Unmittelbar vor dem Spitzentreffen von Bund und Ländern ist in der großen Koalition ein offener Streit über den besten Weg zum Kinderschutz ausgebrochen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sprach sich am Montag gegen den Wunsch der SPD aus, die Rechte von Kindern im Grundgesetz zu verankern. "Wir dürfen jetzt nicht eine Theoriediskussion über Verfassungsrecht anstellen, wo praktische Hilfe für Kinder gefordert ist", sagte sie in Berlin.
Der SPD-Vorsitzende Kurt Beck bekräftigte dagegen das Vorhaben seiner Partei. Trotz des Erziehungsprimats der Eltern müsse im Einzellfall eine Abwägung erfolgen, ob das Kindeswohl noch gegeben sei. Dies sei mit einer Erweiterung des Grundgesetzes am ehesten möglich.
Kindergipfel in Berlin
Angesichts zahlreicher Fälle misshandelter und vernachlässigter Kinder kommen die Kanzlerin und die Ministerpräsidenten der Länder in Berlin zu einem sogenannten Kindergipfel zusammen. Dort will Merkel nach den Worten von CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla die Schaffung eines bundeseinheitlichen Einladesystems für Vorsorgeuntersuchungen vorschlagen. Dabei seien im Gegensatz zu den sogenannten Pflichtuntersuchungen aber zunächst keine Sanktionen vorgesehen. Für den Fall, dass Eltern umziehen, wolle man zudem den Datenaustausch zwischen den Bundesländern verbessern.
SPD findet Zustimmung bei CSU
Beck will unterdessen einen Sieben-Punkte-Katalog vorlegen, der neben einer Erweiterung des Grundgesetzes auch konkrete Hilfen von Anfang an vorsieht. Schon Hebammen müssten Problemlagen in Familien rechtzeitig erkennen, erläuterte der SPD-Chef. Im Weiteren müssten Kinderärzte und Kindergärten einbezogen werden.
Die CSU ringt in der Frage eines zusätzlichen Grundgesetz-Artikels noch um eine einheitliche Linie. Bis April wollen die Christsozialen aber ein umfassendes Konzept zur Kinderpolitik erarbeiten. In dieser Debatte werde sich dann zeigen, ob eine stärkere Verankerung im Grundgesetz notwendig sei, sagte CSU-Chef Erwin Huber, der aber zugleich vor einer "Ersatzdiskussion" warnte.
Die Grünen-Familienpolitikerin Ekin Deligöz warf der Union "Herumlavieren" vor. "Wer gegen eine explizite Aufnahme von Kinderrechten ins Grundgesetz ist, sollte sich klar dazu bekennen."
Streit um obligatorische Vorsorgeuntersuchungen
Bayerns Ministerpräsident Günther Beckstein (CSU) sprach sich unterdessen dafür aus, Vorsorgeuntersuchungen für Kinder bundesweit zur Pflicht zu machen. Diese Forderung unterstützten auch die Bundesärztekammer und der Ärzteverband Marburger Bund. Kinderschützer warnten hingegen vor "gesetzgeberischem Aktionismus".
Je mehr die Eltern den Eindruck gewönnen, dass sie "überwacht" werden sollten, desto weniger seien sie bereit, Unterstützung anzunehmen, heißt es in einer Erklärung, die unter anderem vom Deutschen Jugendinstitut, der Bundeskonferenz für Erziehungsberatung und dem Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband unterzeichnet wurde.