Ex-Kanzler bei "Beckmann" Schröders Küblböck-Problem

Er hat alles gesagt, was er sagen will. Zigmal, nun auch bei "Beckmann". Schon nach einer Woche hat man sich an Gerhard Schröder satt gesehen und gelesen. Die Spannung könnte er nur mit einer Enthüllung aufrecht erhalten.

Kennen Sie das Daniel-Küblböck-Problem? Es trifft vor allem Menschen, die urplötzlich berühmt geworden sind und wissen, dass sie es nicht lange bleiben werden. Ihr Marktwert ist binnen Tagen von null auf hundert gestiegen. Das müssen sie ausnutzen. Deshalb tingeln sie durch jede Show, machen überall den Mund auf, tragen sich zu Markte. Am Anfang kriegen sie noch richtig Schotter, weil das Publikum nach ihnen giert. Dann sinkt das Interesse, dann der Preis. Und irgendwann müssen sie Supermärkte eröffnen oder in einen Dschungel voller Kakerlaken gehen, um den Marktwert auch nur annähernd zu halten.

Die PR-Strategie zieht

Mit Gerhard Schröder, dem Ex-Kanlzer, verhält es sich freilich anders. Noch. Allein dadurch, dass er spricht und dass er schreibt, kann er einen PR-Wirbel erster Güte veranstalten: Zuerst gibt's Vorabdrucke in "Spiegel" und "Bild", garniert mit provokativen Interviews. Dann wird das eigene Werk feierlich präsentiert, hochwohlgeboren im Willy-Brandt-Haus zu Berlin, mit Jean-Claude (Juncker) und den anderen lieben Freunden. Und dann folgt die dritte Phase: Die Tour, das Tingeln durch die Städte und die TV-Shows, der Versuch, die Neugier, die Spannung, den Kaufwillen möglichst lange aufrecht zu erhalten. Schröder trägt seinen Namen zu Markte, sein Buch. Dass diese Strategie bislang zieht, zeigen diverse Verkaufscharts: Bei Media-Control schoss das Buch auf Platz eins, beim "Focus" liegt es auch ganz vorn.

Ein Zustand des Sich-Satt-Gesehen-Habens

Und dennoch hat man das Gefühl, dass Schröder es mit seiner PR-Offensive - wie bei allem - übertreibt. Schon nach einer Woche tritt ein Zustand des Sich-Satt-Gesehen-Habens ein, das Gefühl, dass Schröder die Sensation seines medialen Comebacks zu schnell verbraten hat. Schon nach wenigen Tagen weiß man eigentlich alles, was er uns wissen lassen will. Von jenen Fragen, die offen sind, weiß man, dass Schröder sie vorerst auch nicht mehr beantworten wird.

Ein erster Beleg für das sich andeutende Küblböck-Problem des Ex-Kanzlers war sein Auftritt in der ARD-Talkshow "Beckmann" am Montagabend (die Aufzeichnung war schon am Sonntag). Die Sendung war lediglich ein müder Abklatsch all dessen, was schon vorab gesagt worden war. Zigmal. Zuletzt am Sonntagvormittag im Hamburger Thalia-Theater, bei einem Gespräch mit den Herausgebern der "Zeit". Sicher. Moderator Reinhold Beckmann arbeitete brav die üblichen Themen ab: Das schwarze Loch nach dem Amtsverlust? Wie hältst Du's mit Oskar? Welche Rolle spielt Doris? Wie war das noch mit dem lupenreinen Putin? Was kann Merkel? Schröder beantwortete die Fragen routiniert, erwartbar, merkwürdig hölzern. Privates, das ist spätestens sei der vergangenen Woche klar, erzählt er ohnehin kaum.

"Wir wollen doch über mein Buch reden"

Ein paar Happen warf er, ganz Profi, Beckmann natürlich hin. Dass er bisweilen einsam gewesen sei im Kanzleramt, sagte er etwa, in der kleinen Wohnung über dem Büro, als Doris und die Kinder in Hannover weilten. Eine Mini-Sensation. Mehr nicht. Selbst Schröder, so wirkte es, hatte eigentlich keine Lust mehr auf den PR-Mist - und so richtig Neues fiel ihm auch nicht mehr ein.

Dabei kann man Beckmann selbst eigentlich keinen Vorwurf machen. Jener Moderator, dessen anbiedernde Fragetechnik beim Zuschauer körperliche Schmerzen verursachen kann, arbeitete regelrecht journalistisch: Als Beckmann auf den Fall Murat Kurnaz zu sprechen kam, jenen Deutschtürken, der in Schröders Amtszeit von den Amerikanern grundlos entführt und dann über vier Jahre unschuldig in Guantanamo eingepfercht war, hakte er mehrmals nach, ob Schröder denn wirklich nichts davon gewusst habe. Er nervte Schröder mit dem Thema sogar so sehr, dass dieser ihn sanft ermahnte: "Wir wollen doch über mein Buch reden!"

Der Unterschied zwischen Schröder und Küblböck

Nein. Schröder hat noch nicht fertig. Er wird die PR-Nummer unverdrossen durchziehen. Und deshalb wird er seinen Namen auch in den kommenden Wochen und Monaten zu Markte tragen. Bei Lesungen, bei Gesprächen. Im Fernsehen. Hey, es geht ums Weihnachtsgeschäft! Die Termine haben seine Strategen gemacht, bevor die Gerd-Show begann, wenn es nichts Sensationelles mehr gibt, ist das nun in erster Linie das Problem der Moderatoren. Was, etwa, soll Sabine Christiansen Schröder am kommenden Sonntag fragen, nachdem eigentlich schon alles gefragt worden ist? Womit soll sie die Leute für ihre Show vorab begeistern? Was fängt man mit einem an, der, freilich auf hohem Niveau, unerschrocken riskiert, in die Küblböck-Falle zu laufen?

Vielleicht darf man das PR-Genie Schröder jedoch auch nicht unterschätzen. Vielleicht macht er, Christiansen und den Verkaufszahlen zuliebe, diese Woche noch einmal Furore. Mit einem Vorwurf, einer Kritik, einer Enthüllung, die dann unbedingt im Fernsehen besprochen werden muss. Denn einen Riesen-Unterschied zwischen dem Ex-Kanzler und den Küblböcks dieser Welt gibt es dann doch noch: Schröder hat unendlich viel Informationen auf Lager, mit denen er jederzeit einen Aufruhr produzieren kann. Aus der "Christiansen"-Redaktion heißt es dennoch, man wolle nicht ein weiteres Zwiegespräch führen, sondern Schröder werde es mit etwa drei Gesprächspartnern plus Moderatorin zu tun haben.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Aber, wie gesagt, vielleicht fällt Schröder bis dahin ohnehin noch etwas ein, um die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Er hat es nicht nötig, in den Dschungel zu gehen.