Vorwürfe gegen US-Präsident Wie Donald Trump China um Hilfe anflehte – die wichtigsten Passagen aus Boltons Abrechnung

Erneut erhebt ein früherer, enger Mitarbeiter Vorwürfe gegen Donald Trump: dieses Mal mit John Bolton sogar sein ehemaliger Sicherheitsberater. Lesen Sie hier die eindrücklichsten Passagen aus dessen Abrechnung in Buchform. 

Bislang hat Donald Trump noch jeden Ausrutscher, jede Attacke, jede Enthüllung, jeden Fehltritt und sonstige Tabubrüche schadlos überstanden: Übergriffigkeiten gegen Frauen, einen Sonderermittler, das Amtsenthebungsverfahren. Allein sein verschlafener Kampf gegen das Coronavirus setzt ihm zu, vielmehr die dadurch verursachten wirtschaftlichen Verwerfungen. Weiterhin 40 Prozent der Amerikaner sind zufrieden mit seiner Amtsführung. Es könnte schlimmer sein, offenbar entzieht sich der US-Präsident den üblichen Mechanismen der Politik – ob daran das Buch von seinem früheren Sicherheitsberater John Bolton etwas ändern wird? Genug Sprengstoff dafür enthält es.

Das geschah im Raum, wo es geschah

Bolton hat bis September 2019 anderthalb Jahre intensiv an Trumps Seite gearbeitet, sein Buch "The Room Where It Happened: A White House Memoir" ("Der Raum, in dem es geschah - Memoiren aus dem Weißen Haus") soll am 23. Juni herauskommen - viereinhalb Monate vor der US-Präsidentschaftswahl. In von US-Medien veröffentlichten Auszügen erhebt der Ex-Sicherheitsberater den Vorwurf, Trump ordne seine gesamte Außenpolitik wahltaktischen Überlegungen unter.

Lesen Sie hier die wichtigsten (bislang bekannten) Passagen:

  • So habe Trump einen Handelsstreit mit China losgetreten und in den anschließenden Verhandlungen mehrfach klargemacht, dass es ihm darum gehe, ein Ergebnis zu erzielen, das es ihm erlauben würde, bei der US-Wahl im November in den landwirtschaftlich geprägten Bundesstaaten zu siegen, schreibt Bolton. Chinas Versprechen, mehr landwirtschaftliche Produkte zu kaufen, waren ein wichtiger Teil des Abkommens. Trump habe Chinas Präsident Xi Jinping angefleht, "damit Xi sicherstellt, dass er gewinnen würde", schrieb Bolton demnach. "Er betonte die Bedeutung von Landwirten und von größeren chinesischen Käufen von Sojabohnen und Weizen für den Ausgang der Wahl", schrieb Bolton.

Xi erschmeichelt sich Zugeständnisse 

  • Bolton beschreibt auch, wie Chinas Xi Trump bei einem G20-Gipfel gut vorbereitet und ausführlich schmeichelte, was dem US-Präsidenten spontane Zugeständnisse abtrotzte. Trumps Berater hätten sich im Nachhinein bemüht, die Situation wieder geradezurücken. Bei einem weiteren Treffen habe Trump Xi sogar gesagt, dieser sei "die tollste Führungsperson der chinesischen Geschichte". Die Lage der Menschenrechte in China - etwa die Demokratiebewegung in Hongkong oder die unterdrückte muslimische Minderheit der Uiguren – hätte Trump demnach nicht interessiert. Trump soll Xi sogar zur weiteren Unterdrückung und Internierung der muslimischen Minderheit in Umerziehungslagern ermuntert haben. Auf diese Passage regierte der US-Präsident bereits: "Das ist nicht wahr. Er ist ein Lügner", zitiert das "Wall Street Journal" Donald Trump. Am Mittwoch hat der US-Kongress ein Sanktionsgesetz unterschrieben, mit dem China für die Verfolgung von Uiguren bestraft werden soll. "Ich hätte das sehr leicht abschmettern können", sagte Trump laut dem Blatt.
Donald Trump
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Gegner in der eigenen Partei – diese Republikaner wollen Trumps Wiederwahl verhindern
  • Bolton wirft dem Präsidenten auch vor, dass seine Außenpolitik häufig auf Bauchgefühl und Unwissenheit basiere. So habe Trump etwa nicht gewusst, dass Großbritannien eine Atommacht sei und einmal gefragt, ob Finnland zu Russland gehöre, wie Bolton laut der "New York Times" schreibt. Eine Invasion Venezuelas habe er als "cool" bezeichnet und an anderer Stelle behauptet, dass die "südamerikanische Nation" zu den Vereinigten Staaten gehören würde.

Trump wollte aus der Nato austreten

  • Zudem soll Trump einen Nato-Austritt ernsthaft erwogen haben. "Willst Du mal etwas Historisches machen?", soll Trump Bolton am Rande eines Gipfels gefragt haben – offenbar hatte der US-Präsident mit den Gedanken gespielt, mal eben so das Verteidigungsbündnis zu verlassen.
  • Bolton erklärt auch, es sei klar gewesen, dass Trumps persönliche Diplomatie mit dem nordkoreanischen Machthaber Kim Jong Un nie zu einem befriedigenden Ergebnis führen würde. Während eines Treffens mit dem Nordkoreaner 2018 habe Außenminister Mike Pompeo Bolton einen Zettel zugesteckt, in dem jener über Trump geschrieben habe: "Der redet so viel Scheiße".
  • Irgendwo zwischen amüsant und erschreckend ist die Episode, in der Bolton erzählt, dass Trump Kim eine CD von Elton Johns "Rocket Man" zukommen lassen wollte, was aber wegen der Sanktionen eigentlich verboten war. Der US-Präsident hatte den Diktator "Little Rocket Man" genannt, und wollte mit seiner Geste zeigen, dass er das nur scherzhaft gemeint habe. Trump soll Außenminister Pompeo mit dem Auftrag der CD-Übergabe regelrecht belagert haben.

Für Putin ist Trump kein Gegner

  • Auch Wladimir Putin kommt in dem Buch vor. In einem vorab veröffentlichten Interview-Ausschnitt sagte Bolton (das Gespräch wird am Sonntag ausgestrahlt) Russlands Präsident glaube, er könne Trump nach Belieben manipulieren, weil dieser kein "ernsthafter Gegner" sei. "Ich glaube nicht, dass er sich über ihn Sorgen macht". Putin sei im Vorteil, weil er sein ganzes Leben damit verbracht habe, sich um Russlands strategische Position in der Welt zu bemühen, wohingegen Trump nichts über solche Themen "lesen oder lernen will".
  • Überhaupt macht Bolton Trumps Faszination für autoritäre Machthaber Sorgen, zumal er mehrfach strafrechtliche Ermittlungen zugunsten von "Diktatoren" unterbunden habe, etwa in Bezug auf China und die Türkei. Dabei sei es unter anderem um Ermittlungen gegen die Unternehmen ZTE und Halkbank gegangen, schreibt Bolton. "Das Verhaltensmuster sah nach Behinderung der Justiz als Alltagsgeschäft aus, was wir nicht akzeptieren konnten", so Bolton. Er habe seine Bedenken damals auch schriftlich an Justizminister William Barr gerichtet. Barr, der zumindest nach außen extrem loyal zum Präsidenten steht, habe sich Bolton gegenüber mehrfach kritisch über den Chef im Weißen Haus geäußert.
  • Aus diesen Gründen sei auch das Amtsenthebungsverfahren nach Ansicht des erzkonservativen Republikaners gerechtfertigt gewesen. "Ich dachte, die ganze Angelegenheit war schlechte Politik, juristisch fragwürdig und für einen Präsidenten inakzeptables Verhalten", zitiert die "Washington Post" aus Boltons Buch. Trump habe sich gegenüber der Ukraine von verschiedenen "Verschwörungstheorien" beeinflussen lassen, so Bolton. Dennoch hatte sich Bolton geweigert, vor dem Repräsentantenhaus auszusagen. Kritiker werfen ihm vor, scheinheilig zu agieren und nur möglichst viel Profit aus seinem Buch schlagen zu wollen. Darin rechtfertigt er seine Entscheidung. Die Demokraten hätten ihre Untersuchung aus politischen Gründen nur auf die Ukraine begrenzt, um das Verfahren schnell abzuschließen, schreibt er. Wäre es eine breiter angelegte Untersuchung gewesen, hätte er ausgesagt. Dann wäre das Verfahren vielleicht anders ausgegangen, mutmaßt er.

US-Regierung will Bolton-Buch stoppen

"Es ist wirklich schwierig, irgendeine signifikante Entscheidung Trumps während meiner Zeit im Weißen Haus zu identifizieren, die nicht von Überlegungen zu seiner Wiederwahl getrieben war", schreibt Bolton an einer Stelle. Das Buch, das als Abrechnung mit Trump verstanden wird, versucht die US-Regierung per einstweiliger Verfügung zu stoppen. Sie wirft Bolton vor, dass es Geheiminformationen enthalte, die nicht zur Veröffentlichung freigegeben worden seien. Er selbst beteuert, dass alle sensiblen Passagen nach Rücksprachen entfernt worden seien. Auf jeden Fall dürfte das öffentlichkeitswirksame Vorgehen des Justizministerium den Buchverkäufen eher nützen als schaden.

nik mit DPA und AFP