Meseberg Das Selbstbewusstsein des Schlossherrn: Olaf Scholz befiehlt jetzt Zuversicht

Robert Habeck, Olaf Scholz und Christian Lindner auf Schloß Meseberg
So sieht wohl Zuversicht aus: Robert Habeck, Olaf Scholz und Christian Lindner auf Schloß Meseberg
© Michael Kappeler/ / Picture Alliance
Der Kanzler sieht für Deutschland eine rosige Zukunft voraus. Den krakeeligen Zustand seiner Koalition ignoriert er in Meseberg geflissentlich. Immerhin ein Minister kommt im Gästehaus der Bundesregierung zur Besinnung

Der Kanzler sagt jetzt "Robert und Christian". Olaf Scholz hat wie immer die zwei wichtigsten Minister seiner Koalitionspartner mitgebracht zur Pressekonferenz in Meseberg. Wenn er Vizekanzler Habeck und Finanzminister Lindner jetzt auch öffentlich beim Vornamen nennt, so geschieht das vermutlich nicht ohne Grund. Der Kanzler will Vertrautheit transportieren; er will den Eindruck erwecken, dass man einander noch näher gerückt ist. Der Schmusekurs ist Programm. Die Regierung hat’s nötig.

Scholz zur Seite stehen in Meseberg zwei Minister, denen es nicht zu blöd war, sich gegenseitig aggressiv-süffisante Briefe zu schreiben, deren Adressat in Wahrheit nicht der jeweils andere Minister, sondern die Öffentlichkeit war. Dieser Briefwechsel ist zum Symbol dafür geworden, wie vor allem FDP und Grüne sich in kleingeistigen Rangeleien aufzehren.

Habeck: "Sind aufeinander angewiesen" 

Es ist Robert Habeck, der jetzt voller Demut sagt, die Abgeschirmtheit der Klausur habe geholfen zu erkennen, "wie sehr wir aufeinander angewiesen sind", welches Privileg es sei, der Regierung anzugehören, und dass man ja dem Land verpflichtet sei. Zwei Tage Abgeschiedenheit braucht diese Regierung, um sich solcher Selbstverständlichkeiten bewusst zu werden?

Der Kanzler inszeniert sich in dieser Koalition als ein Mann, der über solchen Sperenzchen steht. Zuversicht sei "geboten", sagt er nach der Kabinettsklausur in Meseberg. Zuversicht ist also kein Empfinden mehr, keine Empfehlung, sie ist jetzt eine Erwartung von ganz oben, um nicht zu sagen: ein Befehl. An seine Minister, aber auch an den Rest der Deutschen. Olaf Scholz arbeitet gerne mit Appellen an die Bürger, zuletzt hatte er sie in der Ukraine-Politik aufgefordert: "Vertrauen Sie mir."

Scholz‘ Selbstbewusstsein leidet nicht darunter, dass das Vertrauen der Bürger in ihn und seine Regierung bislang nur mäßig ausgeprägt ist. Das spornt ihn eher an. Selbst Angela Merkel hat erst nach knapp acht Jahren im Amt mit dem Satz "Sie kennen mich" gewagt, Vertrauen in eine Regierung derart zu personalisieren. Und das war im Wahlkampf. Scholz traut sich das schon nach wenig mehr als einem Jahr.

Zuversicht soll entstehen, so sagt es der Kanzler, indem man sich ehrgeizige Ziele setzt und überzeugt ist, dass man sie auch schaffen kann. An seinen Fähigkeiten der autosuggestiven Motivation besteht kein Zweifel. Seit er von allen ausgelacht wurde, als er sich das ehrgeizige Ziel setzte, Kanzler zu werden, und es am Ende tatsächlich schaffte, ist seine Zuversicht unerschütterlich. Manchmal könnte man fast neidisch werden.

Scholz zeichnet optimistische Bilder

Jetzt aber geht es nicht mehr nur um ihn, sondern ums Ganze. Das Bild, das Scholz von Deutschland verspricht, wenn man denn nur "die Herausforderungen schultert", wie er es gerne formuliert, dieses Bild ist sehr optimistisch. Arbeitslosigkeit – in einigen Jahren Vergangenheit. Die Transformation der Energieversorgung – in nur 22 Jahren vollbracht. Künstliche Intelligenz – ein Merkmal des künftigen Industriestandortes Deutschland. Der Kanzler denkt in sehr langen Linien. Seine Fernsichtbrille hat rosa Gläser. Aber gibt der Zustand der Koalition das auch kurzfristig her?

Natürlich, eine Koalition, das sind auch nur Menschen. Und es ist gut, dass diese Regierung gelegentlich den Blick über das Alltagsgeschäft hinaus erhebt. Doch das entbindet sie nicht der Pflicht, auch dieses Alltagsgeschäft mit Anstand zu meistern – in der Sache und im Umgang. Dafür sind zu viele Probleme zu gegenwärtig.

Im Neuschnee von Meseberg soll es auch eine Schneeballschlacht gegeben haben. Als der Kanzler gefragt wird, ob er sich beteiligt habe, antwortet Scholz, er habe einen Schneeball geworfen, aber nicht auf jemanden gezielt. So gehöre sich das für einen Bundeskanzler. In Meseberg mag das so sein. Im politischen Berlin wird sich diese Zurückhaltung des Regierungschefs nur schwer durchhalten lassen.

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