K-Frage der Grünen Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock – die logische, aber auch die mutige Wahl

Annalena Baerbock während ihrer Antrittsrede als Kanzlerkandidatin der Grünen
Annalena Baerbock während ihrer Antrittsrede als Kanzlerkandidatin von Bündnis 90/Die Grünen in der Berliner Parteizentrale
© Annegret Hilse / AFP
Nun ist es also raus: Annalena Baerbock ist die erste Kanzlerkandidatin von Bündnis 90/Die Grünen. Die Partei hat sich damit für die naheliegende, aber auch die mutige Lösung entschieden. Nun kommt erst die wahre Bewährungsprobe für die gefeierte Doppelspitze.

And the winner is: Annalena Baerbock. Die 40-jährige Co-Chefin soll also Bündnis 90/Die Grünen als erste Kanzlerkandidatin in der Geschichte der Partei in den Bundestagswahlkampf und möglichst auch ins Kanzleramt führen. Es hat eine gewisse Ironie, dass die ehemals als chaotisch belächelte Sponti- und Fundi-Partei diese herausragende Entscheidung völlig geräuschlos getroffen hat, während die Union zur gleichen Zeit über dieselbe Frage ins Chaos gestürzt ist. Dass die grünen Parteigremien der Entscheidung der beiden Parteichefs zustimmen werden, gilt als sicher.

Mit Annalena Baerbock haben die Grünen die für die Partei der Gleichberechtigung zwar naheliegende, aber auch die mutigere, besonders klar in die Zukunft gerichtete Entscheidung getroffen. Als vergleichsweise junge Frau, Mutter zweier schulpflichtiger Kinder, ist Baerbock ein echtes Alternativangebot zu den beiden klassischen männlichen Kandidaten der Union und der SPD. Schon vom Alter her frei von den Mechanismen der zuletzt maßgebenden, aber auch stark kritisierten Boomer-Generation kann sie für viele junge und weibliche Wähler:innen glaubwürdig und attraktiv sein. Dies aber auch für all' jene, die Zweifel daran haben, dass die bisherige Politik noch ausreichende Antworten liefern kann - sei es im Corona-Management, beim Klimawandel oder bei der Digitalisierung. Beispiele für ein anderes Verständnis lieferte die Wahl-Brandenburgerin gleich zu Beginn: Wann hätte je ein:e Kanzlerkandidat:in in ihrer Antrittsrede Schulen und Kitas sowie Zeit und Raum für menschenwürdige Pflege gleich in den ersten Sätzen zum Schwerpunkt der eigenen Arbeit erklärt? Und welche:r Kandat:in hätte je ein respektvolles Miteinander und die Bereitschaft, in der Sache auch vom politischen Gegner lernen zu wollen, zu einer der Leitlinien erklärt?

Annalena Baerbock - zu wenig Erfahrung?

Die Kritik an der Entscheidung Baerbock ist bekannt: Sie bekomme den Posten vor allem, weil sie die Frauen-Karte spiele, heißt es immer wieder. Und: Ihr fehle die Erfahrung aus einem Ministeramt oder als Regierungschefin - beispielsweise auf Landesebene. Damit wird die grüne Kanzlerkandidatin immer wieder konfrontiert werden. Doch dass sie tough genug ist, damit umzugehen, daran zweifeln im politischen Berlin nur noch wenige. Die 40-Jährige gilt vielmehr als diejenige, die sich auf dem Berliner Parkett besser bewegen könne als Robert Habeck. Der 51-Jährige, der von den Grünen als Co-Spitzenkandidat nominiert werden wird, kommt aber beim zweiten Vorwurf entscheidend ins Spiel. Denn hier hat Baerbock wieder das starke Team als Trumpf. Habeck kündigte während der Präsentation der K-Kandidatin bereits an, all' seine Erfahrung als stellvertretender Ministerpräsident und Fachminister in Schleswig-Holstein sowie bei der Bildung von Koalitionen in die Waagschale zu werfen.

Genau darin liegt auch die Bewährungsprobe für die bisher so erfolgreiche Doppelspitze, die Habeck  am Montag auch noch als prägend für jenen neuen Führungsstil pries, der die Grünen zum "ruhenden Pol in der politischen Landschaft" gemacht habe. Ließ sich bisher tatsächlich kein Blatt Papier zwischen die beiden schieben, gibt es ihn nun eben doch, diesen "kleinen" Unterschied, über den – in der aufgeregten Medienwelt erstaunlich genug – tatsächlich bis zum Zeitpunkt der Verkündung über Tage hinweg nichts nach außen drang. Die Sticheleien in diese Richtung werden zunehmen, sie werden mutmaßlich nicht immer so respektvoll sein wie es Baerbock zu ihrem Antritt eingefordert hat. Das werden beide aushalten müssen. Und Robert Habeck wird beweisen müssen, dass er tatsächlich fähig ist, zurückzutreten und die 1B-Rolle mit Selbstbewusstsein auszufüllen. Auch in dieser Hinsicht wird sich das grüne Führungsduo an Baerbocks eigenen Worten messen lassen müssen: "Was alles nicht geht, haben wir zur Genüge gehört, es zählt jetzt, was geht."

Ein großes Versprechen an das Land

Annalena Baerbock hat einen starken ersten Auftritt als Kanzlerkandidatin hingelegt. Und sie hat dem Land ein großes Versprechen gegeben. Nun müssen sie, Habeck und die Grünen sich daran machen, dieses Versprechen einzulösen. "Politik muss über sich hinauswachsen", sagte Baerbock in ihrer Antrittsrede. Das ist nun auch die Anforderung an sie selbst. Dass sie es schaffen will und kann, daran ließ die erste Kanzlerkandidatin der Grünen keinen Zweifel zu.