Irak-Krise Merkel macht Bundesregierung "madig"

CDU-Chefin Merkel hat in einer amerikanischen Zeitung schwere Vorwürfe gegen die Irak-Politik der deutschen Bundesregierung erhoben: "Schröder spricht nicht für alle Deutschen." SPD-Generalsekretär warf ihr vor, Schröder im Ausland "madig" zu machen.

CDU-Chefin Angela Merkel hat ihre scharfe Kritik an der Irak-Politik der Bundesregierung vor einem ausländischen Leserpublikum erneuert. In einem Namensartikel für die US-Zeitung "Washington Post" schrieb sie am Donnerstag, die EU-Einigung vom Wochenanfang habe die Bundesregierung zu einem Kurswechsel gezwungen, den die Opposition begrüße. Die Grünen reagierten empört, die SPD antwortete mit heftigen Angriffen auf Merkel, weil sie ihren bevorstehenden USA-Aufenthalt missbrauche, um der Bundesregierung in den Rücken zu fallen.

Merkel schrieb, die Opposition erwarte, dass sich die Bundesregierung im UN-Sicherheitsrat entsprechend dem EU-Beschluss verhalte, in dem Gewalt als letztes Mittel nicht ausgeschlossen wird. Sie setzte hinzu: "Zweifel daran allerdings sind angebracht."

Merkel: Bundesregierung schwächt "Drohkulisse"

Mit dem Beschluss wurde laut Merkel deutlich, dass die von Irak ausgehende Gefahr nicht fiktiv, sondern real sei. Außerdem solle Europa nicht gegen, sondern mit den Vereinigten Staaten für die Aufrechterhaltung des internationalen Drucks auf Staatschef Saddam Hussein sorgen. Gewalt als letztes Mittel dürfe nicht ausgeschlossen oder, "wie von der Bundesregierung geschehen, in Frage gestellt werden". Dies schwäche die Drohkulisse, was "im Ergebnis einen Krieg nicht unwahrscheinlicher, sondern wahrscheinlicher" mache.

Merkel setzte hinzu, Deutschland brauche die Freundschaft mit Frankreich. Zum Segen werde sie "auch in Zukunft nur gemeinsam mit unseren alten und neuen europäischen Partnern und innerhalb der transatlantischen Gemeinschaft mit den USA".

Kritik an Merkels Verhalten

SPD-Generalsekretär Olaf Scholz erklärte, Merkel verstoße gegen die demokratische Grundregel, im Ausland die eigene Regierung "nicht madig zu machen". Merkel falle der Bundesregierung und "hunderttausenden von Friedens-Demonstranten in den Rücken". Sie brüskiere zudem 80 Prozent der Deutschen, die die Irak-Politik von Bundeskanzler Gerhard Schröder unterstützten.

SPD-Fraktionschef Franz Müntefering erklärte, Merkel bereite ihre US-Reise "mit einer Diffamierung der eigenen Regierung und mit einem Bückling gegenüber der US-Administration vor". Merkel hätte auch sagen sollen, dass Deutschland nicht alleine sei mit seiner Politik, erklärte Müntefering. Merkel und die CDU/CSU seien "ohne Rückgrat in der Irak-Frage". Sie lavierten und hätten als Kompass nicht die Interessen Deutschlands.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

Das Wichtigste aus der Bundespolitik auf einen Blick

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Der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Friedbert Pflüger nannte Münteferings Vorwürfe ungehörig. Er sagte im "Kölner Stadt-Anzeiger": "Es ist wichtig, dass wir uns nicht transatlantisch beschimpfen."

Der parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Volker Beck, nannte den Artikel Merkels eine "beispiellose Peinlichkeit". Er sei auch Ausdruck einer "liebedienerischen Haltung". Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt nannte den Artikel geschmacklos. Merkel sollte sich besser im Griff haben.

Gespräche mit Cheney, Rumdsfeld und Rice

Merkel reist am Montag und Dienstag nach Washington. Sie wird laut Programm im Weißen Haus von Vizepräsident Dick Cheney empfangen und führt Gespräche unter anderen mit US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld und der Sicherheitsberaterin von US-Präsident George W. Bush, Condoleezza Rice sowie mit dem ehemaligen Sicherheitsberater Zbigniew Brzezinski.