Was war die hochpolitischste Operation der vergangenen Tage? Unstrittig Art und Weise, wie sich Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg bei der Opel-Rettung positioniert hat. Denn der CSU-Mann hat zwar - oberflächlich betrachtet - der heiklen Operation am Ende zugestimmt. Aber gleichzeitig allen, auch seiner Kanzlerin klar gemacht, dass er für falsch hält, was Angela Merkel, die SPD-Bundesminister Frank-Walter Steinmeier und Peer Steinbrück befürwortet sowie die Ministerpräsidenten aus den vier Opel-Standorten beschlossen haben. "Nicht tragfähig" befand er. Sehr süßsauer klang es, als Merkel ihm bescheinigte, es sei schließlich seine Aufgabe, "die Finger in die Wunde zu legen." In Wahrheit, so ist aus dem Kanzleramt zu hören, sei die Regierungschefin "stinksauer" über ihren jüngsten Minister.
Eigentlich hat der einen Drahtseilakt ohne Netz und ohne Seil hingelegt. Und wie man Merkel von Seiten der CSU-Spitze klar signalisiert hat, auch mit voller Rückendeckung von CSU-Chef Horst Seehofer und CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt. In der CSU wird Guttenberg inzwischen "als der schönste Griff Seehofers" gefeiert. Er passe geradezu stromlinienförmig in den CSU-Wahlkampf, mit dem die Seehofer und Co. Eigenständigkeit beweisen wollten. Fast noch wichtiger, so die bayerischen Analytiker: "Jetzt ist die Kronprinzen-Konkurrenz erledigt." Zu Guttenberg überstrahle beim Blick auf eine Seehofer-Nachfolge heute schon alle, auch Markus Söder. Aber auch in der CDU wird er sehr geschätzt, vor allem von den Wirtschaftspolitkern. Sie blicken ebenso wie Guttenberg skeptisch auf die Opel-Rettung. Jetzt sei endlich die größte personelle Lücke in der Gesamtunion geschlossen - nämlich die des Nachfolgers von Friedrich Merz, der bekanntlich im September aus der Politik aussteigt, zumindest vorerst. Und noch an einer wichtigen Front hat zu Guttenberg gewonnen: Er präsentierte sich während der entscheidenden Stunden in Sachen Opel-Rettung im Hintergrundgespräch Berliner Journalisten, machte dort glasklar, dass er nichts hält vom beschlossenen Rettungsplan. Hinterher war von vielen Pressemenschen zu hören: "Der hat sich und seine Position einfach Klasse dargestellt."
Hohes Lob aus der CSU gab es beim Kampf um Opel auch für Dobrindt. Dem sei es gelungen, Finanzminister Steinbrück und Kanzlerkandidat Steinmeier aufs "richtige Maß" zu bringen. Denn Dobrindt hatte gegenüber stern.de gesagt: "Aus den beiden Stones der SPD sind inzwischen zwei Randsteine geworden." So wie sich die SPD darüber erregt hat, scheint Dobrindt in der Tat eine polemische Punktlandung gelungen zu sein.
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Eine ebenso hochpolitische Veranstaltung hat CDU/CSU-Fraktionschef Volker Kauder in Berlin geboten bei der Vorstellung des Buchs "Die letzte Volkspartei. Angela Merkel und die Modernisierung der CDU", geschrieben von der Journalistin Miriam Lau. Ihre These: Die CDU sei dabei, sich neu zu erfinden. Offen sei jedoch, ob die CDU die programmatische Kraft besitze, ihre Neuerfindung politisch erfolgreich umzusetzen. Das sieht auch der bei der Buch-Präsentation anwesende CDU/CSU-Fraktionschef offensichtlich ebenso. Als es die DDR noch gegeben habe, so Kauder, sei es ganz einfach gewesen, die CDU politisch zu positionieren. "Man hat am Brandenburger Tor über die Mauer geglotzt und so die politischen Probleme besichtigt." In Zeiten der globalen Krise sei das nicht mehr so einfach. Heute sehe man erst mal nichts, wenn man "bloß unter den Linden runterguckt." Und dann holte Kauder zum Kanthacken gegen Teile seiner Partei aus. Mit Blick auf Baden-Württemberg, wo sein Parteifreund, der dortige CDU-Fraktionsvorsitzende Stefan Mappus ständig den Ausverkauf der wertkonservativen CDU-Positionen beklagt, sagte er: "Die Baden-Württemberger, die das tun, sollten vielleicht erst einmal selbst konservativ leben!" Zuruf aus dem Publikum: "Etwa wie Günther Oettinger?" Kauder nickte nicht, er lachte breit. Auch das war eine klare Antwort.
Kauder, dergestalt erst einmal richtig in Fahrt gebracht, wagte dann noch eine Prognose für die Bundestagswahl: "Wir kommen so lange nicht auf 40 Prozent, so lange wir in den ostdeutschen Ländern nicht auf 30 Prozent kommen." War das die Forderung nach mehr Herz-Jesu-Sozialismus?
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Eine ganz neue Form der politischen Standortbestimmung hat der CDU-Abgeordnete Gunther Krichbaum, Vorsitzender des Europaausschusses des Bundestags, erfunden: die Speisekarten für die Berliner Buffets, zu denen er geladen wird. Beim Fest der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA), der Spitzenorganisation der rund 55 000 deutschen Apotheker fiel ihm auf, mit welchen Kalorienbomben die Gäste bedacht wurden: Schweinskopfsülze mit Remouladen-Soße, Bratwurstschnecke auf Kraut, Dicke Bohnen mit Speck, Rheinische Schlachtplatte, gebratene Blut-Leberwurst und Zwiebeln. "Ich hatte den Verdacht, die Apotheker wollten mal ihre Abführmittelvorräte verringern." Beim Berliner Buffet des Deutschen Gewerkschaftsbunds kam er zu einer ebenso überraschenden Erkenntnis. "Der DGB macht jetzt auf Schickimicki." Denn es wurden serviert: Kartoffelpuffer mit geräuchertem Stör auf Sauerrahm mit Kaviar, Lachstatar an Spargelsalat, Havelzander auf Schmorgurken. Und getrunken wurde ein Spätburgunder aus dem Weingut Schwarzer Adler des Gourmet-Kochs Franz Keller. Für eine Gewerkschaft in der Tat ganz schön ausgekocht.