Nach der Enttarnung eines mutmaßlichen russischen Spions beim Bundesnachrichtendienst (BND) gibt es Sorgen wegen möglicher weiterer Agententätigkeit in Deutschland. Der Fall zeige, "wie wachsam wir sein müssen", schrieb Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) auf Twitter. Laut einem Medienbericht soll der mutmaßliche Doppelagent Zugang auch zu Geheiminformationen der Nachrichtendienste westlicher Partnerstaaten gehabt haben.
Der bisher für den deutschen Auslandsgeheimdienst tätige Carsten L. war am Mittwoch auf Anweisung der Bundesanwaltschaft wegen des dringenden Verdachts auf Landesverrat festgenommen worden. Zuvor war er offensichtlich im BND selbst enttarnt worden. Laut einem Bericht des Portals "Focus Online" soll es sich um einen leitenden Mitarbeiter der streng geheimen technischen Aufklärung des deutschen Auslandsgeheimdienstes handeln.
Verdächtiger soll auch Zugang zu geheimen NSA-Informationen gehabt haben
In dieser Funktion habe er auch Zugang zu Informationen westlicher Partnerdienste gehabt, berichtete "Focus Online" am Freitag unter Berufung auf Informationen aus Berliner Sicherheitskreisen. Demnach ist Carsten L. ein Beamter des höheren Dienstes, der offensichtlich für die Analyse sämtlicher Vorgänge und Informationen zuständig gewesen sei, die der BND durch weltweite Abhöraktionen gewonnen hat.
Zu dem Material, das L. dabei zur Verfügung stand, hätten auch die bei Lauschoperationen beschafften Erkenntnisse befreundeter Partnerdienste gehört, hieß es weiter. Dies seien unter anderem die National Security Agency (NSA) der USA und der britische Abhördienst Government Communications Headquarters (GCHQ). Im BND bestehe daher die große Sorge, dass Carsten L. auch deren Material an die Russen weitergegeben haben könnte.
Vizekanzler Robert Habeck nennt Fall "besonders bedenklich"
FDP-Vize Wolfgang Kubicki äußerte bereits vor der "Focus"-Veröffentlichung die Befürchtung, dass der Fall die Kooperation des BND mit westlichen Partnerdiensten beeinträchtigen könnte. "Wenn wirklich Informationen aus dem BND nach Russland gelangen konnten, wird das die Zusammenarbeit mit unseren Partnern enorm erschweren", sagte Kubicki dem "Handelsblatt".
Buschmann wertete allerdings die Enttarnung des mutmaßlichen Doppelagenten auch als Erfolg. "Wenn sich der Verdacht bestätigt, ist hier ein wichtiger Schlag gegen russische Spionage gelungen", schrieb er auf Twitter.
Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) stufte den Spionagefall auf Anfrage der Sender RTL und ntv als "besonders bedenklich" ein. Er lobte aber ebenfalls die deutsche Spionageabwehr: "Wir müssen unsere Interessen schützen und das machen unsere Dienste, wie man gestern gesehen hat, sehr gut."
Von einem "Weckruf" sprach mit Blick auf die Festnahme von Carsten L. im Bayerischen Rundfunk die FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann. Der Vorgang zeige, dass "wir sehr aufmerksam die Einflussnahme von Russland in Deutschland ins Auge fassen müssen", sagte der SPD-Außenpolitiker Nils Schmid dem Deutschlandfunk. "Da müssen wir sehr wachsam und entschieden vorgehen", forderte er mit Blick auf die russische Spionagetätigkeit.
"Wir müssen schneller und besser werden in der Abwehr ausländischer Spionage. Wir wissen zu wenig darüber, was ausländische Geheimdienste in Deutschland treiben", sagte der CDU-Verteidigungspolitiker Henning Otte den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Das ist ein Risiko für unsere Sicherheit". Die deutschen Sicherheitsbehörden müssten "stärker die Gefahr aus dem Ausland ins Visier nehmen".