"Urteil stärkt die Demokratie" Erleichterte Linke, zufriedene Ampel: Reaktionen zur Teilwiederholung der Bundestagswahl

Bundesverfassungsgericht: Bundestagswahl in Berlin muss in größerem Umfang wiederholt werden
© Uwe Anspach / DPA
Sehen Sie im Video: Urteil des Bundesverfassungsgerichts – Bundestagswahl in Berlin muss in größerem Umfang wiederholt werden.
 
 
 
 
Die Bundestagswahl 2021 muss wegen zahlreicher Fehler in mehr Berliner Wahlbezirken wiederholt werden als geplant. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe entschied am Dienstag, dass in 455 Wahlbezirken neu abgestimmt werden muss. Der Bundestag hatte Ende 2022 eine Wiederholung in 431 Bezirken beschlossen. Die Union verlangte aber eine wesentlich umfangreichere Nachwahl und legte Beschwerde in Karlsruhe ein. Diese hatte nun teilweise Erfolg. Bei der Stimmabgabe im September 2021 war es in Berlin zu zahlreichen Pannen gekommen. In Wahllokalen gab es zu wenige Wahlurnen oder es fehlten Stimmzettel. Einige Wahllokale blieben noch nach 18 Uhr geöffnet. Mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts könnte sich das Ergebnis der Bundestagswahl verändern. Die über 2.200 Wahlbezirke in Berlin sind Teile der zwölf Wahlkreise der Hauptstadt. Erst wenn in den betroffenen Bezirken erneut gewählt wurde, steht fest, ob sich das Ergebnis in den jeweiligen Wahlkreisen verändert und damit die Bundestagsmandate betrifft. Die Mehrheit der regierenden Ampelkoalition gilt als nicht gefährdet. Anders sieht es für die Linke aus. Sie war an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert und konnte nur durch drei Direktmandate in den Bundestag einziehen, davon kamen zwei aus Berlin. Würde die Partei bei der Nachwahl auch nur ein Direktmandat verlieren, wäre sie nicht mehr im Bundestag vertreten.
Karlsruhe hat entschieden: Die verkorkste Bundestagswahl 2021 muss in Berlin teilweise wiederholt werden. Die Linke freut sich, und auch die Ampel-Fraktionen zeigen sich zufrieden. Die Reaktionen im Überblick.

Die Bundestagswahl von 2021 muss wegen zahlreicher Pannen in 455 von 2256 Wahlbezirken des Landes Berlin wiederholt werden. Das hat das Bundesverfassungsgericht am Dienstag entschieden. Die Karlsruher Richterinnen und Richter gingen damit leicht über den Beschluss des Bundestages hinaus, der bereits im November 2022 für eine teilweise Wiederholung gestimmt hatte.

Die Wahlwiederholung wird nun am 11. Februar stattfinden, wie Landeswahlleiter Stephan Bröchler in Karlsruhe ankündigte. Es seien schon viele Planungen in Angriff genommen worden, die nun umgesetzt werden könnten.

Der Unionsfraktion ging der Bundestagsbeschluss damals nicht weit genug. Sie wandte sich an das Verfassungsgericht, um zu erreichen, dass die Zweitstimmen für die Parteilisten in der Hälfte der Berliner Wahlkreise neu abgegeben werden. Eine solche deutliche Ausweitung lehnte das Bundesverfassungsgericht aber ab, ebenso eine Wiederholung in ganz Berlin.

Die ersten Reaktionen aus der Hauptstadt ließen nicht lange auf sich warten.

Linke begrüßt Karlsruher Urteil: "Wir bleiben im Bundestag"

Die Linke zeigte sich erleichtert. "Mit dem Urteil ist klar, dass wir im Bundestag bleiben und unsere Aufgabe als soziale Opposition weiter wahrnehmen werden", sagte der frühere Fraktionschef Dietmar Bartsch der Deutschen Presse-Agentur. Diese Teilwiederholung könne den Ausgang in den beiden Wahlkreisen nicht verändern, in denen die Linke Direktmandate gewonnen habe, so Bartsch. Die Folge: Die direkt gewählten Abgeordneten Gesine Lötzsch und Gregor Gysi sowie der Leipziger Abgeordnete Sören Pellmann bleiben im Bundestag. Das wiederum sichert die Mandate aller 39 Abgeordneten, die heute noch zur Linken gehören, sowie derer, die inzwischen ausgetreten sind, darunter die Gruppe um Sahra Wagenknecht.

Wäre die Wahl ganz wiederholt worden, hätte sich ein anderes Szenario abgezeichnet: Dann hätte eines der Direktmandate verloren gehen können und mit ihm sämtliche Sitze der Linken und der Gruppe Wagenknecht, die 2021 über Listen vergeben wurden. Das bleibt der Partei nun erspart. "Damit ist eine kleine, aber wichtige Hürde genommen", sagte Bartsch. Der nächste Schritt sei nun die Anerkennung der 28 verbliebenen Linken-Abgeordneten als eigene Gruppe.

SPD sieht eigene Rechtsauffassung bestätigt

Insgesamt herrschte unter den Politikerinnen und Politikern Einigkeit darüber, dass sich die Zusammensetzung des Bundestages wohl auch nach der Teilwiederholung nicht entscheidend verändert. Diese "dürfte gar keine Auswirkungen auf die Mehrheit haben", sagte der SPD-Abgeordnete Johannes Fechner in Karlsruhe.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Auch SPD-Chefin Saskia Esken begrüßte das Urteil. "Die Kläger haben ja versucht, diesen Beschluss in Gänze vom Tisch zu wischen. Das ist so nicht entschieden worden vom Bundesverfassungsgericht, insofern eine Bestätigung auch unserer Rechtsauffassung", sagte Esken in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur. Es sei vor allem wichtig, dass diese Wahl das Vertrauen in die demokratischen Strukturen wieder stärke.

"Dieses Urteil stärkt die Demokratie und macht noch einmal überdeutlich, dass Wahlfehler keine lässliche Sünde sind, sondern im Zweifel Konsequenzen haben müssen", sagte FDP-Bundesvize Wolfgang Kubicki der "Rheinischen Post".

Die Berliner Landesvorsitzenden der Grünen, Nina Stahr und Philmon Ghirmai, erklärten: "Die Aufarbeitung muss weitergehen, strukturelle Verbesserungen bei der Vorbereitung und Durchführung von Wahlen müssen konsequent vorangebracht werden."

Für die Berliner AfD begrüßte Landeschefin Kristin Brinker das Urteil. "In einer funktionierenden Demokratie müssen Wahlergebnisse frei von jedem Zweifel über ihr Zustandekommen sein", erklärte sie.

Berlins Bürgermeister erwartet reibungslose Wiederholungswahl

Berlins regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) hat sich zuversichtlich gezeigt, dass die anstehende teilweise Wiederholung der Bundestagswahl in der Hauptstadt gut verlaufen wird. Er habe "volles Vertrauen" in den Landeswahlleiter Stephan Bröchler, "dass die Wahlen reibungslos ablaufen werden", erklärte Wegner nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Der Senat habe "mit ihm gemeinsam alle notwendigen Voraussetzungen geschaffen, damit Wahlen in Berlin wieder funktionieren".

DPA · AFP
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