Bundesversammlung TV-Stars, Fußballer und eine "Bitch": Bei der Bundespräsidentenwahl stimmen auch zahlreiche Promis ab

Das Paul-Löbe-Haus ist vorbereitet: Aus Pandemiegründen wird der Bundespräsident in diesem Jahr hier gewählt
Das Paul-Löbe-Haus ist vorbereitet: Aus Pandemiegründen wählt die Bundesversammlung diesmal hier und nicht im benachbarten Reichstag den Bundespräsidenten.
© Thomas Koehler / Picture Alliance
Es ist Tradition bei der Bundespräsidentenwahl: Neben Politikern entscheiden auch Prominente über das deutsche Staatsoberhaupt. So ist der Bundestrainer dabei und stolz wie Oskar. Heimliche Stars dürften aber die Corona-Helden sein.

Fußballstars, ein Astronaut, Schauspieler – sie alle haben am Sonntag eine große Aufgabe. Dann wählen zum Beispiel Fußball-Bundestrainer Hansi Flick, Moderator Klaas Heufer-Umlauf und Astronaut Alexander Gerst den Bundespräsidenten oder die Bundespräsidentin. 1472 Mitglieder hat die 17. Bundesversammlung und längst nicht alle sind von Beruf Politiker. Schon länger gibt es bei der Wahl des Staatsoberhauptes eine Faustformel: Je klarer der Ausgang, desto mehr Promis tummeln sich unter den Wahlfrauen und -männern. Da die erneute Kür des Sozialdemokraten Frank-Walter Steinmeier, 66, als sicher gilt, wird es im coronabedingten Ersatz-Wahlort Paul-Löbe-Haus in Berlin eine hohe Dichte an TV-Gesichtern zu sehen geben. Die heimlichen Stars dürften aber die Corona-Helden sein.

Schon Papa Heuss wollte die Bundesversammlung bunter machen

Aber fangen wir von vorn an: Dass in der Bundesversammlung auch Menschen sitzen, die nicht zu den Landtagen und nicht zum Bundestag gehören, hat Tradition. Es war die Idee von Theodor Heuss, auch Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens mitstimmen zu lassen, erklärt der Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte. "Aber erst ab 2004 wird dies auch medial anders begleitet und auf Medienprominenz gesetzt", sagt Korte. "Waren früher Alt-Abgeordnete, Alt-Ministerpräsidenten für die Parteien dabei, sind es seit dieser Zeit medienbekannte Personen des öffentlichen Lebens aus allen Arbeitsbereichen."

"Privileg und Ehre": Hansi Flick folgt auch hier Jogi Löw

Nehmen wir mal den Arbeitsbereich Fußball: Da tritt Flick auch in der Bundesversammlung die Nachfolge von Jogi Löw an. Der Bundestrainer stimmt im Auftrag der Südwest-CDU ab. Flick erzählt, die Idee sei in seiner Heimatgemeinde Bammental bei Heidelberg an ihn herangetragen worden. "Ich habe keine Bedenkzeit gebraucht, denn ich empfinde es als Privileg und als Ehre, den Bundespräsidenten wählen zu dürfen." Der Gewählte müsse ein Bundespräsident für alle sein – "für ganz Deutschland, für ein vielfältiges, buntes, offenes, tolerantes Land". In Berlin trifft Flick auch alte Bekannte, etwa Freiburgs Trainer Christian Streich und Bayernstar Leon Goretzka.

Film- und Fernsehstars beim "Feiertag für die Demokratie"

Ein Wähler aus dem Schauspielbereich ist zum Beispiel Marcus Mittermeier ("München Mord"), der von der Landtagsfraktion der bayerischen Grünen nominiert wurde. "Dass dieser Tag so feierlich begangen wird, kann man mit Fug und Recht als Feiertag für die Demokratie bezeichnen." Parteimitglied ist Mittermeier nicht, sagt er. Zu den Grünen gebe es inhaltlich aber schon eine große Schnittmenge, vor allem in der Klimapolitik. Die Liste der TV-Gesichter bei der Wahl ist recht lang: Tatort-Star Dietmar Bär und Leonard Lansink ("Wilsberg") sind für die nordrhein-westfälische SPD dabei, Moderator Klaas Heufer-Umlauf für die SPD in Niedersachsen, Komiker Dieter Nuhr für die NRW-FDP. Schauspielerin Fritzi Haberlandt ("Babylon Berlin") kommt für die Grünen in Brandenburg, Sibel Kekilli ("Gegen die Wand") wurde von den Grünen in Baden-Württemberg nominiert und die Rapperin und Autorin Reyhan Şahin aka Lady Bitch Ray stimmt für die Linkspartei ab.

Stille Corona-Helden: "Hoppla, man wird ja doch gesehen"

Natürlich wird die Coronakrise auch in der Bundesversammlung sichtbar. Fast aus jedem Land wird jemand mitwählen, der im Gesundheitswesen arbeitet. Ob Charité-Virologe Christian Drosten, seine Kollegin Sandra Ciesek, die Tübinger Ärztin Lisa Federle, Notfallmedizinerin und Bloggerin Carola Holzner – bekannt als Doc Caro – oder auch bisher eher Unbekannte: So schicken die Südwest-Grünen Ayse Jeter vom Klinikum Stuttgart nach Berlin. Die 50-Jährige war Stationsleiterin einer Intensivstation und freut sich über diese wertschätzende Geste. Lange habe sie das Gefühl gehabt, die Politik habe ihren Berufsstand vergessen. Als der Anruf kam, habe sie gedacht: "Hoppla, man wird ja doch gesehen." Sie sei "total glücklich", in Berlin die Kollegen und Kolleginnen zu vertreten. "Eine höhere Aufgabe gibt es ja nicht." Auch mit dabei: Özlem Türeci, Gründerin von Biontech.

92-Jährige aus Mannheim will Zeichen gegen AfD setzen

Corona hat Karla Spagerer, 92, gut überstanden, am liebsten würde sie auch noch die AfD überleben. Am Sonntag ist das SPD-Mitglied jedenfalls die älteste Wahlfrau in der Bundesversammlung. Die Seniorin aus Mannheim besucht seit einigen Jahren Schulen, um dort über die Schrecken der Nazizeit zu berichten. Die Motivation für ihr spätes Engagement sei das Erstarken der AfD gewesen, sagt sie. "Da habe ich gegen kämpfen wollen." Dass nun das CDU-Mitglied Max Otte als AfD-Kandidat gegen Steinmeier antritt, findet Spagerer unerhört: "Die CDU müsste den hochkant rausschmeißen."

Gegen Steinmeier: AfD nominiert CDU-Mitglied Otte als Kandidaten für die Wahl zum Bundespräsidenten
AfD nominiert CDU-Mitglied Otte als Kandidaten für die Wahl zum Bundespräsidenten

Fürstlicher Fauxpas hallt nach

Die frechste Frisur dürfte dieses Mal die Dragqueen Gloria Viagra in der Bundesversammlung haben und damit die Nachfolge von Olivia Jones antreten, die vor vier Jahren mit ihrer orange-roten Mähne der bunteste Paradiesvogel war. Apropos Gloria und freche Frisur: Dafür war einst auch Gloria Fürstin von Thurn und Taxis bekannt. Doch sie sorgte bei der CSU für großen Schrecken, als sie nach der Wahl 2004 bekannte, nicht für Horst Köhler, sondern für Gesine Schwan gestimmt zu haben. "Erinnern Sie mich nicht daran", seufzte die Fürstin später. Das wäre besser nicht herausgekommen. Seitdem werde sie in Bayern bei keinem Empfang der Staatsregierung mehr eingeladen. Fürstlichen Glanz gibt es aber auch diesmal: Niedersachsens FDP schickt Alexander zu Schaumburg-Lippe.

mad / Sophia Weimer, Henning Otte, DPA

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