In der Causa Hans-Georg Maaßen dürfte noch lange nicht das letzte Wort gesprochen sein – obwohl die Versetzung des Verfassungsschutzpräsidenten ja eigentlich einen Schlussstrich unter die Affäre setzten sollte, die sich zur Krise der Großen Koalition ausgeweitet hatte. Schon kurz nachdem die Ablösung und gleichzeitige Beförderung des Verfassungsschutz-Chefs ausgehandelt war, brandete in der SPD Kritik daran auf.
Der 55-jährige Spitzenbeamte, der wegen seiner Äußerungen über rechtsradikale Ausschreitungen in Chemnitz in die Kritik geraten war, muss das Amt des Verfassungsschutz-Chefs abgeben und wechselt – bei deutlich höherem Gehalt - als Staatssekretär ins Bundesinnenministerium. Dieser Deal war von den Chefs der Koalitionsparteien - Kanzlerin Angela Merkel (CDU), Innenminister Horst Seehofer(CSU) und Andrea Nahles (SPD) gemeinsam vereinbart worden. Doch Nahles kommen nun wohl auch Zweifel an dem Kompromiss – denn die Kritiker aus ihrer Partei geben sich wenig zimperlich.
Ralf Stegner sieht wegen Hans-Georg Maaßen seinen Geduldsfaden reißen
Allen voran Nahles‘ Stellvertreter Ralf Stegner. Er bezeichnete am Dienstagabend gegenüber der Deutschen Presse-Agentur Maaßens Versetzung als "Desaster" und "grobe Fehleinschätzung" und ergänzte: "Das Duo Seehofer/Maaßen an der Spitze des Bundesinnenministeriums, zwei Leute, die jede Orientierung verloren haben". Das sei "eine richtige Katastrophe", wetterte Stegner. "Den Teil, den die SPD beeinflussen konnte, hat sie mit Erfolg geschafft: Herr Maaßen ist nicht mehr Präsident des Verfassungsschutzes, er war dort zu einem Problem für die Demokratie geworden", so Nahles' Stellvertreter. "Für die Personalfragen in den Ministerien sind die Parteien zuständig, hier wird nun aber der Bock zum Gärtner gemacht." Die Rochade ist für Maaßen sogar eine Beförderung. Stegners Fazit: "Der Geduldsfaden mit dieser großen Koalition wird in der SPD extrem dünn".
SPD forderte Maaßens Ansetzung - und nun wird er befördert
Der Ärger aus der SPD ist insoweit verständlich, als dass die Sozialdemokraten seit Wochen auf die Ablösung Maaßens gedrungen hatten. Er hatte Kanzlerin Merkel in der Debatte, ob es ausländerfeindliche "Hetzjagden" in Chemnitz gab, widersprochen.
Auch SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil kritisierte die Wegbeförderung Maaßens. "Ein SPD-Bundesinnenminister hätte Herrn Maaßen nicht in sein Ministerium geholt", sagte Klingbeil am Dienstagabend im ZDF-"Heute-Journal". In den ARD-"Tagesthemen" räumte der SPD-Spitzenpolitiker ein, dass die Situation in der Koalition angespannt sei, betonte aber gleichzeitig: "Wegen eines solchen Streites verlässt man nicht die Regierung".
Juso-Chef Kühnert spricht von einem "Schlag ins Gesicht"
Juso-Chef Kevin Kühnert wurde deutlicher und bezeichnete die Beförderung Maaßens als einen "Schlag ins Gesicht". "Ein Verfassungsschutzpräsident, der rechte Verschwörungstheorien verbreitet und verteidigt, ist offensichtlich ungeeignet für ein öffentliches Amt und gehört daher in den Ruhestand versetzt", sagte der Vorsitzende der SPD-Nachwuchsorganisation der "Rheinischen Post". Stattdessen sei Maaßen nun sogar befördert und in die Regierung berufen worden. "Das ist ein Schlag ins Gesicht all derer, die jeden Tag in voller Konsequenz Verantwortung für sich und ihr Handeln tragen."
Wie viel Autorität besitzt Kanzlerin Angela Merkel noch?
Der Sprecher des konservativen Seeheimer Kreises in der SPD, Johannes Kahrs, machte Merkel direkt für den Wechsel Maaßens ins Innenministerium verantwortlich. "Das Umsetzen von Herrn Maaßen hat die Bundeskanzlerin zu verantworten", sagte er dem "Handelsblatt". "Die SPD hätte sich andere Lösungen vorstellen können."
Ex-SPD-Chef Sigmar Gabriel nannte den Koalitionskompromiss zum Wechsel Maaßens "irre" und meinte: "Wenn Illoyalität und Unfähigkeit im Amt jetzt mit Karrieresprüngen belohnt wird, dann hat Horst Seehofer die Chance, noch UN-Generalsekretär zu werden", sagte Gabriel am Dienstagabend in Berlin bei der Vorstellung seines neuen Buchs "Zeitenwende in der Weltpolitik".
Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil sieht die Autorität von Kanzlerin Merkel schwer beschädigt. "Die Autorität der Kanzlerin hat durch die Konflikte mit der CSU-Spitze erheblichen Schaden genommen", sagte der SPD-Politiker der "Rheinischen Post". Bestimmte Dinge dürfe sich eine Kanzlerin nicht bieten lassen.
Wut-Statement macht die Runde in den Medien
Der SPD-Bundestagsabgeordnete Florian Post machte am Mittwoch mit einem deutlichen Statement gegenüber einem "Spiegel"-Redakteur die Runde in den Medien: "Die so genannte Einigung im Fall Maaßen ist ein Witz – besser noch ein Schmierentheater und wir machen da auch noch mit! Entweder ist der Mann für ein Spitzenamt geeignet oder eben nicht."
Vor allem diese Worte wurden auch in den sozialen Medien als Indiz dafür gesehen, dass es in der SPD-Basis angesichts der Causa Maaßen kräftig gärt. Am Tag nach dem Maaßen-Kompromiss ist dies eine ganz schlechte Nachricht für SPD-Chefin Andrea Nahles.