Ende mit dem "Kasperletheater" Baden-Württemberg wird keine Steuersünder-CD kaufen

Stefan Mappus schluckte seinen Ärger herunter. Nein, er wolle nicht beurteilen, warum sich sein Parteifreund Wolfgang Schäuble plötzlich nicht mehr an Zusagen halte, sagte Baden- Württembergs CDU-Ministerpräsident.

Stefan Mappus schluckte seinen Ärger herunter. Nein, er wolle nicht beurteilen, warum sich sein Parteifreund Wolfgang Schäuble plötzlich nicht mehr an Zusagen halte, sagte Baden- Württembergs CDU-Ministerpräsident. Wenn der Bundesfinanzminister die Bankdaten von Steuerbetrügern nun doch nicht vom Land übernehmen wolle, dann entscheide er eben selbst, beschied der Regierungschef den Journalisten bei einer eilig einberufenen Pressekonferenz am Samstag im kleinen Neulingen bei Pforzheim. Und diese Entscheidung lautet: Nein, Baden-Württemberg greift bei der CD definitiv nicht zu.

Er stimme den "nachvollziehbaren, guten Argumenten" seines Justizministers Ulrich Goll (FDP) zu, dass das rechtliche Risiko zu groß sei, sagte Mappus. Damit beschreitet er, nicht mal vier Wochen im Amt, einen bundesweiten Sonderweg. Der Kollege Jürgen Rüttgers (CDU) in Nordrhein-Westfalen hat schon gekauft, und Horst Seehofer (CSU) in Bayern ist dazu entschlossen. In allen drei Ländern, denen gestohlene Bankdaten angeboten wurden, regiert Schwarz-Gelb. Aber nur in Baden-Württemberg gibt der Unions-Regierungschef den Bedenken der Freien Demokraten nach. Auch die Position von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und von Schäuble, die keine rechtlichen Vorbehalte haben, lässt Mappus links liegen. Warum?

Der 43-jährige Pforzheimer erläuterte am Wochenende nochmals, wie er zu seiner Haltung kommt. Nicht nur Goll, sondern auch der Präsident des Staatsgerichtshofs im Land, Eberhard Stilz, und Professor Ulrich Sieber vom Max-Planck-Institut für internationales Strafrecht in Freiburg hätten größte Bedenken gegen einen Kauf, weil sich Regierung oder Behörden strafbar machen könnten. "Das rechtliche Risiko ist einfach zu groß und nicht überschaubar", sagte Mappus.

Dies habe er so auch am vergangenen Montag im CDU-Präsidium in Berlin erklärt und sein Nein zum Kauf der CD angekündigt. Dann habe er am Mittwoch ein Angebot vom Schäuble-Ressort erhalten, die Entscheidung über den Kauf an das Bundeszentralamt für Steuern abzugeben. Der Druck von Seiten des Bundes wuchs, auch Finanzminister Willi Stächele (CDU) und die Opposition saßen ihm im Nacken. Der Vorwurf, die Hand über Steuersünder halten zu wollen, stand im Raum. Also: Mappus überredete die FDP. Obwohl Goll und Co. "nicht gerade begeistert" waren, habe man zugestimmt. Und dann das: Schäubles Sprecher kündigte am Freitag an, das Land sei zuständig, und der Bund könne einen Kauf auf keinen Fall abwickeln.

Plötzlich steht Mappus in den Augen seiner Kritiker nicht mehr nur als derjenige da, der die Entscheidung abzuschieben versucht, sondern auch als jemand, den Schäuble hängen lässt. "Schäuble hat Mappus gelinkt", heißt es hinter vorgehaltener Hand aus der Koalition. Von "Kasperletheater" ist die Rede. Aber warum sollte der 67-jährige Südbadener Schäuble seinen 43 Jahre alten CDU-Kollegen so auflaufen lassen? Hatte Schäuble selbst Ambitionen auf die Nachfolge von Günther Oettinger, wie so mancher Koalitionär vermutet? Oder war es ein Kommunikationsproblem? Womöglich hat der neue Staatsminister Helmut Rau (CDU), ebenfalls ein Südbadener, das Angebot aus Berlin nicht richtig eingeordnet, mutmaßt ein führender CDU-Politiker.

Apropos Oettinger: In der Landes-CDU gibt es nun die Befürchtung, dass sich Mappus mit dieser Entscheidung isoliert. "Da bringt sich Stefan Mappus wieder in die Außenseiterposition, in der Günther Oettinger schon war", warnt CDU-Landesvorstandsmitglied Christian Bäumler. Und überhaupt sei es falsch, den Bedenken der FDP zu folgen: "Wer Steuern hinterzieht, hat keinen Anspruch auf Datenschutz", meint der Richter und Sozialpolitiker.

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Henning Otte, DPA