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Kritik an Koalition Ampel-Kater beim Vizekanzler: Habeck meldet Frust an

Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz
Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz
© Martin Schutt / DPA
Robert Habeck hat die Faxen dicke. In einem bemerkenswerten Rundumschlag kritisiert der grüne Wirtschaftsminister die Arbeitsweise der Ampel-Koalition. Was ist da los? 

Manchmal kann ein Gefühl täuschen, auch Olaf Scholz ist davor offensichtlich nicht gefeit. "Das, was hier stattgefunden hat, ist sein sehr fühlbares Unterhaken", lautete die Bilanz des Bundeskanzlers nach der "sehr guten" Kabinettsklausur auf Schloss Meseberg. Folglich verordnete er im Beisein von "Robert und Christian" – Scholz nannte seine wichtigsten Minister vertrauensvoll beim Vornamen – nicht nur dem Land, sondern auch der streitlustigen Ampel-Koalition mehr Zusammenhalt und Zuversicht.

Nun, rund zwei Wochen später, vermitteln "Robert und Christian" eher den Eindruck, als würden sie sich aushaken.

Christian Lindner, der FDP-Finanzminister, macht seinen Kabinettskollegen angesichts der knappen Staatskasse mächtig Spardruck und fährt dabei auch dem Kanzler vor den Kosten-Karren, indem er die Notwendigkeit des millionenschweren Kanzleramts-Ausbaus öffentlich infrage stellt. Grundsätzlicher verstimmt zeigt sich schon Robert Habeck, der grüne Wirtschaftsminister, den sogar die Statik der Regierungskoalition umtreibt. Oder? 

Der Vizekanzler ist jedenfalls frustriert, so viel ist sicher. Am Dienstag holte Habeck zu einem bemerkenswerten Rundumschlag aus: 

  • "Es kann nicht sein, dass in einer Fortschrittskoalition nur ein Koalitionspartner für den Fortschritt verantwortlich ist und die anderen für die Verhinderung von Fortschritt", kritisierte er den klimapolitischen Ehrgeiz der Koalitionspartner zum Auftakt der Grünen-Klausur in Weimar.
  • "Der Koalitionsausschuss muss eine Dynamik schaffen", forderte er im Gespräch mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (FAZ) angesichts einer Vielzahl von festgefahrenen Ampel-Vorhaben. "Wir kommen da nur raus, wenn alle etwas gewinnen. Das heißt aber auch, dass alle etwas geben müssen."
  • "Wir haben einen Auftrag für die Menschen, für Deutschland, was zu leisten, und im Moment kommen wir dem nicht ausreichend genug nach", beklagte er im "Tagesthemen"-Interview. 

Ach du grüne Neune.

Habeck lässt Dampf ab, der sich in den vergangenen Tagen und Wochen offenkundig aufgestaut hat. Seine Partei ist einigermaßen bedient, mit einer FDP, die ohnehin in aller Regelmäßigkeit in Opposition zum grünen Koalitionspartner geht, aber auch mit einer Kanzler-SPD, die zu diesem und jenem Schlagabtausch auffällig wenig zu sagen hat. Keinesfalls ein neuer Umstand. Dass Habeck nun verbal in die Vollen geht, dürfte daher andere Gründe haben. 

Robert Habeck und die Heizungspläne

Insbesondere die Heizungspläne, besser gesagt die dauererregte Debatte darüber, bringen den Wirtschaftsminister in Wallung. Als der "Energie-Hammer" durch "Bild"-Zeitung publik wurde, konnte man beinahe den Eindruck gewinnen, als habe Habeck einen neuen Vorstoß in der Angelegenheit unternommen. Tatsächlich ist das geplante Einbauverbot komplett fossiler Heizungen schon länger vorgesehen, eine entsprechende Vereinbarung steht im Koalitionsvertrag. 

Dort hatten SPD, Grüne und FDP vereinbart, dass ab 2025 jede neu eingebaute Heizung zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden soll. Angesichts der Energiekrise vereinbarten die Koalitionsspitzen im vergangenen Jahr, das Vorhaben "möglichst" schon ein Jahr zuvor umzusetzen. Habecks grünes Wirtschafts- und Klara Geywitz' rotes Bauministerium arbeiten an einem entsprechenden Gesetz. 

Dennoch: Nach Bekanntwerden des ersten Referentenentwurfs, der eine heftige öffentliche Diskussion zur Folge hatte, erklärte die FDP, sie trage das Vorhaben nicht mit. Auch Sozialdemokraten wie Manuela Schwesig, Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, oder Stephan Weil, Ministerpräsident von Niedersachsen, kritisierten die Pläne – und zeigten dabei insbesondere auf Habeck und sein Haus.

Das sorgt nun beim vermeintlichen Buhmann offensichtlich für Irritation und auch Resignation. In den ARD-"Tagesthemen" zeigte sich Habeck empört, dass der Entwurf zum Heizungstausch in einem sehr frühen Stadium "an die 'Bild'-Zeitung – ich muss unterstellen bewusst – geleakt worden" sei, "um dem Vertrauen in der Regierung zu schaden". Dadurch seien Gespräche der Koalitionspartner "wahrscheinlich mit Absicht zerstört worden, des billigen taktischen Vorteils wegen". Da so etwas wohl "nicht aus Versehen" passiere, so Habeck, sei er "ein bisschen alarmiert, ob überhaupt Einigungswille da ist". 

Am kommenden Sonntag will die Koalition das Gegenteil beweisen, nicht zuletzt Habeck fordert es offensiv ein. Dann treffen sich die Ampel-Spitzen zum Koalitionsausschuss im Kanzleramt, um sich über die lange Liste der aktuellen und anhaltenden Reiz- und Streitthemen zu beugen und Kompromisse auszuloten. 

Habeck gehe zwar davon aus, dass dort der angebliche Vertrauensverlust in die Regierung gekittet werden könne. "Das Miteinander im Kabinett ist tadellos, wir können die Dinge ruhig und ganz normal bereden", sagte er und ging auch auf die Kritiker der umstrittenen Heizungspläne zu, "aber wir kriegen sie halt nicht über die politische Ziellinie gebracht, weil dann immer wieder geschaut wird, wie ist der mediale Echoraum, was macht mein nächster Parteitag, wo sind die nächsten Landtagswahlen".

Die Stimmung vor dem Spitzentreffen ist jedenfalls gereizt, der Ton wird rauer und der Ärger sitzt tief. Auch bei den Koalitionspartnern: Sowohl aus Reihen der FDP als auch SPD kam umgehend Widerspruch auf den öffentlichen Vorwurf des Vizekanzlers, wonach nur ein Koalitionspartner – womit wohl die Grünen gemeint sein sollten – für Fortschritt verantwortlich zeichne. 

Grund zur Sorge? Besteht nicht, gibt Habeck in der "FAZ" zu Protokoll. Auf die Frage, wie groß die Wahrscheinlichkeit sei, dass die Ampel bis zum Ende der Legislaturperiode durchhalte, antwortete er: "110 Prozent". Das ist dann wohl die Zuversicht, die der Kanzler beschworen hat. 

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