Die russische Regierung geht mit abstrusen Maßnahmen dagegen vor, dass sich Vergleiche zwischen dem heutigen Russland und der Utopie Orwells aus "1984" in den Köpfen der russischen Bürger festsetzten. Doch mit ihren Handlungen scheint die Führung in Moskau diese Aktionen selbst torpedieren zu wollen. In der ukrainischen Stadt Mariupol ist nun ein besonders anschauliches Beispiel dieser Praxis zu sehen. Dort hat das russische Ministerium für Katastrophenschutz drei Lastwagen mit großen Fernsehbildschirmen versehen. Diese fahren nun durch die Trümmer der von russischen Truppen zerstörten Metropole – und zeigen das Programm des russischen Staatsfernsehens.
"Fast drei Monate lang befanden sich die Bewohner von Mariupol aufgrund fehlender Stromversorgung in einem Informationsvakuum. Die Retter des russischen Katastrophenschutzministeriums setzen drei mobile Komplexe zur Information und Alarmierung der Bevölkerung ein. Einer dieser Komplexe ist fest installiert, die anderen beiden bewegen sich durch die Stadt und senden jeweils zwei Stunden lang in den verschiedenen Stadtteilen von Mariupol Nachrichten", zitiert die russische Nachrichtenagentur Tass das Ministerium.
Mariupol unter Propaganda-Beschallung
Auch in anderen Gebieten der Region Donezk, die unter russische Kontrolle geraten sind, würden solche Komplexe betrieben werden, insbesondere in den Bezirken Wolnovakha und Krasnolimansky. "Sie senden Nachrichten von föderalen und republikanischen Fernsehsendern, übermitteln Hintergrundinformationen für die Einwohner und zeigen Kindern Zeichentrickfilme und Märchen", berichtet Tass scheinheilig, ohne überhaupt zu erwähnen, warum Mariupol drei Monate lang vom Strom und Informationen abgeschritten gewesen ist. Mit "republikanischen Sendern" werden dabei TV-Sender aus den selbst proklamierten Republiken von Donezk und Luhansk bezeichnet.
Nach Angaben des Beraters des Bürgermeisters von Mariupol, Petr Andryuschtchenko (er befindet sich wie andere Vertreter der ukrainischen Behörden außerhalb der besetzten Stadt), wurden an belebten Plätzen außerdem zwölf Fernseher mit einer Diagonale von 75 Zoll installiert – momentan vor allem an Punkten für die Ausgabe humanitärer Hilfe und verschiedener Papiere sowie an Orten mit Zugang zu Wasser.
"Vor dem Hintergrund von Ruinen und Massengräbern erzählt man nun den Bewohnern von Mariupol von vermeintlichen Verbesserungen und den Verbrechen der ukrainischen Armee", kommentierte Andryuschtchenko dieses Vorgehen sarkastisch.
Die Hölle von Mariupol in Bildern: Schutt, Asche und Tod

Der Sinn und Zweck der rollenden Propaganda-Wagen ist simpel: Das Informationsvakuum, in dem Mariupol die vergangenen Monate ums Überleben kämpfen musste, soll möglichst schnell gefüllt werden. Und das mit Kreml-Propaganda. Im Kampf um die Köpfe der Menschen ist dies das einzige Mittel, das Russlands Präsident Wladimir Putin geblieben ist.