecher Van Gucht kritisiert den Vergleich mit den anderen Ländern bei der BBC dennoch stark. Diese seien "politisch motiviert" und sollten nur zeigen, "wie gut man selber ist, und das ist falsch." Der Regierungsbeamte ist überzeugt: "Wir zählen tatsächlich korrekter als die anderen." Die Zeit werde zeigen, dass "Belgien die richtigen Zahlen gehabt haben wird". Die Schätzungen seien ja nicht aus der Luft gegriffen. Der Arzt vor Ort könne einen entsprechenden Vermerk machen, etwa wenn es in dem selben Pflegeheim bereits bestätigte Fälle gegeben habe und die Symptome passten, so Van Gucht.
Die belgische Premierministerin deutete kürzlich an, dass Belgien womöglich zu viele Tote Corona zuordnen würde, auch mancher Wissenschaftler im Land kritisiert die Zählmethode. Virologe Van Gucht hingegen geht davon aus, dass Belgien trotz dieser Methode eher noch zu wenig Corona-Tote erfasse.
Ein weiterer möglicher Grund für die überdurchschnittlichen hohen Zahlen in Belgien könnte sein, dass dort relativ viele alte Menschen in Pflegeheimen leben. Laut der BBC hätten in Europa nur Luxemburg und die Niederlande prozentual gesehen mehr Menschen über 65 in Heimen als Belgien. Und Pflegeheime, das sieht man überall auf der Welt, steuern nun mal einen signifikanten Teil der Corona-Toten bei.
Auch in Belgien flacht die Kurve ab
Van Gucht sagt gegenüber dem "Independent", man müsse die belgischen Totenzahlen halbieren, um sie mit den anderen Ländern vergleichen zu können. Tatsächlich haben die vergangenen Wochen immer wieder gezeigt, wie schwierig die Zahlen aus verschiedenen Ländern zu vergleichen sind. Bei den Infektionszahlen etwa macht es einen Riesenunterschied, wie viel die einzelnen Länder testen, was eine Vergleichbarkeit quasi unmöglich macht. Damit werden auch die Todeszahlen im Vergleich zu den gemeldeten Fällen mehr oder minder unbrauchbar. Die Totenzahl pro 100.000 Einwohner löst zwar dieses Problem, durch die verschiedenen Zählweisen der Länder wird jedoch die Vergleichbarkeit wieder erschwert.
Wie nahezu überall auf der Welt scheint sich jedoch langsam aber sicher auch in Belgien die Infektionskurve etwas zu beruhigen. Auch die Zahl der täglichen Toten fiel von bis zu 500 Mitte April auf zuletzt rund 100. Am Montag beginnt die erste Phase des Ausstiegs aus dem Lockdown, wenn bestimmte Geschäfte wieder für den Publikumsverkehr öffnen dürfen. Sollten die Zahlen so bleiben, sollen nach den aktuellen Plänen am Ende des Monats Kinder auch wieder in die Schulen dürfen.
Quellen: John Hopkins University / "Brussels Times" / BBC / "New York Times" / "Independent"