Angst vor Rechtsruck Warum die AfD nicht so erfolgreich sein wird wie die FPÖ

Die FPÖ ist bei der Bundespräsidentenwahl in Österreich zur stärksten Kraft geworden. Die deutsche AfD träumt von solchen Erfolgen. Viel spricht allerdings dafür, dass sie es nicht so weit bringen wird.

Ein Gespenst geht um in Europa - auch in Deutschland. Rund 35 Prozent der Wähler haben in Österreich für die rechtspopulistische FPÖ gestimmt - vor allem als Reaktion auf die Flüchtlingskrise. Die Angst vor einem Rechtsruck hat längst auch den Nachbarn Deutschland erfasst. Zwischen beiden Staaten gibt es politische Gemeinsamkeiten - und erhebliche Unterschiede.

Deutschland und Österreich werden von einer großen Koalition regiert. Sind die beiden Länder deshalb ähnlich anfällig für Rechtspopulisten?

Es gibt einen entscheidenden Unterschied: In Österreich ist die große Koalition ein Normalfall, in Deutschland immer noch die Ausnahme. In Wien gab es seit Kriegsende nur zwischen 1966 und 1987 sowie zwischen 2000 und 2007 keine Koalition aus ÖVP und SPÖ, also aus Konservativen und Sozialdemokraten. "Österreich hat ein anderes Parteiensystem. Das politische System ist viel stärker verkrustet", sagt der Berliner Politikwissenschaftler Prof. Richard Stöss. "Und die große Koalition ist viel unbeliebter als bei uns."

Ist die FPÖ rechter als die AfD?

"Die AfD ist eine nationalkonservative Partei mit Brücken zum Rechtsextremismus hin. Die FPÖ ist eine rechtsextreme, völkisch-nationalistische Partei mit Brücken zum Rechtskonservatismus", sagt Parteienforscher Stöss. Die FPÖ war ursprünglich eine liberale Partei, wenn auch mit einem starken nationalen Flügel. In den 70er-Jahren ging es dann unter FPÖ-Chef Jörg Haider stramm nach rechts. "Die FPÖ ist heute homogener und in sich konsolidiert", sagt Stöss. Die AfD sei dagegen noch im Geburtsstadium.

Ist die FPÖ nicht so etwas wie die Schwesterpartei der FDP?

Sie war es einmal, doch die Zeiten sind lange vorbei. Allerdings war auch die deutsche FDP in ihrer Geschichte, vor allem in den 50er und 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts, nicht frei von rechten und nationalen Strömungen. Ihr früherer Vizekanzler Jürgen Möllemann versuchte noch zu Beginn der 2000er Jahre, mit scharfer Israel-Kritik Wähler am rechten Rand zu gewinnen. Der Zentralrat der Juden warf ihm deshalb vor, er bestätige "jahrhundertealte antisemitische Klischees".

Kommt die AfD bei uns auch bald auf 30 Prozent?

Ganz klar Nein, sagt der Parteienforscher Prof. Oskar Niedermayer. Wenn die Bundesregierung und die etablierten Parteien das Flüchtlingsproblem in der Griff bekämen, verschwinde auch ein Teil der AfD-Wählerschaft wieder. Niedermayer rechnet für die AfD bei der Bundestagswahl 2017 deshalb eher mit einem einstelligen Ergebnis. Auch Stöss sagt: "Ich kann nicht sehen, dass die AfD vergleichbaren Einfluss im Parteiensystem haben könnte wie die FPÖ in Österreich."

Profitieren nicht beide Parteien gleichermaßen von der Flüchtlingskrise?

Das stimmt, aber die FPÖ hat in Österreich schon lange Zeit Werte von mehr als 20 Prozent, so bei den Nationalratswahlen 2013. Da waren die Flüchtlinge noch lange kein Thema. Allerdings hat sie bei allen Landtagswahlen seit Herbst 2015 noch einmal deutlich zugelegt, in Wien und Oberösterreich kam sie schon auf über 30 Prozent.

Wie wichtig ist überhaupt die Wahl des Bundespräsidenten?

Schon die Tatsache, dass das Staatsoberhaupt in Österreich direkt gewählt wird, gibt ihm mehr Gewicht. Dort hat der Bundespräsident auch mehr Kompetenzen. Er kann die Regierung ohne Begründung entlassen, und er ist der Oberbefehlshaber der Streitkräfte. Niemand kann also sagen, es ginge um nichts.

DPA
Thomas Lanig