Tino Chrupalla und Alice Weidel Mögliche Angriffe auf AfD-Führungsduo – was bekannt ist und welche Fragen noch offen sind

AfD-Fraktionsvorsitzende Tino Chrupalla und Alice Weidel sprechen vor der Presse
Am 26. September – drei Tage nach dem mutmaßlichen Polizeieinsatz bei Alice Weidel – hatte die AfD-Fraktionsvorsitzende noch gemeinsam mit ihrem Co-Vorsitzenden Tino Chrupalla vor der Presse gesprochen
© Lukas Fortkord / DPA
Zwei mysteriöse Vorfälle sorgen für Beunruhigung in der AfD. Parteichef Tino Chrupalla musste ins Krankenhaus eingeliefert werden, Co-Chefin Alice Weidel sich angeblich wegen einer Bedrohungslage auf Mallorca in Sicherheit bringen. Was bisher bekannt ist.

Wurde Tino Chrupalla angegriffen? Am Rande einer Wahlkampfveranstaltung am Mittwochnachmittag in Ingolstadt wurde der AfD-Parteichef ins Krankenhaus eingeliefert. Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts auf Körperverletzung. Das teilte eine Sprecherin der Ermittlungsbehörde der Nachrichtenagentur AFP mit (der stern berichtete). Die Ermittlungen laufen gegen Unbekannt.

Laut Chrupallas Sprecher sei in der Klinik eine "Einstichstelle" am Körper des Politikers festgestellt worden. Es liefen Untersuchungen auf mögliche Substanzen im Körper. Die Polizei äußerte sich bislang nicht zu möglichen Gründen für die Einlieferung des AfD-Chefs ins Krankenhaus. Ein Polizeisprecher sagte der Nachrichtenagentur DPA, dass es zu einem möglichen Spritzenangriff auf Chrupalla aktuell keine Erkenntnisse gebe. "Nach dem derzeitigen Kenntnisstand" sollen mehrere Personen Selfies Chrupalla gemacht haben, bei dem es zu einem leichten Körperkontakt gekommen sei, hieß es.

Chrupalla habe später Schmerzen im Oberarm verspürt und sei "wegen weiterer gesundheitlicher Beschwerden" ins Krankenhaus gebracht worden, teilten Polizei und Staatsanwaltschaft mit. Dort sei eine "oberflächliche Rötung bzw. Schwellung" festgestellt worden.

Zum Gesundheitszustand des 48-Jährigen gibt es noch keine offiziellen Angaben. Sein Sprecher sagte am Donnerstagmorgen, er befinde sich auf der Intensivstation, sei aber ansprechbar. Der AfD-Chef fällt wohl für den Wahlkampfendspurt in Bayern aus.

Die Kriminalpolizei rief etwaige Zeuginnen und Zeugen dazu auf, Fotos oder Videos von der Wahlkampfveranstaltung auf dem Ingolstädter Theaterplatz auf ein Uploadportal hochzuladen.

Verwirrung um "Bedrohungslage" bei AfD-Chefin Alice Weidel

Auch um Chrupallas Co-Vorsitzende Alice Weidel gibt es in diesen Tagen Aufruhr. Eigentlich sollte Weidel am 3. Oktober, dem Tag der Deutschen Einheit, in Mödlareuth auftreten, einem Grenzort zwischen Bayern und Thüringen. Am Sonntag wird in Bayern gewählt – der Termin sollte der Höhepunkt des AfD-Landtagswahlkampfs sein. Doch die AfD-Fraktionsvorsitzende tauchte nicht auf. Stattdessen hieß es von ihrem Sprecher: "Frau Weidel und ihre Familie wurden von Sicherheitsbehörden aus ihrer privaten Wohnung an einen sicheren Ort verbracht, da sich Hinweise verdichtet hatten, die auf einen Anschlag auf ihre Familie hindeuteten." Ein Polizei-Sprecher aus der Schweiz bestätigte dem stern einen Einsatz am 23. September, nannte jedoch keine Details.

Eine eingespielte Videobotschaft suggerierte, Weidel halte sich akut in sicherer Umgebung auf. Ein AfD-Vertreter sprach bei dem Auftritt von einem "Grußwort aus dem Safe House" – "das ist Deutschland 2023". Weidel selbst sagt in dem Video: "Ich würde nichts lieber tun, als heute bei euch zu sein, aber ich kann es leider nicht."

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Dann wurde sie am selben Tag im Osten Mallorcas in einem öffentlichen Restaurant gesichtet, gemeinsam mit ihrer Lebensgefährtin. Der "Spiegel" hatte zuerst berichtet. Den "sicherheitsrelevanten Vorfall", wie ihn die Schweizer Polizei nennt, habe es tatsächlich gegeben, erklärte ein AfD-Sprecher dem Magazin. Die Familie sei daraufhin der Empfehlung gefolgt, "einige Zeit ihrer häuslichen Umgebung fernzubleiben, welche ein mutmaßliches Anschlagsziel war". Daher habe sie ihren Aufenthaltsort "aus Sicherheitsgründen" nicht kommuniziert.

Das Bundeskriminalamt (BKA), zuständig für den Schutz von Politikerinnen und Politikern, will keine Empfehlung für eine Absage des Auftritts ausgesprochen haben, sagte ein Sprecher dem stern. Auch war Weidel noch am 26. September, drei Tage nach dem Polizeieinsatz, mit ihrem Co-Vorsitzenden Chrupalla auf einer Fraktionssitzung aufgetreten und hatte am 29. September an einer Bundestagssitzung teilgenommen. Details zu einer möglichen Bedrohungslage oder Schutzmaßnahmen für die AfD-Chefin wollte das BKA am Donnerstagvormittag auf stern-Anfrage nicht nennen.

Immer wieder Angriffe auf Politikerinnen und Politiker

In der Vergangenheit hatte es immer wieder Bedrohungen gegen und Angriffe auf Politikerinnen und Politiker gegeben. Nach Angaben der Bundesregierung gab es im vergangenen Jahr insgesamt 1398 tätliche Angriffe auf Mitglieder des Bundestags, am häufigsten auf Politikerinnen und Politiker der Grünen (399) und der SPD (386). Auf Rang drei liegt die AfD (321). Insgesamt haben die Angriffe gegen die Ampel-Parteien deutlich zugenommen.

Mehrere vermeintliche oder echte Attacken auf AfD-Politikerinnen und -Politiker sorgten in den vergangenen Monaten für Schlagzeilen, zum Beispiel:

  • Im August wurde der Augsburger AfD-Stadtrat Andreas Jurca offenbar angegriffen und ins Gesicht geschlagen. Die Polizei ermittelt wegen gefährlicher Körperverletzung und durchsuchte in der vergangenen Woche die Wohnung von zwei Tatverdächtigen, berichtet die "Augsburger Allgemeine".
  • 2019 wurde der Bremer AfD-Landeschef Frank Magnitz angegriffen. Wie bei Jurca wurden im Nachhinein Aufnahmen veröffentlicht, die den Politiker blutverschmiert zeigten. Hinterher erläuterte ein interner Rundbrief, dass Magnitz "Aufmerksamkeit" und "mediale Betroffenheit" mit der Veröffentlichung erzeugen wollte und die Schilderungen dramatisierte. Der Brief lag unter anderem der "taz" vor.
  • Im Mai 2018 wurden am Auto des damaligen AfD-Bundestagsabgeordneten Anton Friesen gelöste Radmuttern festgestellt. Die Staatsanwaltschaft ermittelte, Friesen sprach anschließend von einer "neuen Dimension linksextremistischer Gewalt". Später kam durch ein Gutachten der der Behörden heraus: Durch offenbar mangelhafte Ersatzteile haben sich die Muttern wahrscheinlich selbstständig gelöst.

Für den Schutz von Vertreterinnen und Vertretern der Verfassungsorgane, zu denen auch der Bundestag gehört – und damit auch das AfD-Führungsduo – ist das BKA zuständig. Die Abteilung Sicherheitsgruppe bewertet dazu regelmäßig die Gefährdung einzelner Personen und ergreift wenn nötig Schutzmaßnahmen, die von einer Sicherheitsberatung bis hin zu dauerhaftem Personenschutz reichen können. Bei dem geplanten Wahlkampfauftritt von Tino Chrupalla seien Beamtinnen und Beamte des BKA vor Ort gewesen, teilte die Wiesbadener Behörde auf stern-Anfrage mit.

Anmerkung der Redaktion: Dieser Artikel wurde um weitere Informationen der Ermittlungsbehörden ergänzt. Außerdem wurden die Angaben zum Radmuttern-Vorfall 2018 präzisiert.