Ein Mann will in seine Heimat zurückkehren, nach Amerika. Man verhaftet ihn noch auf dem Flughafen, stülpt ihm eine Kapuze über den Kopf. Der Mann verschwindet. Die CIA lässt ihn in ein nordafrikanisches Land fliegen. Man vermutet, er habe Kontakt zu Terroristen. Dort wird der Mann gefoltert, um Informationen zu erpressen. Eine der Techniken, die dabei angewandt werden, heißt "water boarding". Dabei wird dem Gefangenen das Gesicht mit einem Tuch fest verbunden. Dann wird unter hohem Druck Wasser über das Gesicht gegossen. Schon nach wenigen Sekunden glaubt man, zu ertrinken. Der Mann ist unschuldig. Opfer eines falschen Verdachts.
Man lässt foltern
"Rendition", "Auslieferung", heißt der Film, der gerade in die Kinos gekommen ist. Jake Gyllenhaal spielt einen CIA-Agenten, dem Zweifel an seiner schmutzigen Arbeit kommen, Meryl Streep ist die skrupellose CIA-Agentenführerin. Sie exekutiert den Krieg gegen den Terror, den ihre Regierung propagiert. Sie behauptet, die Moral sei auf ihrer Seite.
"Extraordinary Renditions", "Sonder-Auslieferungen", heißt das geheime Programm, mit dem die CIA jahrelang Verdächtige in Drittstaaten ausfliegen ließ. Vorzugsweise in Länder wie Ägypten oder Syrien. Dort, wo man in der Wahl der Verhörmethoden nicht gerade zimperlich ist. Und auch nicht sein soll. Die USA folterten nicht selbst. Sie gaben meist einen Fragenkatalog mit. Es war Auftragsfolter.
Zehn Millionen Dollar für für unschuldiges Opfer
Der Film "Rendition" ist Fiktion, doch er erzählt auch die Geschichte eines echten CIA-Opfers: am 26. September 2002 wurde der kanadische Telekommunikationsingenieur Maher Arar bei einem Zwischenstopp auf dem New Yorker JFK-Flughafen festgenommen. Er verschwand spurlos. Zehn Monate und zehn Tage verbrachte er in einem syrischen Foltergefängnis, Opfer eines falschen Verdachts, seine Zelle war so groß wie eine Kiste, er nannte sie "das Grab." Maher Arar kam frei, weil seine Frau die Suche nach ihm nicht aufgab. Ein Untersuchungsausschuss des kanadischen Parlaments stellte seine Unschuld fest. Ihm wurden zehn Millionen Dollar Schadensersatz zugesprochen.
Katja Gloger
Die US-Hauptstadt ist ein politisches Haifischbecken, in dem getuschelt, geschmiedet, verschworen und gestürzt wird. Mittdendrin: Katja Gloger. Die stern-Korrespondentin beobachtet in ihrer Kolumne "Washington Memo" den Präsidenten und beschreibt die, die es werden wollen. Dazu der neueste Klatsch aus dem Weißen Haus und von den Fluren des Kongresses.
In diesem, dem letzten Amtsjahr des Präsidenten George W. Bush hat der Krieg nun auch Hollywood erreicht. Gleich eine ganze Reihe eindrucksvoller Filme setzt sich in diesem Herbst mit der grausigen, widersprüchlichen Realität auseinander. Mit der Realität im Irak, in Afghanistan, in Washington. Mit den Lügen der Politiker, der Propaganda, der Angst. Mit echten und falschen Helden. Und überall ist ein Schlachtfeld.
Lügen, Propaganda, Angst
Da führt der Thriller "The Kingdom" nach Saudi Arabien, ins Herz der Finsternis. Dort sucht ein heldenhaftes FBI-Team nach einem verheerenden Bombenanschlag gegen alle Widerstände nach den (saudischen) Tätern - und findet sie. Da propagiert in Robert Redfords hervorragendem "Lions for Lambs" ein aalglatter republikanischer Senator, gespielt von Tom Cruise, in seinem klimatisierten Büro unter dem Foto von Präsident Buh eine neue Strategie im Krieg gegen den Terror. Die soll ihm helfen, Präsident zu werden - während in Afghanistan junge, idealistische US-Soldaten für diesen verlogenen Krieg ihr Leben opfern. Und das, was der Senator sagt, klingt genau so wie die Brandreden der neokonservativen Kriegstreiber. Und Brian de Palmas schockierender "Redacted" ("Redigiert") schließlich führt in den Irak, in ein Schlachthaus. Ein 15-jähriges Mädchen wird von US-Soldaten vergewaltigt und ermordet. US-Soldaten werden von irakischen Aufständischen enthauptet oder in die Luft gesprengt. Überall herrschen Blut und Tod und Terror und Chaos.
Am schockierensten vielleicht - das Ende des Films. Da füllt sich die Leinwand mit Fotos echter Iraker. Viele von ihnen sind tot. Wurden gefoltert, fielen den Autobomben zum Opfer. Ihre Gesichter sind zum Teil geschwärzt - denn die Produktionsfirma wollte kein Risiko eingehen. Man habe eigentlich keine Erlaubnis, diese Fotos zu zeigen, heißt es.
Wie weit darf ein Staat gehen?
Es sind verstörende Filme - und das vielleicht auch, weil sie Antworten auf die Fragen nach Recht und Unrecht, nach Moral und Skrupellosigkeit verweigern. Wie weit darf ein Staat gehen, um seine Bürger zu schützen? Welche Verantwortung hat jeder Einzelne? Welchen Preis zahlen die Menschen auch in Amerika für die elende Politik der Angst?
In der Realität, Downtown Washington, in diesem letzten Jahr der Bush-Regierung, muss der Präsident seinen Kandidaten für das Amt des Justizministers vom US-Senat bestätigen lassen. Nach dem Rücktritt des Bush-Buddies und Folter-Memo-Propagandisten Alberto Gonzales soll der pensionierte Bundesrichter Michael Mukasey nun Minister werden. Doch der weigert sich hartnäckig, die Verhörmethode des "water boarding" als Folter zu verurteilen. Denn dies würde all den CIA-Agenten enorme juristische Probleme bereiten, die diese und andere geheime angeblich nur "harte" Verhörmethoden anwandten. Schon erklärte Präsidentschaftskandidat und Senator Barack Obama, er werde gegen die Ernennung Mukaseys stimmen: "Er hat nicht klar gemacht, dass er wirklich versteht, welche juristischen und moralischen Dinge für unser Land auf dem Spiel stehen." Seit Wochen nun sind die USA ohne Justizminister.
Das Opfer gilt als Risiko - für die nationale Sicherheit
Mehr und mehr Senatoren machen jetzt Front gegen die angeblich so effizienten "erweiterten" ( CIA-Chef Michael Hayden) Verhörmethoden der CIA in geheimen Lagern, mit denen angeblich so wertvolle Informationen gesammelt wurden. Da kritisiert der demokratische Senator John Rockefeller, Vorsitzender des Geheimdienstausschusses und sonst ein Meister der Diskretion: "Man ist bislang den Beweis schuldig geblieben, dass ein geheimes Verhörprogramm wirklich gerechtfertigt ist." Und wie reagiert CIA-Direktor General Michael Hayden? "Egal was wir tun, immer versucht man, uns in die dunkelste Ecke des Zimmers zu schieben", jammerte er in einem Fernsehinterview.
Vor zwei Wochen beschäftigte sich der Rechtsausschuss des US-Kongresses mit dem Fall des kanadischen Rendition-Opfers Maher Arar. Einige Abgeordnete entschuldigten sich bei ihm für das, was ihm angetan wurde. Auf hartnäckige Nachfragen der Abgeordneten musste dann auch Außenministerin Condoleezza Rice wenigstens zugestehen: man habe den Fall Arar falsch behandelt. Sie sprach keine Entschuldigung aus. Maher Arar war per Videokonferenz aus Kanada zugeschaltet. Er durfte nicht persönlich Zeugnis geben - denn ihm wird die Einreise in die USA verweigert. Es heißt, Maher Arar sei ein Risiko für die nationale Sicherheit der Vereinigten Staaten. Immer wieder überholt die Realität die Fiktion. Sogar die von Hollywood.