Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) dringt darauf, dass die Ampel-Koalition einer Einigung auf die geplante EU-Asylreform nicht im Weg steht. Nach Informationen aus Regierungskreisen sprach er in diesem Zusammenhang in der Kabinettssitzung am Mittwoch konkret auch die sogenannte Krisenverordnung an, der die Bundesregierung wegen Kritik aus Reihen der Grünen bisher nicht zugestimmt hat. An diesem Donnerstag nimmt Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) an einem Treffen ihrer EU-Amtskollegen in Brüssel teil, bei dem es auch um das Thema geht.
Kann Reform Migrationsanstieg bremsen?
Die Krisenverordnung ist ein Teil der geplanten Asylreform, mit der unter anderem die irreguläre Migration begrenzt werden soll. Mit der Verordnung soll etwa bei einem besonders starken Anstieg der Migration der Zeitraum verlängert werden können, in dem Menschen unter haftähnlichen Bedingungen festgehalten werden können.
In Brüssel hatte die Bundesregierung ihre Ablehnung des Vorschlags für die Verordnung bislang damit erklärt, dass dieses Regelwerk EU-Staaten vermöglichen könnte, Schutzstandards für Migranten inakzeptabel zu senken. In Deutschland äußerten Außenministerin Annalena Baerbock und andere Politiker der Grünen zuletzt zudem überraschend die Befürchtung, dass die Krisenregeln "Anreize für eine Weiterleitung großer Zahlen unregistrierter Flüchtlinge nach Deutschland" setzen könnte. Im Rat der EU-Mitgliedstaaten in Brüssel wurde vermutet, dass diese Argumentation mit den bevorstehenden Landtagswahlen in Hessen und Bayern in Verbindung stehen könnte, weil diese Linie in den EU-Verhandlungen bis dato keine Rolle spielte.
Aus diesen Ländern beantragen die meisten Menschen Asyl in Deutschland

Zwischen Neujahr und Ende Mai 2024 haben 1623 Menschen aus Guinea in Deutschland einen Asylantrag gestellt.
Faeser antwortete nach einer Sitzung des Innenausschusses in Berlin auf die Frage, ob sich die Haltung der Bundesregierung zu der Verordnung geändert habe: "Bislang gab es noch keine Einigung der europäischen Staaten, das liegt nicht nur an Deutschland, auch Tschechien hat Probleme vorgetragen und die Niederlande. Polen und Ungarn haben sich ganz davon verabschiedet, leider."
Deshalb gebe es nun noch Diskussionsbedarf, unter anderen zu der Frage, was die Merkmale einer solchen Krise sein sollten. Die Ministerin betonte dennoch: Aber ich bin zuversichtlich, dass wir als Bundesregierung dort eine gute Lösung finden werden und dass wir europäisch auch zeitnah zu einem Abschluss kommen."
"Jetzt wird in Brüssel endlich richtig verhandelt"
Aus dem Auswärtigen Amt hieß es zum Stand der Verhandlungen über die Verordnung nur: "Jetzt wird in Brüssel endlich richtig verhandelt." Der Grünen-Vorsitzende Omid Nouripour sagte im Fernsehsender "Welt": "Der Bundeskanzler hat heute gesagt, dass wir natürlich am Ende eine Gesamtlösung wollen für die gesamte Reform. Dazu gehört auch eine Krisenverordnung, die für Deutschland gut ist. Und diese wird jetzt verhandelt."

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Kritik kam von den Flüchtlings- und Menschenrechtsorganisationen Pro Asyl und Amnesty, die gegen die geplante Krisenverordnung sind. In einer Pro-Asyl-Mitteilung hieß es: "Dass der Bundeskanzler nun die Zustimmung erzwingt, zeigt, dass in der Bundesregierung menschenrechtliche Erwägungen nichts mehr zählen sollen."
Unionsfraktionsvize Andrea Lindholz (CSU) kritisierte die Koalition: "Das "Machtwort" von Bundeskanzler Scholz zur EU-Krisenverordnung kommt spät und ist nur immensem politischem Druck geschuldet", sagte sie laut Mitteilung. "Herr Scholz hat es zugelassen, dass die Grünen nicht nur seine Ampel, sondern ganz Europa blockieren."