Parteitage von CDU, SPD und CSU sollen heute die zweite große Koalition in der Geschichte der Bundesrepublik besiegeln. Gestern waren die Spitzengremien der Parteien zu getrennten Sitzungen zusammengekommen und hatten für eine Annahme des Vertrages geworben. Für heute zeichnete sich trotz teils deutlicher Kritik eine breite Zustimmung zum Koalitionsvertrag ab.
Der SPD-Vorstand verbindet seinen Antrag für den Parteitag, den Koalitionsvertrag zu billigen, mit der Forderung, Franz Müntefering als Arbeitsminister und Vizekanzler sowie die anderen sieben designierten SPD-Minister zu unterstützen. Die Delegierten der CDU in Berlin und der CSU in München kommen jeweils nur für wenige Stunden zu kleinen Parteitagen zusammen.
Der designierte Bundesumweltminister Sigmar Gabriel rechnet trotz kritischer Stimmen mit breiter Zustimmung der SPD zum Koalitionsvertrag mit der Union. Er erwarte ein Votum von mehr als 80 Prozent auf dem SPD-Parteitag, sagte der SPD-Politiker am Montagmorgen im ARD-Morgenmagazin. Das Ergebnis der Verhandlungen sei gut und tragfähig. Trotz aller Schwierigkeiten, die es etwa mit der Rente und der Mehrwertsteuererhöhung gebe, sei klar, dass man die Probleme nur gemeinsam lösen könne.
Neue Führung bei der SPD
Das Treffen der SPD in Karlsruhe dauert bis Mittwoch. Unter anderem wollen die Sozialdemokraten am Dienstag ihre Führungsspitze neu wählen. Als Nachfolger Münteferings soll der brandenburgische Ministerpräsident Matthias Platzeck neuer SPD-Vorsitzender werden. Die Annahme des Koalitionsvertrages durch die Parteitage ist der letzte, förmliche Schritt auf dem Weg zur großen Koalition. Knapp acht Wochen nach der vorgezogenen Bundestagswahl hatten sich Union und SPD am Freitag auf das Papier geeinigt. Es ist mit dem Titel ««Gemeinsam für Deutschland - mit Mut und Menschlichkeit» überschrieben.
Kritik und Lob an Koalitionsvertrag
Nach viel Kritik an diesem Programm aus der Wirtschaft und der künftigen Opposition kamen lobende Worte aus der Bauindustrie. Der Hauptgeschäftsführer ihres Verbandes, Michael Knipper, sagte der "Berliner Zeitung": "Es ist eindeutig ein positives Signal, dass die große Koalition die öffentlichen Investitionen stabilisieren will, und zwar nachhaltig, also über einen längeren Zeitraum." Davon könne sich die Branche eine Stabilisierung der Auftragslage erhoffen.
Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Klaus Zimmermann, hält das Programm der großen Koalition für akzeptabel. "Es ist ein guter Beginn eines langen Weges, den Deutschland beschreiten muss, um wieder zu deutlich mehr Wachstum und Beschäftigung zu kommen. Es wird sicherlich zehn Jahre und mehr dauern, bevor Deutschland wieder Spitze in Europa ist." Als mutig dürfe man durchaus die vereinbarte Erhöhung des Rentenalters bezeichnen, sagte Zimmermann der Zeitung.