CSU-Parteitag Stoiber raus, Pauli auch

Erster Tag des CSU-Parteitags in München, vorläufige Bilanz: Stoiber ist Geschichte, Pauli steht im Abseits, Huber und Seehofer lauern. Allein Kanzlerin Merkel konnte punkten: Sie seifte die Delegierten so clever ein, dass sie im Schaum plantschten.

Da war auch Edmund Stoiber platt. "Angela, Du hast vielen Delegierten aus den Herzen gesprochen", sagte er mit schiefem Lächeln. Und genau so war es. Ein Physikerin aus Ostdeutschland, kinderlos und zum zweiten Mal verheiratet, also eine, die zur CSU passt wie Ketchup zur Weißwurst: Ausgerechnet Kanzlerin Angela Merkel hat die Delegierten des Münchner Parteitags begeistert. Die Rede des Oberbayern Edmund Stoiber hingegen hatte das Publikum ermüdet. Verkehrte Welt - aber auch ein Zeichen für die sich verschiebenden Gewichte in der Union. Merkel hat eine Zukunft, Stoiber nur noch eine Vergangenheit.

Dabei ist Merkel in ihrer Rede eigentlich nur ausgewichen. Zum Beispiel beim größten Aufreger des Tages, dem von der CSU so vehement eingeforderten "Betreuungsgeld", das Eltern zugute kommen soll, die ihre Kinder zuhause aufziehen. Merkel ließ wissen, dass zunächst die Zahl der Krippenplätze ausgebaut werden soll. Zum Betreuungsgeld sagte sie: "Das ist dann die nächste Etappe". Sprich: Vor 2013, wenn der Krippenausbau beendet sein soll, wird nichts entschieden. Wer dann Kanzler ist, weiß der Himmel. Aber egal: Die Delegierten hörten, was sie hören wollten: Ein Bekenntnis der Kanzlerin zum Betreuungsgeld. Donnernder Applaus.

Es hat sich ausgestoibert

Zuvor und danach lobte die Kanzlerin die CSU-Granden über den grünen Klee. Wie Stoiber Bayern voran gebracht habe, sei vorbildlich. Bei Michel Glos, einem Problemfall im Kabinett, bedankte sie sich für sein Engagement für den Mittelstand. Selbst Horst Seehofer, der Affären-Karrieren-Hengst, bekam ein paar warme Worte ab. Er habe "dem ländlichen Raum wieder mehr Mut gegeben", also die Bauern politisch besser versorgt als seine Vorgängerin Renate Künast von den Grünen. Diese Nettigkeiten gingen den Delegierten runter wie Öl. Die CSU leidet seit jeher an dem Minderwertigkeitskomplex, nur eine Juniorrolle in der Union zu spielen und nicht ausreichend Gehör zu finden. Hier stand nun die Kanzlerin und signalisierte: Ich höre Euch! Und ihr seid Klasse! Donnernder Applaus.

Die Stunden zuvor war die Laune deutlich schlechter. Stoiber hatte den Parteitag mit einer länglichen Rede über das CSU-Grundsatzprogramm eröffnet. Dabei bot er das gesamte Arsenal konservativer Rhetorik auf, beschwor die Ehe, die Familie, die deutsche Leitkultur und das christliche Menschenbild. Wetterte gegen den Bau von Moscheen und eine mögliche EU-Mitgliedschaft der Türkei. Aber der Funke sprang nicht über. Zu oft hatten die rund 1000 Delegierten diese Sätze gehört. Und für andere Sätze war Stoiber zu verspannt. Kein Witz kam über seine Lippen, kein inspirierender Vorschlag, kein persönliches Wort am Ende seiner Ära. Stoiber wird am Samstag den Parteivorsitz abgeben und dann auch als Ministerpräsident zurücktreten. Die Delegierten bedauern das offensichtlich nicht, sie haben den ewigen Besserwisser satt. Fünf Minuten plus x applaudierten sie nach seiner Rede, stehend zwar, aber auch nicht mehr als pflichtschuldig. Es hat sich ausgestoibert.

Aufhorchen ließen in Stoibers Rede und den Moderationen des scheidenden CSU-Generalsekretärs Markus Söder allein die kaum kaschierten Gemeinheiten in Richtung Gabriele Pauli. "Die CSU ist kein Happening. Sie wird durch Inhalte zusammengehalten und nicht durch Show", sagte Stoiber. Damit meinte er zweifelsohne Pauli, die der bunten Presse erotische Fotos geliefert und der Partei den kuriosen Vorschlag gemacht hatte, Ehen auf sieben Jahre zu begrenzen. Auch Söder drosch auf Pauli ein, indem er coram publico sagte: "Ich gehe davon aus, dass es ein Vorsitzender wird." Am Samstag stellen sich Gabriele Pauli, Horst Seehofer und Erwin Huber der Wahl zum Parteivorsitzenden. Pauli, die Stoibers Sturz eingeleitet hatte, kann sich keine Hoffnungen auf den Sieg machen. Ihr das öffentlich vom Podium herab zu sagen, war indes eine eigentlich unentschuldbare Grobheit Söders.

Ehrenhalber ist ehrenhalber

Aber auch die Basis hat die Kapriolen der "schönen Landrätin" offenkundig über. Die beiden Anträge, die sie zur Änderung des CSU-Grundsatzprogramms stellte, fielen komplett durch. Pauli wollte statt des Ehegattensplittings ein Familiensplitting durchsetzen und einen EU-Beitritt der Türkei nicht auf alle Ewigkeiten ausschließen. Bei den Abstimmungen blieb sie mit ihrer Meinung alleine. Zwar wurde sie nicht, wie auf dem Parteitag zuvor, mit Buh-Rufen belegt. Aber sie steht im politischen Abseits, das ließen die Delegierten die 50-Jährige spüren. Das neue CSU-Grundsatzprogramm wurde praktisch 1:1 verabschiedet.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Nun bleibt noch Stoibers große Abschiedsshow, Teil II. Am Freitagabend feierte er mit den Delegierten seinen 66. Geburtstag. Am Samstag wird er noch mal zu einer großen Rede ausholen. Außerdem verkündete Söder, dass Stoiber - nach der Wahl des neuen CSU-Vorsitzenden - zum Ehrenvorsitzenden der Partei ernannt werden soll. Das rührte Stoiber, wie die Nahaufnahmen seines Gesichts auf den Videoleinwänden des Messesaals zeigten.

Aber Stoiber weiß auch: ehrenhalber ist ehrenhalber. Viel zu sagen hat er in seiner neuen Position nicht. Und genau das scheint sich die Basis auch zu wünschen.