Im CSU-internen Machtkampf um die Nachfolge des bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber ist die Entscheidung vertagt worden. Erst am 15. November - und damit nach Abschluss der Koalitionsverhandlungen im Bund - solle über den neuen Mann an der Spitze des Freistaats entschieden werden, teilte der Vorsitzende der CSU-Landtagsfraktion, Joachim Herrmann, nach einer Sondersitzung des Gremiums am Mittwoch in München mit.
Es kommt höchstwahrscheinlich zu einer Kampfabstimmung zwischen Innenminister Günther Beckstein und Staatskanzleichef Erwin Huber (beide CSU). Der Sieger aus der parteiinternen Abstimmung könnte dann in der Woche nach dem 15. November von einem Sonderplenum des Landtags gewählt werden.
Mit diesem Zeitplan folgt die CSU-Landtagsfraktion dem dringenden Wunsch von Stoiber, den neuen Ministerpräsidenten erst nach Ende der Koalitionsverhandlungen in Berlin zu bestimmen. Sowohl Beckstein als auch Huber haben erklärt, dass sie an ihrer Kandidatur für die Stoiber-Nachfolge festhalten. Die Neuwahl wird notwendig, weil Stoiber als Wirtschaftsminister in die große Koalition wechseln will.
Der Nürnberger CSU-Landtagsabgeordnete Hermann Imhof hatte Stoiber aufgefordert, schon jetzt als Regierungschef zurückzutreten: "Stoiber muss den Weg freimachen für seinen Nachfolger", sagte Imhof in einem Interview der "Nürnberger Nachrichten." Verantwortliche Führung heißt jetzt, eine Entscheidung muss sofort herbeigeführt werden", betonte der Abgeordnete. Ansonsten drohe der CSU-Fraktion eine Zerreißprobe, wenn sich die Nachfolgedebatte weiter verselbstständige.
Das Risiko, dass Stoiber bei einem Scheitern der Koalitionsverhandlungen ohne jedes Amt da stehen könnte, müsse dabei eingegangen werden, fügte der CSU-Politiker hinzu. "Dann muss der Maßstab für ihn gelten, dass notfalls die eigene Person und die eigene Karriere zum Wohl des Ganzen zurückstehen muss", sagte Imhof. "Im Extremfall bedeutet dies, dass er selbst mit leeren Händen da steht, in Berlin wie München."
Der Nürnberger Abgeordnete sprach sich zugleich für den aus Franken stammenden Innenminister Günther Beckstein als Nachfolger Stoibers Amt des Ministerpräsidenten aus. "Wir brauchen einfach einen neuen Politikstil", sagte Imhof. "Vorrangig ist die Frage, welcher der beiden Kandidaten das größere Vertrauen und die höhere Akzeptanz in der Bevölkerung genießt, und mit wem die CSU 2008 die Wahl klar gewinnt."
Zwei der engsten Mitarbeiter bewerben sich um Stoiber-Nachfolge
Im Rennen um das Erbe Stoibers gilt Beckstein als Favorit. Der 61-jährige Franke ist Bayerns beliebtester Politiker. Er liegt in der Wählergunst noch vor Stoiber. Auch in der Partei hat er starken Rückhalt. Beim CSU-Parteitag schnitt er besser ab als der "Chef". Dabei gilt Beckstein mit seinem strikten Kurs in der Sicherheits- und Ausländerpolitik als echter Hardliner. Durch seine Gradlinigkeit hat sich der "schwarze Sheriff" jedoch auch über die Parteigrenzen hinweg persönlichen Respekt verschafft.
Bislang hat sich der Franke allerdings nur als Fachpolitiker profiliert. Im Amt des Ministerpräsidenten müsste er eine sehr viel breitere Themenpalette repräsentieren - eine Aufgabe, die Stoiber vor zwölf Jahren unerwartet schnell gelungen ist.

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Beckstein, promovierter Jurist, liebt die klare Sprache. Er fordert ein Nein zum EU-Beitritt der Türkei, Kruzifix statt Kopftuch und "gewaltbereite Islamisten raus". Sein wohl schwierigstes Projekt war der Zuwanderungskompromiss, den er 2004 gemeinsam mit Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) und dem saarländischen Ministerpräsidenten Peter Müller (CDU) nach jahrelangem Parteienstreit auf den Weg brachte. Auch das vor dem Bundesverfassungsgericht gescheiterte Verbotsverfahren gegen die NPD trug mit Becksteins Handschrift.
"Ich bin lieber ein Hardliner für Recht und Ordnung, als ein Weichei für Unrecht und Unordnung", sagt der Minister gern. Gleichwohl ist der in einfachen Verhältnissen in Nürnberg aufgewachsene Franke im privaten Gespräch nachdenklich, charmant und hintersinnig. Wichtigste Instanz ist für ihn seine Frau - eine einst linke Kirchenvertreterin, mit der er seit 32 Jahren verheiratet ist und drei Kinder hat.
Erwin Huber - rastlos wie sein Chef
Staatskanzleichef Erwin Huber ist Ministerpräsident Edmund Stoibers treuester Weggefährte. Obwohl sein Herz eigentlich der Finanzpolitik gehört, rackert sich Huber seit sieben Jahren auf dem undankbaren zweiten Posten hinter Stoiber ab. Einst Liebling der CSU, wurde Huber in den vergangenen zwei Jahren als Cheforganisator der ungeliebten Verwaltungsreform zum Blitzableiter für den Zorn von Landtagsabgeordneten und Kommunalpolitikern.
Dass Huber gerne Stoiber auf dem Ministerpräsidentensessel beerben würde, hat er schon früh zu erkennen gegeben. Sonst bleibt der 59 Jahre alte Niederbayer oft im Hintergrund: Ein Hauptarchitekt des Unions-Wahlprogramms, mied er in den vergangenen Monaten die Nähe zu Kameras und Mikrofonen. Als Stoibers Verbindungsmann nach Berlin ist er einer der wichtigsten Männer im komplizierten unionsinternen Machtgefüge. Er hat das uneingeschränkte Vertrauen Stoibers: "Ich bin die authentische Auslegung des Ministerpräsidenten", scherzte Huber einmal.
In den harten Nachkriegsjahren vaterlos aufgewachsen, hat der Sohn einer Landarbeiterin eines mit Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) gemein: Er hat sich von ganz unten hochgearbeitet. Seit 1978 im Landtag, wurde Huber 1998 CSU-Generalsekretär und 1995 Finanzminister.