Antrittsbesuch Merkel sperrt Polen aus

Bundeskanzlerin Angela Merkel besucht Polen. Und es wird mehr als ein Antrittsbesuch, denn sie muss die Beschränkungen für Polen auf dem deutschen Arbeitsmarkt und die deutsch-russische Ostsee-Pipeline rechtfertigen.

Deutschland wird den Zuzug polnischer Arbeitnehmer nach Deutschland für weitere drei Jahre beschränken. Dies kündigte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) kurz vor ihrer Reise nach Polen am Freitag an. In einem Interview des polnischen Magazins "Fakt" sagte sie, die Lage auf dem deutschen Arbeitsmarkt sei immer noch sehr angespannt. "Deutschland wird daher auch in den kommenden drei Jahren den Zugang zu unserem Arbeitsmarkt beschränken müssen." Danach werde die Regelung überprüft. Beim Beitritt der zehn neuen Mitgliedstaaten zur Europäischen Union (EU) 2004 wurden gestaffelte Übergangsfristen von bis zu sieben Jahren vereinbart. Die erste Frist von zwei Jahren endet im Mai 2006, so dass die Frage der Verlängerung anstand. Nach der folgenden Drei-Jahres-Frist wäre eine neue Beschränkung um weitere zwei Jahre möglich.

Mit den Übergangsfristen wollen einige alte EU-Staaten ihren Arbeitsmarkt vor billigeren Arbeitskräften aus den neuen Staaten schützen. Der Effekt dieser Regelungen ist aber umstritten. Einige EU-Staaten wie Schweden, Irland und Großbritannien haben ihre Arbeitsmärkte vom Beitritt der neuen Staaten an geöffnet.

Kanzlerin will deutsch-polnische Beziehungen stärken

Merkel war mit ihren Aussagen zu anderen Themen der deutsch-polnischen Beziehungen erkennbar um eine positive Atmosphäre für ihren ersten Besuch in Warschau bemüht, zu dem sie am Nachmittag aufbrechen wollte. Dabei dürfte es vor allem um die polnische Rolle in der EU, die umstrittene Pipeline durch die Ostsee, die Beziehungen zu Russland und das geplante Zentrum gegen Vertreibungen in Berlin gehen. Merkel kommt am Nachmittag in Warschau mit dem designierten polnischen Staatspräsidenten Lech Kaczynski zusammen und trifft sich anschließend mit Ministerpräsident Kazimierz Marcinkiewicz.

Die Kanzlerin unterstrich die Bedeutung der Beziehungen beider Länder. "Die deutsch-polnische Aussöhnung gehört zu den kostbarsten Errungenschaften unserer gemeinsamen Geschichte nach dem Krieg." Sie wolle die Beziehungen weiter stärken. "Ich denke etwa an eine noch engere Abstimmung bei Fragen, die die Weiterentwicklung der EU oder die transatlantischen Beziehungen betreffen, an mehr Zusammenarbeit bei Zukunftsthemen." Sie wolle auch die Dreiecks-Beziehungen zwischen Deutschland, Polen und Frankreich stärken. Mit Blick auf verbreitete Kritik in Polen bekräftigte sie, die engen Beziehungen Deutschlands zu Russland würden nie zu Lasten Polens gehen.

Merkel verteidigt umstrittene Ostsee-Pipeline

Vor diesem Hintergrund verteidigte sie auch die geplante deutsch-russische Gas-Pipeline durch die Ostsee, die Polen als Beleg für die Zusammenarbeit beider Länder an Polen vorbei kritisiert hatte. "Es geht bei diesem Projekt ... nicht nur um deutsche und russische Interessen; auch andere Länder in Europa - insbesondere auch Polen - sollen von der Ostsee-Pipeline profitieren." Diese sei wichtig, um die Energieversorgung in Deutschland auf eine breitere Basis zu stellen. Merkel hat mehrfach angekündigt, trotz enger Beziehungen Deutschlands zu Russland, Frankreich und anderen größeren Staaten müssten die kleineren und mittleren EU-Beitrittsstaaten in Osteuropa mehr Gehör finden als bisher.

Mit Blick auf das umstrittene Zentrum gegen Vertreibungen bekräftigte die Kanzlerin die Vereinbarungen aus dem Koalitionsvertrag, wonach in Berlin ein Zeichen zur Erinnerung an die Vertreibung gesetzt und Vertreibungen geächtet werden sollen. Sie betonte erneut, dies solle in einer europäischen Perspektive und im Dialog mit Nachbarn wie Polen geschehen. In Polen wird von dem geplanten Zentrum, das vor allem der Bund der Vertriebenen fordert, eine Relativierung der NS-Verbrechen gefürchtet.

Reuters
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