Zu gerne wüsste man, wie der FDP-Vorsitzende Philipp Rösler die jüngste Denksportaufgabe seiner Kanzlerin löst. Da erklärt Regierungssprecher Steffen Seibert hochamtlich, dass die schwarz-gelbe Regierung "geordnet und planvoll" arbeite. Das sei "fast jeden Tag" zu spüren. Es gebe keinerlei Rede- oder Denkverbote. Kürzlich habe die Kanzlerin Angela Merkel auch mit voller Brust mitgesungen, als das Lied "Die Gedanken sind frei" intoniert wurde. Leider sei Rösler nicht anwesend gewesen, aber der glaube "mit Sicherheit" an den Liedtext. Dumm nur, dass Rösler den freien Gedanken ausgesprochen hat, dass die Griechenland-Krise am besten auf dem Weg einer "geordneten Insolvenz" zu lösen sei. Daraufhin hat ihm die Kanzlerin indirekt Redeverbot erteilt. Aber wie lässt sich das mit den Zeilen des uralten Liedes überein bekommen? Da heißt es: "Die Gedanken sind frei... Kein Mensch kann sie wissen/ kein Jäger erschießen/ mit Pulver und Blei/ Es bleibet dabei/ Die Gedanken sind frei."
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Rösler hat das Redeverbot im Übrigen nicht eingehalten. Und lieferte eine fabelhafte Rechtfertigung seiner aufmüpfigen Gedanken: "Du darfst alles sagen, was du denkst...wenn du richtig denkst." Der Koalitionskrach wird also weitergehen.
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Rückendeckung für seine Gedanken hat Rösler in der FDP. Jan Mücke, Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium und Mitglied im FDP-Bundesvorstand, erklärte dem Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff, der eine schwarz-rote Koalition führt, kess: Wenn der wolle, könne er "seine Maulkörbe gerne an die SPD verteilen". Die FDP jedoch lasse sich auf keinen Fall "den Mund verbieten".
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Wer die neue Offenheit derzeit schon in aller Konsequenz praktiziert, ist die Hamburger FDP-Bundestagsabgeordnete Sylvia Canel. Erst sagte sie, ein Ende der schwarz-gelben Koalition fände sie "sympathisch". Dann stänkerte sie darüber, dass die Kanzlerin Merkel überschuldeten EU-Staaten wie Griechenland Milliarden in "verantwortungsloser Weise" zuschieben wolle. Und jetzt teilte sie auch schon mal mit, wen sie lieber im Kanzleramt sähe als Angela Merkel. Im Internet kommentierte sie einen Bericht, wonach Friedrich Merz einer Rückkehr in die Politik nicht abgeneigt sei, was in der Tat zutrifft, mit den Worten: "Endlich! Merz statt Merkel!" An die Spitze müsse endlich mal wieder jemand, "der wirtschaftsliberal denkt".
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Das Wichtigste aus der Bundespolitik auf einen Blick
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Sage keiner, Bundestagsdebatten müssten immer bierernst sein. Da ruft Außenminister Guido Westerwelle Gesine Lötzsch (Linkspartei) zu: "Wer an Fidel Castro Liebesbriefe schreibt, soll uns in der Außenpolitik... nichts erzählen." Von hinten ertönt der entzückte Zwischenruf im Bundestag "Austausch von Liebesbriefen." Lötzsch sagt: "Das wird jetzt sicher nicht geschehen." Der bekanntlich Männern eher zugetane Außenminister antwortet: "Darauf lege ich auch Wert, aus verschiedenen Gründen." Lötzsch gibt zurück: Herr Kollege, "nicht nervös werden!" Westerwelle stichelt, nicht nur aus politischen Gründen, zurück: "Ich möchte Ihnen versichern, Frau Kollegin, dass ich in Ihrer Anwesenheit noch nie nervös war." Die FDP lachte daraufhin so fröhlich, wie man es seit langem nicht mehr gehört hat. Noch lauter lachte die CDU/CSU, als der SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier sagte: "Je länger ich Sie alle und die Regierung werkeln sehe, desto mehr wird mir klar, dass nur noch eines schlimmer ist als Ihr Handeln." Und Steinmeiers Amtskollege Volker Kauder dazwischen brüllte: "Wenn Sie drankämen!"
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Dem grünen Fraktionschef Jürgen Trittin danken wir eine interessante Parteien-Analyse: Seiner Meinung nach leidet die CDU an einem "gefährlichen Volksparteibazillus". Gefährlich sei er für das inhaltliche Profil, denn "niemand weiß mehr, wofür die CDU in Wirklichkeit steht". Die CDU unter Kohl, das sei noch Atom, Bundeswehr und Gymnasium gewesen. Und heute? Gute Diagnose!