Wer sich fragt, wer der Mann ist, der am Sonntag für Sat.1 im TV-Duell zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihrem SPD-Herausforderer Martin Schulz die Fragen stellt, muss eigentlich nur die Schlagzeilen überfliegen. Claus Strunz sei gewissermaßen "eine Mischung aus AfD, CSU und einem besserwissenden Mittelstufenschüler" ("Übermedien") und "nicht unbedingt der Philosoph unter den deutschen Journalisten" ("FAZ"), heißt es dort. Außerdem habe er mit Populismus "keine Berührungsängste" ("Süddeutsche Zeitung") - die SZ nannte ihn zudem den "Spalter". So bekommt man zumindest ein Gefühl für Claus Strunz. Und darum geht es ihm ja: ums Gefühl.
"Ich habe eine Allergie dagegen, gewisse Dinge nicht auszusprechen, nur weil dann die falschen Kreise jubeln könnten", erklärte Strunz einmal der "Süddeutschen Zeitung". "Schlechter Populismus beruht auf Unwahrheiten, Lügen. Guter Populismus spricht - auch unangenehme - Wahrheiten deutlich, populärer aus." Kurz gesagt: Claus Strunz spricht Klartext - zumindest wenn es nach Claus Strunz geht.

Claus Strunz: "weg von Fakten, hin zu den Emotionen"
Wie das aussehen kann veranschaulichen etwa seine Kommentare für das "Sat.1-Frühstücksfernsehen". Die Sendung wird von seiner Produktionsfirma Maz & More hergestellt. Da verrührt er schon mal die Pannen im Fall Anis Amri mit der Behauptung, "Frauen trauen sich aus Angst vor Sexualstraftätern nicht mehr auf die Straße." Und hier und da "verfestigt" sich auch der Eindruck, "dass der Kontrollverlust an den deutschen Außengrenzen nur der Anfang war" - dazwischen sorgen Reizwörter wie "Staatsversagen" und "Kontrollverlust" für dramatischen Sound.
Die Medienkritiker von "Übermedien" haben diesem Strunz-Gefühl ein Video gewidmet.
Der Grimme Preis-Träger und Satiriker Philipp Walulis beschrieb die oftmals postfaktischen und durchaus pauschalisierenden Polit-Kommentare einmal so: Strunz kommentiere "weg von Fakten, hin zu den Emotionen", gebe dann "ordentlich Brandbeschleuniger dazu" und inszeniere sich als "alleinigen Kämpfer gegen das System und als Augenöffner für die Massen." Mit solch "plumpen Argumentationen" schade Strunz den Diskussionen, "die wir eigentlich führen sollten."
"Populismus ist das Viagra einer erschlafften Demokratie"
Man konnte es also auch fast als Rechtfertigung für seine boulevardeske Rhetorik verstehen - Strunz war übrigens mal Chefredakteur der "Bild am Sonntag" - als Claus Strunz vor rund einem Jahr in der Sendung von ARD-Talkerin Sandra Maischberger zum Thema Rechtspopulismus erklärte: "Populismus ist das Viagra einer erschlafften Demokratie." Man wird das Gefühl nicht los: Der studierte Germanistik- und Politikwissenschaftler hat auch eine der Populismus-Pillen geschluckt.
"Meine 'Bild am Sonntag'-Kommentare haben weniger Resonanz ausgelöst, als es nun - messbar - bei meinen Facebook-Kommentaren der Fall ist", sagt Strunz in der "Süddeutschen Zeitung" über seine Sat.1-Kommentare. Das ist nicht unwahrscheinlich. Seine Herangehensweise an politische Themen ist nicht mit der Zauberflöte für das Feuilleton aufbereitet, sondern "Powered by Emotion" (Sat.1 warb mit dem Slogan zwischen 2001 und 2004) - diejenigen, die mit Politik nichts am Hut haben, erhalten so vermeintlich eher einen Zugang zu komplexen Sachlagen. Aber auch das ist nur ein Gefühl.
Die "Zack, zack, zack"-Methode
Dass durch diese Herangehensweise die Fakten manchmal eher einer Ahnung oder einem Gefühl weichen, wird auch in der TV-Sendung "Akte" (Sat.1) deutlich, die Strunz Anfang des Jahres von Moderator Ulrich Meyer übernommen hat. So verwandelte sich der Journalist in einem Facebook-Teaser für das Reportagemagazin in einen "gewaltbereiten, Gewalt tolerierenden, womöglich sogar Verbrecher" aus dem linksextremen "Schwarzen Block" - indem er eine Sonnenbrille und einen schwarzen Kapuzenpullover in Windeseile ("zack, zack, zack") übergeworfen hat. Ähnlich oberflächlich hielt er es auch, als er herausfinden wollte, "wie es ist, als Jude in Deutschland zu leben". Also ist er in einem "24-Stunden-Selbstversuch" mit einer Kippa auf dem Kopf durch Berlin spaziert. Das Ergebnis solcher oberflächlichen Experimente kann nur eine gefühlte Wahrheit sein.

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Am Sonntag, als Claus Strunz bereits das kleine TV-Duell zwischen den Spitzenkandidaten der Opposition "im höchstmöglichen Erregungszustand" ("Spiegel Online") wegmoderiert hat, fragte Strunz den FDP-Chef Christian Lindner: "Wollen wir eitle Leute in der Politik?" - eine Straßenumfrage (!) habe ergeben, dass ihn 71 Prozent "der Deutschen" für eitel halten. Die Fragezeichen (und Fassungslosigkeit) waren Lindner ins Gesicht geschrieben.
Claus Strunz könnte am Sonntag beim großen TV-Duell zwischen Angela Merkel und Martin Schulz zumindest für die ein oder andere Überraschung sorgen. Aber auch das ist nur ein Gefühl.
