Die hessische SPD hat Parteichefin Andrea Ypsilanti das Vertrauen ausgesprochen. Einen entsprechenden Beschluss fassten Landesvorstand, Parteirat und Landtagsfraktion bei einer Sitzung in Frankfurt am Main. Nach dem Scheitern des Projekts einer rot-grünen Minderheitsregierung mit Hilfe der Linkspartei berieten die Gremien über einen Ausweg aus der Krise. "Meine Partei kann mit schwierigen Situationen umgehen", sagte Ypsilanti vor Beginn der Beratungen. Der Beschluss erging einstimmig. Auch die Darmstädter Landtagsabgeordnete Dagmar Metzger stimmte für die Parteichefin. Metzger hatte die Krise ausgelöst, weil sie Ypsilanti bei der Wahl zur Ministerpräsidentin die Stimme verweigert hätte, wenn sie dabei auf die Stimmen der Linken gesetzt hätte. Ypsilanti sagte nach den Beratungen, die Partei wolle versuchen, die im Wahlkampf vertretenen Projekte im Landtag so weit wie möglich umzusetzen. Alle Beschlüsse seien im Einvernehmen mit der Bundespartei gefasst worden. Die Entscheidung und damit auch die Verantwortung liege aber bei der hessischen SPD.
Führende SPD-Politiker haben Parteichef Kurt Beck gegen Kritik verteidigt und der Landesvorsitzenden Andrea Ypsilanti die Schuld für das Debakel in Hessen zugeschoben. Bundestagsfraktionschef Peter Struck sagte: "Die Entscheidung Andrea Ypsilantis für eine Tolerierung durch die Linke haben weder Kurt Beck, seine Stellvertreter Frank-Walter Steinmeier und Peer Steinbrück noch ich begrüßt. Diese Entscheidung war kontraproduktiv zu dem, was wir in Bezug auf die Linken auf der Bundesebene planen." Auch der konservative "Seeheimer Kreis" stellte sich hinter Beck. Das pragmatisch orientierte SPD-"Netzwerk" forderte von ihm aber einen klaren Kurs gegen die Partei Die Linke. Struck warf Ypsilanti vor, mit ihrem Streben nach einer von der Linken tolerierten rot-grünen Minderheitsregierung gegen den ausdrücklichen Rat der SPD-Führung in Berlin gehandelt zu haben. Es sei daher falsch, Beck eine Mitschuld anzulasten. "Jeder Parteivorsitzende muss akzeptieren, dass sich die Landesverbände anders entscheiden, als er es sich wünscht", erklärte er in der "Welt am Sonntag". Auch "Seeheimer"-Sprecher Klaas Hübner sagte dem Magazin "Focus": "Die gesamte Verantwortung liegt bei der hessischen SPD."
Roth als Ministerpräsidentin im Gespräch
Bei der schwierigen Regierungsbildung in Hessen ist nach stern.de-Informationen Frankfurts Oberbürgermeisterin Petra Roth (CDU) als mögliche Ministerpräsidentin ins Gespräch gekommen. Dem Vernehmen nach gibt es Bemühungen um ein Bündnis von CDU, FDP und Grünen (Jamaika-Koalition), das von Roth geführt werden könnte. Ein Sprecher der CDU-Politikerin sagte der Deutschen Presse-Agentur DPA in Frankfurt: "Frau Roth verfügt über die nötigen Qualifikationen, um eine solche Zusammenführung zu begleiten. Sie kann in der Lage sein, eine Jamaika-Koalition herbeizuführen." In Kreisen der Landes-CDU sprach man dagegen von Unfug.
Kurt Beck hatte vor rund zwei Wochen bei einem vertraulichen Treffen mit Journalisten die Möglichkeit einer Links-Kooperation in Hessen angedeutet. Parteivorstand und Parteirat in Berlin hatten dann ausdrücklich beschlossen, dass die Landesverbände freie Hand haben. Danach hatte Ypsilanti ihr Vorhaben öffentlich gemacht. Der SPD- Innenexperte Sebastian Edathy sagte der "Tageszeitung": "Einen solchen erkennbaren Mangel an Professionalität sollte man sich kein zweites Mal leisten."
"Beck hat einen Fehler gemacht"
Der Co-Sprecher des "Seeheimer Kreises", Johannes Kahrs, räumte in der "Bild"-Zeitung ein: "Beck hat einen Fehler gemacht - aber Fehler machen wir alle. ... Ich stehe hinter ihm." Sein Kollege Hübner sagte: "Kurt Beck bleibt Parteivorsitzender." Kahrs und Hübner hatten zu den schärfsten Kritikern von Becks Öffnungskurs gehört. SPD-Generalsekretär Hubertus Heil bezeichnete Beck im ZDF-"heute journal" als "starken Parteivorsitzenden", der die SPD auch ins Wahljahr 2009 führen werde. Auf die Frage der Kanzlerkandidatur ging er nicht ein. Anders als die SPD-Politiker sieht der Chef des Meinungsforschungsinstituts Forsa, Manfred Güllner, Beck durch den gescheiterten Linkskurs "extrem beschädigt", wie er der "Passauer Neuen Presse" sagte.

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Zugleich deutete sich an, dass die SPD nach dem Debakel in Hessen nun auf eine stärkere Auseinandersetzung mit den Linken setzen könnte. Struck schloss eine Zusammenarbeit auf Bundesebene aus: "Wenn die Linke nicht von ihrer ruinösen Finanzpolitik ablässt, und wenn sie ihre außenpolitischen Vorstellungen nicht ändert, dann ist eine Zusammenarbeit generell ausgeschlossen." Der Parlamentarische Geschäftsführer und Sprecher der "Netzwerker", Christian Lange, forderte im Deutschlandradio, den inhaltlichen Kampf mit den Linken aufzunehmen. "Das traue ich Kurt Beck zu, und deshalb glaube ich, dass er am Montag auch damit starten wird."
Der SPD-Chef will dann nach zweiwöchiger Erkrankung auf die politische Bühne zurückkehren und sich auch den Medien stellen. Der Bundestagsabgeordnete Gunter Weißgerber schrieb im "Focus": "Wer von 'linken Mehrheiten' träumt, der richtet sich im 30- Prozent-Turm ein und verzichtet auf sozialdemokratische Meinungsführerschaft." Der Wirtschaftsexperte der Fraktion, Rainer Wend, sagte der "B.Z. am Sonntag": "Die SPD will auch in Zukunft Wahlen gewinnen, und das geht nur in der Mitte."
"Man sollte nichts ausschließen"
Dagegen pocht der linke SPD-Flügel auf die Beschlüsse von Parteirat und Vorstand zur prinzipiell möglichen Öffnung auch zur Partei Die Linke. Der Sprecher des "Forums Demokratische Linke", Björn Böhning, kritisierte in der "Bild am Sonntag", die Parteikonservativen seien "nicht in der Lage, über den eigenen Schatten zu springen und unseren gemeinsam beschlossenen Kurs zu verteidigen". Die Vorsitzende der Jungsozialisten, Franziska Drohsel, sagte im Berliner "Tagesspiegel" mit Blick auf die Bundestagswahl 2009 und mögliche Bündnisse mit der Linken: "Man sollte jetzt nichts ausschließen."