Im Berliner Kanzleramt empfängt Angela Merkel zum Staatsbesuch und Christian Angermayer ist scheinbar ganz nah dran. Wir schreiben den 15. Mai 2012, Frankreichs neuer Präsident François Hollande ist zum Antrittsbesuch in Berlin eingetroffen - und bei dem gut vernetzten Finanzunternehmer Angermayer laufen Informationen ein, die er sogleich weiter gibt.
In einer Mail an seine "dear friends" aus der angelsächsischen Finanzwelt teilt er denen noch am selben Abend um 20.53 Uhr mit, welche "very interesting news from Merkel's and Hollande's first date" er abgegriffen hat. "Gerade" habe er erfahren, was zwischen Kanzlerin und Präsident "heute Abend diskutiert werden wird": Man werde die Regeln des Stabilitätspakts - anders als von Hollande öffentlich gewünscht - "nicht antasten" und außerdem einige das Wirtschaftswachstum stimulierende Aktionen beschließen, aber solche von "eher symbolischer Natur".
"Die Welt wird nun mal nicht allein von Liebe zusammengehalten, sondern auch vom Geld" - das sagte Christian Angermayer einmal in einem Interview. Bis zu dem Absturz eines Großteils seiner Firmengruppe im Herbst 2012 galt der 36-Jährige als Wunderkind der Finanzwelt. Außerhalb seiner Branche kannte ihn bisher kaum einer, doch in der Berliner Politik scheint er erstaunlich gut eingeführt. Wie der stern in der vergangenen Woche enthüllt hatte, vermittelte der als schillernd geltende Finanzunternehmer immer wieder Treffen zwischen dem CDU-Außenpolitiker Philipp Mißfelder und Managern großer Hedge Fonds wie Fortress oder Mason Capital. Aber Mißfelder war nicht der einzige, mit dem der begabte Netzwerker ins Gespräch kam.
Kontakte für "allerbeste Freunde"
In seiner Mail an die lieben Freunde vom 15. Mai 2012 zitierte Angermayer sogar "ein deutsches Regierungsmitglied". Diese Person habe ihm Folgendes gesagt: Hollande müsse "ein bisschen lernen, aber er lernt schnell, innerhalb von Tagen werden wir ein normales Verhältnis haben". Heute sagt Angermayer, er habe "öffentliche Informationen und Diskussionen" an Freunde weitergegeben. Zudem sei "allgemein bekannt", dass er "einen direkten Kontakt im Elysee habe" - also im Élysée-Palast, dem Amtssitz des französischen Präsidenten.
Wer immer das deutsche Regierungsmitglied war, das er im Mai 2012 zitierte - Angermayer kennt selbst Angela Merkel persönlich. Zumindest ein Termin, auf dem der Unternehmer auf die Kanzlerin traf, wird von einem Regierungssprecher bestätigt. Er habe "als einer von rund 70 Teilnehmern" einer Delegation des World Economic Forum (WEF) am 7. Oktober 2010 Merkel im Kanzleramt die Aufwartung gemacht.
Besonders wichtig war für einen wie Angermayer natürlich Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Am 8. Februar 2013 schickte der Finanzunternehmer persönlich eine Mail an zwei Fortress-Leute und kündigte eine "spezielle Einladung" zu einer "extrem seltenen Gelegenheit" an, nur für seine "allerbesten Freunde und Topkunden": Am 19. März 2013 werde Philipp Mißfelder für eine "sehr kleine Runde zum Abendessen laden, mit etwa 12 Teilnehmern" und - dadam - dem deutschen Finanzminister.
Dinner mit Schäuble
Zu dem Abendessen mit Schäuble kam es dann wirklich. Der Finanzminister ging nach Angaben seiner Behörde davon aus, dass es für die Referenten einer Konferenz der CDU/CSU-Fraktion gedacht war, die - von Mißfelder organisiert - am Tag darauf stattfinden sollte. "Der Minister hat dort die Dinnerspeech gehalten", teilt das Finanzministerium mit: "Thematisch ging es um die Regulierung der Finanzmärkte und Rohstoffspekulation." Aber offensichtlich schafften es auch Geschäftsfreunde von Angermayer auf die Gästeliste. Am 12. Februar 2013 mailte der Investor deshalb an Mißfelder: Es gebe bereits neun Zusagen für das Dinner im März, darunter ein Mann vom Hedge Fonds Fortress.
Hatte also Mißfelder Angermayer geholfen, dessen Geschäftsfreunde am Tisch des Finanzministers unterzubringen? "Trifft zu", antwortete Angermayer auf die Frage des stern, ob er dem CDU-Politiker Teilnehmer für das Abendessen vorgeschlagen habe und dieser dann einige dieser Vorschläge akzeptiert habe. Mißfelder selbst räumt nur ein, dass er "an der Organisation" des Abendessens "beteiligt" war. Und er sagt dies zu dem Schäuble-Termin: "Ich habe Herrn Angermayer Politiker vorgestellt, bei denen es für Ihre politische Arbeit interessant sein könnte, mit Vertretern der Finanzwirtschaft in Kontakt zu sein. Die Entscheidung, ob es zu einem Dialog kam, haben die Politiker eigenständig getroffen."
Zu den Politikern, mit denen Angermayer in den Dialog kam, gehörte auch der CDU-Mann Steffen Kampeter, seines Zeichens Parlamentarischer Staatssekretär in Schäubles Finanzministerium. Wie das Finanzministerium dem stern bestätigt, nahm Kampeter erst im August 2012 an einem Termin für Finanzleute in Los Angeles teil, den ein Angermeyer-Helfer als "completely off-the-record round table" beworben hatte. Dann stand der Staatsekretär für Gespräche am 16. Oktober 2012 bereit, für die der Helfer Manager ins Berliner Hotel Regent geladen hatte. Einen weiteren "slot" der Tagung im Regent - so nannte man die Termine - sollte wieder Mißfelder füllen.
Angeblicher Top-Act: von der Leyen
Zwei Monate zuvor, im August 2012, lud ein Angermayer-Helfer die Kunden zu einer ähnlichen ganztägigen Serie von Gesprächen in Berlin. Thema: Die Euro-Krise. Ein Zimmerkontingent im luxuriösen Hôtel de Rome, ließ er die Finanzmanager wissen, habe man bereits gebucht. Hier stand - neben dem unvermeidlichen Mißfelder - auch Grünen-Chef Cem Özdemir auf dem Programm. Der kennt Angermayer, weil beide in der Jury des Quadriga-Preises saßen. Özdemir bestätigt heute, dass er bei dem Event im August 2012 teilnahm - ebenso wie bei einem Mittagessen, das Angermayer im Januar 2013 mit ihm am Rande des World Economic Forum im schweizerischen Davos ausrichtete. Der Unternehmer sprach von einer "persönlichen und vertraulichen" ("private and intimate") Lunch-Runde im Restaurant Hänggi’s. Özdemirs Sprecherin sagt dagegen, dass es sich "nach unserer Kenntnis nicht um eine 'vertrauliche' Veranstaltung" handelte. Der Politiker habe über "die politische Lage vor der Bundestagswahl 2013" gesprochen.
Der Davos-Ausrichter WEF hatte Angermayer noch Anfang 2011 in die Reihe seiner "Young Global Leaders" aufgenommen. Doch heute ist man im Genfer Hauptquartier des Forums nicht mehr ganz so gut auf ihn zu sprechen. Das hat mit einem seinerzeit geplanten "Family Business & Financial Investor Delegation Trip" zu tun, für den die Firma Angermayer, Brumm & Lange im Herbst 2012 eine Einladung zusammengestellt hatte. Inbegriffen waren laut Programm - laut Angermayer war es ein Entwurf - der Besuch bei einem WEF-Ableger in China, außerdem ein Gespräch mit dem russischen Premierminister Dmitri Medwedew - sowie ein eintägiger Workshop am 26. November 2012 in Berlin. Top Act dort: die damalige Arbeitsministerin Ursula von der Leyen.
"Wir haben hier eine super Möglichkeit, diesen Zugang in Geschäft umzusetzen", notierte ein Mitarbeiter von Angermayer. 7500 Euro wollte er von jedem der maximal sieben Teilnehmer für den Zugang zu den Politpromis verlangen, Ausgaben für Reise und Unterbringung noch nicht mitgerechnet. "Der Preis ist mir zu niedrig", widersprach Angermayer in einer Mail. In der Einladung war dann von 12.100 Euro die Rede.
Angebliche Unterstützerin: Liz Mohn
Der Unternehmer sagt, dass es sich dabei lediglich um einen "Kostenbeitrag" für die eigenen Auslagen handelte. Aber warum dann die plötzliche Preissteigerung um 4.600 Euro? "Mein Mitarbeiter hatte anscheinend die Höhe der voraussichtlichen Auslagen falsch eingeschätzt", sagt Angermayer heute.
Sei es wie es sei - aus der Veranstaltung wurde nichts. Sie sollte laut Einladungstext "in Kooperation" mit einem Manager des angesehenen WEF stattfinden. Dieser hätte auch das letzte Wort über die Teilnehmer gehabt. Sein damaliger WEF-Betreuer, so Angermayer, habe ihm noch einmal "schriftlich bestätigt, dass all dies mit ihm besprochen war und somit alles korrekt ist, also sowohl meine Sachverhaltsdarstellung als auch der Vorgang an sich". Beim WEF stellt man das ein bisschen anders dar. Eine Angermayer-Firma habe damals zwar das Recht gehabt, drei "potentielle" Partner vorzuschlagen, die dann "vom Forum nach eingehender Prüfung" zu dem "Sommer-Davos"-Treffen in China hätten dazugebeten werden können - aber eben nicht sieben, wie in dem Angermayer-Entwurf formuliert. Dessen damalige Überlegungen widersprächen "dem Anliegen und den Regeln" des WEF und stünden "darüber hinaus im Widerspruch zur Mission des Forums".
Auch der Name einer prominenten Unternehmenslenkerin prangte als angebliche Unterstützerin auf der Titelseite des Programmentwurfs. Die Rede ist von Liz Mohn. Zu der von ihr mitkontrollierten Bertelsmann AG gehört auch der Verlag Gruner + Jahr, in dem der stern erscheint. Doch bei der Bertelsmann-Stiftung in Gütersloh, bei der Mohn im Vorstand sitzt, kann man sich nach dortigen Angaben keinen Reim auf den Vorgang machen.
Angermayer sagt heute, dass die Idee für Liz Mohns Beteiligung nach seiner vagen Erinnerung "von Seiten meines WEF-Betreuers kam". Da die Reise dann aber doch nicht stattgefunden habe, könne er "bei bestem Willen nicht sagen, was der Stand der Kommunikation war".
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