So einfach wie von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) gehofft, dürfte der Atomausstieg nicht werden. Es gibt zwei große Haken. Die diesmal nicht eingebundenen Atomkonzerne bereiten - unterstützt von namhaften Kanzleien - Klagen vor. Erstmal geht es nur gegen die Atomsteuer, die im Jahr rund 150 Millionen Euro pro Kernkraftwerk kostet. Nach Eon könnte als nächstes RWE eine solche Klage ankündigen. Aber es könnten auch Entschädigungsforderungen wegen der Abschaltung von gleich acht Meilern im Kanzleramt eingehen.
Hinzu kommt ein Streit, ob Union und FDP sehenden Auges energiepolitisches Harakiri betreiben, wie es die Grünen monieren. Denn die neun verbleibenden AKW werden wohl allesamt erst 2021/2022 stillgelegt - was erhebliche Belastungen für das Netz mit sich bringt. Gingen die Meiler im Abstand mehrerer Jahre vom Netz, könnte der Ausfall sowohl im Netz als auch durch andere Kraftwerke besser kompensiert werden. Experten fürchten die Gefahr von Blackouts.
In den Zentralen von Eon, RWE, EnBW, Vattenfall hat man nun den Entwurf für das Atomgesetz studiert, das bereits Montag vom Kabinett verabschiedet werden soll. Das Urteil ist verheerend. "Wo sind wir eigentlich", wird in Konzernkreisen gefragt. Unabhängig wie man zur Kernenergie stehe, müsse sich auch die Regierung an rechtsstaatliche Regeln halten. "Das sind von Umfragen geleitete Willküraktionen", heißt es. Damit wird unter anderem darauf abgezielt, dass ohne klare Begründung die Betriebserlaubnis für acht Meiler entzogen werde.
Ein Kritikpunkt ist zudem die Fortführung der Atomsteuer. Der Sprecher von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) verweist darauf, dass mit den Einnahmen auch die Sanierung des Atomlagers Asse bezahlt werden soll. Hier müssen nach Versäumnissen der Atomindustrie 126 000 Fässer mit radioaktivem Müll geborgen werden. FDP-Generalsekretär Christian Lindner verteidigt in der "Märkischen Allgemeinen" die Abgabe: "Die Betreiber der Kernkraftwerke müssen berücksichtigen, dass der Staat für ihre Anlagen mithaftet. Am Markt könnten sie ein Atomkraftwerk niemals versichern."
Zweiter Kritikpunkt der Konzerne ist das nach Fukushima verhängte Moratorium, welches das Aus für die sieben ältesten Meiler und des AKW Krümmel einleitete. Es läuft am 15. Juni aus. Merkel vertraut darauf, dass die Konzerne die Meiler nicht mehr anfahren, denn erst das Inkrafttreten des neuen Atomgesetzes besiegelt das Aus.
Im Entwurf für das Atomgesetz ist das Datum noch einzusetzen, im schlimmsten Fall könnte das erst im Herbst passieren, da Abgeordnete von Union und FDP sich gegen ein Durchpeitschen der Atomgesetze durch den Bundestag wie im Herbst 2010 wehren. Schon allein mit Blick auf die Aktionäre könnten die Konzerne ein Wiederanfahren prüfen. "Wir befinden uns im rechtsfreien Raum", heißt es mit Blick auf die acht AKW. Sie könnten schließlich noch einige Monate Strom produzieren, pro Tag ließe sich mehr als eine halbe Million pro AKW verdienen. Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) hätte kaum eine Handhabe, das zu verhindern. Aber das Image der Konzerne würde so sicher nicht besser.
Merkel muss von dieser Seite also noch viel Ungemach fürchten. Selbst Eon-Chef Johannes Teyssen, der es während des Moratoriums mit Kooperation versuchte, ist nun auf Konfrontationskurs umgeschwenkt.
Hinzu kommt, dass gerade mit den Grünen ein Atomkonsens in weite Ferne rückt. Ausgangspunkt ist der Plan der Regierung, weitgehend auf die Ausstiegskonstruktion von Rot-Grün zurückzugreifen. Im 2001 beschlossenen Konsens mit den AKW-Betreibern waren für jeden Meiler Reststrommengen festgelegt worden, die sie noch produzieren dürfen.

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Daran knüpft Schwarz-Gelb weitgehend an, streicht aber nicht wie von den Grünen gefordert die Reststrommengenübertragung von stillgelegten auf neue Meiler. Schenkt Schwarz-Gelb den Konzernen somit eine weit längere Laufzeit als Rot-Grün? "Das ist Unsinn", lässt Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) ausrichten. Das Öko-Institut empfiehlt der Regierung, die Strommengen so zu kappen, dass die Meiler wie von Rot-Grün geplant peu à peu vom Netz gehen.
Röttgen sagt bisher nicht, ob und wie die neun noch laufenden AKW nachgerüstet werden müssen. Denn dann würde sich deren Laufzeit weiter verkürzen. Egal, ob einzelne Meiler noch Reststrommengen haben, soll spätestens 2022 Schluss sein. Klagen sind dagegen schon programmiert. Wird den Konzernen doch dann streng genommen eine zuvor gesetzlich zugesicherte Betriebserlaubnis entzogen.