"Euro Hawk"-Affäre De Maizière rechtfertigt Drohnen-Debakel

Erstmals hat der Verteidigungsminister den Stopp des Drohnenprojekts "Euro Hawk" verteidigt: Ziel sei gewesen, "höheren Schaden zu verhindern". Der Produzent hatte zuvor jede Mitschuld zurückgewiesen.

Verteidigungsminister Thomas de Maizière hat sich zu seiner Mitverantwortung für das teure Drohnen-Debakel bekannt. "Ich bin der zuständige Ressortminister und trage Verantwortung für das, was in meinem Geschäftsbereich passiert. Und dessen bin ich mir bewusst", sagte er am Freitag im Deutschlandfunk. Über Konsequenzen werde er aber erst bei Vorlage des Untersuchungsberichts am 5. Juni entscheiden.

In seinem ersten Interview seit dem Scheitern des milliardenschweren Drohnen-Projekts "Euro Hawk" kündigte de Maizière aber schon eine erste Neuregelung zur Rüstungsbeschaffung an: Der Bundestag soll künftig frühzeitig über Probleme informiert werden. "Das war in der Praxis wenig der Fall. Ich bin entschlossen, das für die Zukunft zu ändern", sagte er. Der CDU-Politiker schlug vor, jedes Quartal oder jedes halbe Jahr dem Verteidigungsausschuss des Parlaments einen Bericht über alle größeren Beschaffungsvorhaben mit allen Problemen abzugeben. "Das wird dann nicht geheim bleiben, das wird zu gewaltigen Diskussionen führen, aber wenn der Ausschuss das möchte, bin ich dazu bereit."

Trotz des "Euro Hawk"-Debakels will de Maizière weiter in Drohnen-Technologie investieren. "Das ist eine riesige Zukunftstechnologie in Deutschland und Europa. Wir können und sollten uns davon nicht abkoppeln", sagte er. Das Verteidigungsministerium will neben Aufklärungsdrohnen möglicherweise auch Kampfdrohnen für die Bundeswehr anschaffen. Die Entscheidung darüber soll aber erst nach der Bundestagswahl fallen.

Keine Bewertung vor Untersuchungsbericht

Das Verteidigungsministerium hatte die Beschaffung der Aufklärungsdrohne "Euro Hawk" wegen massiver Probleme bei der Zulassung für den europäischen Luftraum gestoppt. Dadurch ist für den Bundeshaushalt ein Schaden in dreistelliger Millionenhöhe entstanden. "Das Ziehen der Reißleine (...) diente auf jeden Fall dazu, höheren Schaden zu verhindern", sagte de Maizière. Er gab aber auch zu bedenken: "Wenn wir bei komplizierten Beschaffungsvorhaben bei jedem Problem komplett die Reißleine ziehen würden, dann hätten wir gar keine Rüstungsprojekte. Es gibt kein einziges Beschaffungsverfahren ohne Probleme dieser Größenordnung."

De Maizière bekräftigte seine Absicht, vor der Vorlage des Untersuchungsberichts keine abschließende Bewertung vorzunehmen. Zugleich äußerte er Verständnis für das große öffentliche Interesse: "Ich verstehe die öffentliche Aufregung, ich verstehe auch die Kritik daran."

US-Hersteller hält Bedenken aus Berlin für haltlos

Zuvor hatte sich US-Herstellerfirma gegen Vorwürfe der Bundesregierung gewehrt. Ein Sprecher der Firma Northrop Grumman wies in der Wochenzeitung "Die Zeit" die Vorhaltung zurück, es seien nicht sämtliche Baupläne nach Deutschland geliefert worden. Auch die Berliner Bedenken wegen des Kollisionsschutzes und möglicher Kostensteigerungen seien nicht nachvollziehbar.

"Euro Hawk" ist die europäische Version der US-Drohne "Global Hawk" des Unternehmens Northrop Grumman. Das Verteidigungsressort beklagte, der Hersteller habe die nötigen Papiere für die Zulassung nicht in ausreichender Form geliefert. Jene Teile, für die es keine Unterlagen gebe, hätten selbst hergestellt werden müssen. Dies hätte aber enorme Kosten verursacht.

Keine Kostenexplosion zu befürchten

Der Sprecher von Northrop Grumman hielt dagegen, der Auftraggeber habe nie eine klare Anweisung gegeben, welche Dokumente für Zertifizierungen und die Zulassung in Europa nötig gewesen wären. Zum Kollisionsschutz sagte er, ein Drohnen-Modell sei ohne ein solches System zum Testbetrieb nach Deutschland geliefert worden. Für die weiteren bestellten Drohnen sei aber sehr wohl ein solches System eingeplant gewesen. Es sei ein Bestandteil aller Modelle der "Hawk"-Familie. Er könne daher nicht nachvollziehen, warum die Regierung plötzlich eine gewaltige Kostensteigerung ins Feld führe.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Nach eigenen Angaben weiß die US-Firma noch nichts von dem Aus des Projekts. Aus unternehmerischen Kreisen hieß es laut "Zeit", man sei von der Entscheidung aus Berlin sehr überrascht gewesen.

Eurocontrol will europaweite Standards

Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin mahnte in der "Neuen Westfälischen", der Minister dürfe mit der Aufklärung nicht bis zum 5. Juni warten. Auch Linksfraktionschef Gregor Gysi forderte Erklärungen von de Maizière - und zwar sofort und nicht erst in zwei Wochen. SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles sagte der SPD-Zeitung "Vorwärts", sie habe viele Fragen an den Ressortchef und warf ihm vor, "eigene Fehler zu vertuschen".

Von der europäischen Flugsicherheitsbehörde Eurocontrol hieß es, sowohl der "Global Hawk" als auch der "Euro Hawk" verfügten über elektronische Systeme zur Kollisionsvermeidung: "Aber die sind noch nicht von zivilen Behörden abgenommen", sagte Behördendirektor Luc Tytgat in Brüssel. Eurocontrol wolle, dass diese Systeme nach Standards, die auch in der Zivilluftfahrt Vorschrift sind, geprüft werden. Derzeit könne jedes Land nach eigenen Vorschriften unbemannte Flugzeuge zulassen und im nationalen militärischen Luftraum auch fliegen lassen. Wichtig sei aber, rasch grenzüberschreitende europäische Standards zu schaffen.

DPA
lin/DPA/AFP