Nach dem Scheitern an zentralen Zielen seiner Haushaltspolitik hat Bundesfinanzminister Hans Eichel am Montagabend seine Amtskollegen aus dem Euroland informiert. Deutschland habe sich dabei entschlossen gezeigt, sich an die Auflagen des Euro-Stabilitätspaktes zu halten, sagte der Vorsitzende der Finanzminister der Eurozone, der griechische Ressortchef Nikos Christodoulakis, in Brüssel nach den Beratungen. EU-Währungskommissar Pedro Solbes hatte sich zuvor besorgt gezeigt, dass Deutschland - sollte es drei Jahre hintereinander die Obergrenze reißen - Frankreich und Italien den Grund nehmen könnte, den Stabilitätspakt mit zu tragen.
Eichel will nächstes Jahr wieder unter drei Prozent sein
Solbes dankte Eichel ausdrücklich für die Informationen. Der Kommissar drang darauf, dass Deutschland im kommenden Jahr wieder unter die Marke von drei Prozent Defizit vom Bruttoinlandsprodukt kommt und von 2004 an sein konjunkturbereinigtes Defizit um 0,5 Prozentpunkte jährlich drückt. Bundesfinanzminister Hans Eichel sagte: "Wir setzen alles daran, im nächsten Jahr...wieder unter den drei Prozent zu sein."
Europäische Finanzminister zuversichtlich
Die Finanzminister trafen sich zum ersten Mal nach dem Ende der Kampfhandlungen im Irak. Ihr wirtschaftlicher Ausblick war etwas positiver als noch beim Treffen Anfang April in Griechenland. Sie gaben sich zuversichtlich, dass die wirtschaftliche Erholung in den zwölf Ländern der Gemeinschaftswährung von der zweiten Jahreshälfte an einsetzt. Für das laufende Jahr wird ein Wachstum von etwa einem Prozent erwartet. Im kommenden Jahr sollen es bereits 2,3 Prozent sein.
Wirtschaftsexperten melden Zweifel an
Ganz anders sehen Wirtschaftsexperten die Sache. Nach ihrer Einschätzung wird Deutschland auch im Jahr 2004 die EU-Defizitgrenze überschreiten. "Das Defizitlimit wird auch 2004 nicht zu halten sein", sagte Martin Hüfner, Chefvolkswirt der HypoVereinsbank, in einer Umfrage der 'Financial Times Deutschland'. Auch der Wirtschaftsforscher Klaus Zimmermann warnte: "Das Risiko einer erneuten Zielverfehlung ist sehr hoch." Der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) wandte sich gegen Sparmaßnahmen, um den Etat wieder unter die EU-Defizitgrenze von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu drücken. Es sei sinnvoll, konjunkturbedingt höhere Defizite hinzunehmen, um die Nachfrage nicht zusätzlich zu belasten. Mittelfristig müsse der Haushalt aber etwa durch einen verstärkten Abbau von Subventionen entlastet werden.
Pauschale Kürzung von Vergünstigungen könnte helfen
Ähnlich äußerten sich auch der Wirtschaftswissenschaftler Bert Rürup in den 'Lübecker Nachrichten'. Rürup erwartet bei einer pauschalen Kürzung aller staatlichen Zuwendungen und Steuervergünstigungen für fünf Jahre um jährlich zehn bis 20 Prozent Einsparungen von acht bis zehn Milliarden Euro pro Jahr. Der Konjunkturforscher Joachim Scheide vom Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) schätzt, es könnten sogar 15 Milliarden Euro jährlich sein.

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Mehrwertsteuererhöhung wird abgelehnt
Der Wirtschaftsweise Wolfgang Wiegard lehnte in der 'Berliner Zeitung' eine Anhebung der Mehrwertsteuer ab. "Nicht Steuererhöhungen, Ausgabensenkungen sind der richtige Weg." Gegen eine Erhöhung der Mehrwertsteuer wandte sich auch der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Michael Rogowski. Sie sei für das Stopfen von Haushaltslöchern völlig ungeeignet, sagte er in der Chemnitzer 'Freien Presse'
Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Peer Steinbrück (SPD) sagte in den ARD-'Tagesthemen': "Das Thema Mehrwertsteuer ist tabu." In der gegenwärtigen wirtschaftlichen Situation wären Steuererhöhungen kontraproduktiv.
Die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Krista Sager, schloss in der Sendung 'Maischberger' im Fernsehsender n-tv ebenfalls eine Erhöhung der Mehrwertsteuer aus. Gleichzeitig wandte sie Sager sich gegen die Initiative von Steinbrück und des hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU) für einen linearen Abbau von Subventionen. Thüringens Ministerpräsident Bernhard Vogel (CDU) lehnte in der 'Mitteldeutschen Zeitung' eine Kürzung von Subventionen für Ostdeutschland ebenfalls ab.
Steuerschätzung beginnt
Nach Informationen der 'Financial Times Deutschland' sind die Steuereinnahmen von Bund, Ländern und Gemeinden im April im Vergleich zum Vorjahresmonat zum ersten Mal in diesem Jahr wieder gestiegen. Heute (Dienstag) beginnt im brandenburgischen Lübbenau die amtliche Steuerschätzung, deren Ergebnisse am Donnerstag vorliegen sollen. Wegen der schwachen Konjunktur rechnen Bund, Länder und Gemeinden mit weiteren Einnahmeausfälle in den nächsten Jahren. Nach ersten Vorberechnungen gibt es allein 2003 Steuerausfälle von rund neun Milliarden Euro.