Noch immer geistert der Gedanke durch die politische Szene, bei der Klausurtagung der Linken-Fraktion am 11. Januar in Berlin könnte die derzeit spannendste Frage beantwortet werden: Kandidiert Oskar Lafontaine beim Rostocker Parteitag erneut fürs Amt des Parteichefs?
Eine Antwort darauf dürften die Bundestagsabgeordneten der Linkspartei kaum erhalten. Denn Lafontaine denkt bisher nicht daran, dort sein politisches Comeback nach der Krebsoperation vom 19. November zu geben. Mit Kopfschütteln soll er darauf reagiert haben, dass Linkspartei-Fraktionschef Gregor Gysi bereits die Kunde verbreitet, Lafontaine werde als Parteichef bis 2013 weitermachen. Eine Vorentscheidung in dieser Frage fällt dem Vernehmen nach diese Woche, in der es zu einem Treffen von Gysi und Lafontaine kommt. Im Zentrum des Gesprächs dürfte die Frage stehen, ob Lafontaine bereit ist, weiterhin mit Linkspartei-Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch zu kooperieren. Ein Vertrauter Lafontaines sagt: "Zwischen den beiden gibt es keine Vertrauensbasis mehr." Hinzu kommt, dass Bartsch sich im Berliner Polit-Café "Einstein" unlängst mit SPD-Chef Sigmar Gabriel zum Gespräch getroffen hat. Natürlich wurde der Treff sofort der Führung der Linkspartei gemeldet. Und sowohl Gysi wie Lafontaine seien sich vollständig einig darin, dass Bartsch für Treffen auf dieser Ebene überhaupt nicht zuständig sei. Denn mit Blick auf die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am 9. Mai könnten solche Gespräche über eine Annäherung von SPD und Linkspartei nicht ohne Gysi und Lafontaine geführt werden.
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Ministerpräsident Horst Seehofer gab in der Debatte über die Frage, ob die CSU in der schwarz-gelben Koalition einen Vizekanzler neben FDP-Chef Guido Westerwelle beanspruchen sollte, mal wieder den bärenstarken CSU-Parteichef. Nach einem Blitztelefonat ließ er zunächst CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt auf die CSU-Bundestagsabgeordneten Norbert Geis und Hans-Peter Uhl los, die den Posten für die CSU gefordert hatten. Das sei doch leeres Geschwätz, musste Dobrindt erklären. Dann durfte (musste?) CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich im Auftrag Seehofers losholzen. Die CSU brauche keinen Vizekanzler, belferte Friedrich gegen den Vorschlag. Und schließlich griff Seehofer selbst zum groben Wort und nannte es eine "Geisterdebatte", wenn jetzt die Berufung von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg zum Vizekanzler gefordert werde.
Der Hintergrund dieser heftigen verbalen CSU-internen Rangelei ist klar. Seehofer schäumte wütend, wie seine Umgebung berichtet. Denn Uhl hatte gesagt, zu Guttenberg würde im Amt eines Vizekanzlers "eine gute Figur machen" und außerdem mit diesem Amt den "bundespolitischen Anspruch" der CSU unterstreichen. Will im Klartext heißen: Seehofer macht in der Bundespolitik keine gute Figur - was sich kaum bestreiten lässt. Hinzu kommt, dass er auch CSU-intern angeschlagen ist. Und auf den bevorstehenden Diskussionen der CSU im Wildbad Kreuth wird die Seehofer-Schwäche mit Sicherheit ein Thema sein.
Mit Grinsen erzählen sich die CSU-Bundestagsabgeordneten folgende Seehofer-zu Guttenberg-Szene. Da trat der CSU-Vorsitzende vor die Tür der CDU/CSU-Bundestagsfraktion im Reichstag und erklärte: "Der Parteichef bin ich!" Dann blickte er neben sich, sah zu Guttenberg und staunte: "Ja, wo kommst du denn plötzlich her?" Des Freiherrn lockere Antwort war: "Ich stehe die ganze Zeit neben dir." Das allein sei Seehofer schon unheimlich, spotten die CSUler: ein Schrittchen nach vorn und Guttenberg ziehe an Seehofer vorbei. So gesehen sei der von den Milliardenverlusten der Bayerischen Landesbank arg bedrängte Ministerpräsident Seehofer rundum glücklich, dass zu Guttenberg jetzt wenigstens mal die Afghanistan-Debatte an der Hacke hat.
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Kennen Sie den Wirtschaftsminister? Klar doch, Rainer Brüderle. Und wer könnte "Wirtschafts"-Minister sein? Auch Brüderle. Denn der FDP-Mann ist nicht nur deutscher Meister im Küssen von Weinköniginnen, was häufiger in Wirtschaften stattfindet und wozu er in seinen elf Jahren als Wirtschafts- und Weinbauminister in Rheinland-Pfalz amtlich verpflichtet war. Er besitzt zudem spezifische Kenntnisse über die gesundheitlichen Wirkungen des Weinkonsums. Bei Männern, so seine Theorie, sei Weingenuss bis zu einem halben Liter pro Tag gesundheitsfördernd. Bei Frauen rate er zu etwas weniger, weil der höhere Fettanteil im weiblichen Körper Alkohol länger speichere. Kenner Brüderle weiß allerdings auch, dass der Fettgehalt "den Reiz des weiblichen Körpers ausmacht", wie er einmal in einer öffentlichen Rede gestanden hat.
Zusätzlich qualifiziert diesen Wirtschafts-Fachmann, dass er sich auch glänzend auf Stammtisch-Niveau politisch ausdrücken kann. Ein Beispiel: Renate Künast, Fraktionschefin der Grünen nannte er einmal die "Jeanne d´ Arc der frei laufenden Hennen".