Über die Verwendung des Milliardenüberschusses der gesetzlichen Krankenkassen zeichnet sich nach Informationen der "Frankfurter Rundschau" ein Kompromiss ab. Demnach soll die Krankenversicherung einen Teil ihres Überschusses an den Bundeshaushalt abtreten. Gleichzeitig solle der Beitragssatz für die Versicherten spätestens zum 1. Januar 2013 um 0,1 Prozentpunkte auf dann 15,4 Prozent sinken, berichtet das Blatt aus den Verhandlungen in der schwarz-gelben Koalition.
Die angestrebte Beitragssenkung um 0,1 Prozentpunkte hatte am Vortag Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) ins Spiel gebracht. Sie würde Versicherte und Arbeitgeber um insgesamt eine Milliarde Euro entlasten.
Der gesundheitspolitische Sprecher der Unions-Fraktion, Jens Spahn, bezeichnete Kauders Vorschlag angesichts der "teilweise absurden Begehrlichkeiten", die die Rücklagen geweckt hätten, als sehr guten Kompromiss. Alle Versicherten würden davon gleichermaßen profitieren. Die Beitragsreduzierung sei zugleich so moderat, dass genug Rücklagen für schlechte Zeiten blieben.
Reserve des Gesundheitsfonds wird angezapft
Den Informationen zufolge laufen die Gespräche von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) darauf hinaus, dass die Reserve des Gesundheitsfonds einmalig um rund zwei Milliarden Euro gekürzt wird. Der jährliche Steuerzuschuss des Bundes in Höhe von 14 Milliarden Euro soll zudem befristet für mindestens zwei Jahre abgesenkt werden. Der genaue Betrag sei noch unklar.
Für die Zugeständnisse an Schäuble soll der Gesundheitsminister laut "FR" mehrere 100 Millionen Euro für seine Pflegereform erhalten. Schäuble habe seinen Widerstand gegen die Forderung Bahrs aufgegeben, den Abschluss privater Pflegezusatzversicherungen auch mit direkten Zulagen zu fördern. Schäuble wollte bisher nur Steuervorteile gewähren, weil das für den Bund billiger ist. Davon hätten aber nur Gutverdiener profitiert. Bahr will jedoch mit den Zulagen vor allem Geringverdiener von einer privaten Vorsorge für den Pflegefall überzeugen.
Senkung der Praxisgebühr vom Tisch
Vom Tisch ist laut "FR" die Forderung der FDP, die hohen Reserven der Kassen auch zur Abschaffung der Praxisgebühr zu nutzen. Die Union lehnt das strikt ab, weil die Einnahmeausfälle zu groß wären. Die Gebühr war 2003 von der rot-grünen Regierung gemeinsam mit der Union ausgehandelt worden. Seit Anfang 2004 werden zehn Euro bei jedem ersten Arztbesuch im Quartal fällig sowie bei jedem Facharztbesuch ohne Überweisung. Als Hauptziel galt, das Kostenbewusstsein der Versicherten zu schärfen, damit sie nicht wegen jeder Lappalie zum Arzt gehen und Facharztbesuche mit dem Hausarzt abgestimmt werden. Diese Steuerung wird Studien zufolge aber nicht erreicht.
Die Krankenversicherung verfügt derzeit über ein Finanzpolster von fast 20 Milliarden Euro, was eine heftige Debatte über die Verwendung der Mittel ausgelöst hatte.