Kurz vor der Abstimmung gab es am Freitag noch einmal große Verwirrung. Grund war ausgerechnet ein Brief von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) an alle Bundestagsabgeordneten, in dem er seinen "lieben Kollegen" die Details des zweiten großen Hilfsprogramms für Griechenland erläuterte. Zu den bekannten 130 Milliarden Euro kämen noch einmal 24,4 Milliarden Euro aus dem ersten Hilfspaket hinzu, die bislang nicht ausgegeben seien, schrieb Schäuble. Und weitere 35 Milliarden Euro würden gebraucht, um zeitweilig Risiken bei der Europäischen Zentralbank zu sichern.
Selbst gut informierte Haushaltspolitiker waren überrascht und fragten sich, wie groß denn nun der Betrag sei, den sie für Griechenland freigeben sollen. Fast drei Stunden berieten sie über die Details des Programms. Und selbst danach blieben noch Fragen. Hier nun eine Übersicht, worüber an diesem Montag im Bundestag abgestimmt wird, was mit dem Geld geschieht - und was noch unklar ist.
Die Größe des Gesamtpakets
Je nachdem, was man dazuzählt, geht es um 199 Milliarden Euro, die bis Ende 2014 für den klammen Mittelmeerstaat bereitgestellt werden sollen. Das offizielle zweite Hilfsprogramm von EU, Euro-Gruppe und IWF umfasst dabei 130 Milliarden Euro. Weitere 34 Milliarden Euro sind noch übrig aus dem ersten Programm - davon gut 24 Milliarden Euro aus dem Rettungsschirm EFSF. Und noch einmal 35 Milliarden Euro soll die EFSF bereitstellen, um den Umtausch alter griechischer Staatsanleihen in neue Bonds abzusichern. Wichtig dabei: All diese Hilfsleistungen sind keine Almosen, sondern neue Kredite und Garantien - die das Land irgendwann wieder ablösen und zurückzahlen soll.
Wie sich die Banken beteiligen sollen
Ein Großteil des Geldes wird dazu verwendet, um den bereits angelaufenen Forderungsverzicht privater Gläubiger durchzusetzen und attraktiver zu machen. Dafür sind nicht nur die 35 Milliarden Euro vorgesehen, die als EFSF-Garantien bei der EZB hinterlegt werden, um dort deponierte Anleihen privater Banken abzusichern. Ein EFSF-Darlehen über 30 Milliarden Euro braucht Athen, um seinen alten Gläubigern die neuen Anleihen mit geringerem Nennwert und niedrigeren Zinsen zu "versüßen". Ein weiterer EFSF-Kredit ist für die Rekapitalisierung griechischer Banken eingeplant: Dafür stehen 23 Milliarden Euro zur Verfügung. Da griechische Institute enorme Summen in Staatsanleihen ihres Landes angelegt haben, werden hier große Verluste erwartet. Ein drittes EFSF-Darlehen ist für alte Zinszahlungen über 5,5 Milliarden Euro reserviert. In der Summe braucht Griechenland also sofort nach Abschluss der Umtauschaktion rund 93 Milliarden Euro an Krediten und Garantien von der EFSF.
Wie die Bilanz ausfällt?
Der Effekt der ganzen Operation ist übersichtlich. Dem angestrebten Forderungsverzicht über 110 Milliarden Euro stehen neue Verbindlichkeiten Griechenlands über 93 Milliarden Euro gegenüber. Der Schuldenstand durch die hochumstrittene Umschuldung fällt also nur um 17 Milliarden Euro. Wenn alles gut geht und Griechenland wie von EU und IWF erwartet ab 2014 deutliche Überschüsse vor Zinszahlungen im Haushalt ausweisen kann, dann sollte die Verschuldung bis 2020 noch einmal um weitere 16 Milliarden Euro sinken. Damit wäre dann eine Verschuldungsquote von 120,5 Prozent gemessen an der jährlichen Wirtschaftsleistung erreicht, die die Staatengemeinschaft anstrebt. Wächst die Wirtschaft aber pro Jahr um 0,5 Prozentpunkte weniger als unterstellt, landen die Schulden im Jahr 2020 bei 127 Prozent des BIPs, prognostizieren Volkswirte der Commerzbank.
Das 71-Milliarden-Euro-Rätsel
Nimmt man das neue Hilfspaket von 130 Milliarden Euro als Basis und zieht davon alle Hilfen und Anreize für die Finanzbranche ab, bleiben etwa 71 Milliarden Euro übrig, deren Verwendung bis Ende 2014 noch weitgehend unklar ist. Ein Großteil dieses Geldes dürfte für die Bedienung alter Kredite beim IWF und bei öffentlichen Banken sowie für Zinszahlungen reserviert sein. Ein anderer Teil dürfte in den laufenden Staatshaushalt fließen. Offiziell erklärt hat dies die Bundesregierung aber nicht - weder den Abgeordneten noch den Steuerzahlern.