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Vermögen der Bundesminister Der Europarat will mehr Transparenz beim Vermögen deutscher Minister – Jens Spahn offenbar weniger

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn
Das Abgeordnetenbüro von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) ließ die Anfrage des stern unbeantwortet.
© Michael Kappeler / DPA
Während ein Evaluierungsteam des Europarats jüngst verlangte, dass deutsche Regierungsmitglieder regelmäßig ihre Vermögenslage offenlegen müssen, engagiert sich Gesundheitsminister Jens Spahn in die Gegenrichtung. Seine Anwälte wollen, dass die Einsichtsrechte von Journalisten in die Akten der Grundbuchämter eingeschränkt werden.

Im Dezember bekam die Bundesregierung eine förmliche Rüge aus Straßburg – in Form eines Berichts eines Gremiums des Europarats, der in der französischen Stadt seinen Sitz hat. Ein Evaluierungsteam der europäischen Staatengruppe gegen die Korruption (Groupe d'Etats contre la corruption – Greco), der auch Deutschland angehört, bemängelte die geringe "Transparenz" rund um die deutsche Regierung. 

Die Prüfer beklagten zu wenig Offenheit "bezüglich der finanziellen Interessen und Beteiligungen an Unternehmen" der Bundesminister. Die Transparenzpflichten, so der offizielle Bericht, müssten hier  "erheblich verbessert werden", etwa "um mögliche Interessenkonflikte aufzudecken". Die Mitglieder der Bundesregierung sollten daher verpflichtet werden, "in regelmäßigen Abständen" eine Erklärung über ihre Vermögenswerte und finanziellen Interessen zu veröffentlichen.

Bis Ende April 2022 hat die Bundesregierung jetzt Zeit, dem Europarat zu berichten, wie sie die Empfehlungen umgesetzt hat. Aber jetzt schon lässt der vielleicht bekannteste unter den deutschen Ministern seinen Anwalt in aller Stille in die entgegengesetzte Richtung agieren.

Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will die Transparenz über seine Vermögenswerte nicht vergrößern, sondern einschränken. Er stieß sich offenkundig daran, dass im vergangenen Jahr mehrere Medien – auch der stern – über den erstaunlich ausgedehnten Immobilienbesitz des 40 Jahre alten Politikers berichtet hatten.

Spahn gehört erstens eine 171 Quadratmeter große Wohnung in Berlin-Schöneberg, die er 2015 für einen hohen sechsstelligen Betrag gekauft hatte und in der heute FDP-Chef Christian Lindner als Mieter wohnt. Im August 2017 erwarb der Gesundheitsminister zusammen mit seinem Mann zweitens eine weitere Wohnung im gleichen Stadtbezirk mit 194 Quadratmeter Wohnfläche, für einen sehr hohen sechsstelligen Betrag. Der Verkäufer war der Spahn schon länger persönlich bekannte Pharmamanager Markus Guilherme Leyck Dieken, der dann unter der Ägide des CDU-Politikers im Jahr 2019 zum Chef der vom Gesundheitsministerium kontrollierten Gematik GmbH ernannt wurde. Drittens kauften Spahn und sein Ehemann im Juli 2020 eine denkmalgeschützte Villa mit 300 Quadratmetern im Berliner Nobelviertel Dahlem. Zwei Drittel des mehrere Millionen Euro teuren Anwesens gehören jetzt Spahn, sein Mann übernahm ein Drittel.

Jens Spahn versuchte, gegen Berichte mit zu vielen Details vorzugehen

Viele Menschen wunderten sich, wie ein Minister mit 285.000 Euro Jahresgehalt in solch kurzer Zeit genug Eigenkapital für all diese Erwerbungen aufbringen konnte. Der Minister selbst verwies zur Erklärung auf den Wertzuwachs von Immobilien im Berliner Raum ganz allgemein, von dem er profitiert habe – und vor allem versuchte er, gegen Berichte mit allzu vielen Details vor Gericht vorzugehen.

Vermögen der Bundesminister: Der Europarat will mehr Transparenz beim Vermögen deutscher Minister – Jens Spahn offenbar weniger

Spahns Anwälte sprachen sogar davon, dass Informationen über die Immobilienkäufe des Ministers rechtswidrig "durchgestochen" worden seien – eine Ansicht, die dann im Oktober 2020 auch das Landgericht Hamburg übernahm. Was Spahns Rechtsvertreter womöglich übersahen: Journalisten sind hier nicht auf Durchstechereien angewiesen. Sie haben selbst im Fall einer reinen "Vermutung" von möglichen Unregelmäßigkeiten das Recht auf Einsicht in das Grundbuch. Das hatte das Bundesverfassungsgericht bereits im August 2000 entschieden. Der Bundesgerichtshof (BGH) bekräftigte diese Rechtsprechung im Jahr 2011.

Anwälte des Ministers wollten Kopien von Presseanfragen beim Grundbuchamt

Unterlagen, die dem Berliner "Tagesspiegel" und dem stern vorliegen, zeigen jetzt, dass Spahns Anwälte mit dieser Rechtslage offenbar fremdeln. Mindestens seit November 2020 hatten sich Rechtsvertreter des CDU-Politikers wiederholt an das für alle drei Spahn-Immobilien zuständige Grundbuchamt Berlin-Schöneberg gewandt, um sich über mögliche Presseanfragen zu informieren. Im November 2020 erkundigte sich ein Spahn-Advokat so sowohl nach der Rechtsgrundlage für Einsichtnahmen der Presse. Der Jurist erbat überdies Kopien aller einzelnen Anfragen von "Pressevertretern/Journalisten".

Auch der stern hatte wegen Hinweisen auf das Immobiliengeschäft mit dem Pharmamanager Leyck Dieken seit Mai 2020 wiederholt Einsicht in die Akten des Grundbuchamts beantragt und erhalten; auch diese Anträge landeten jetzt also in Kopie bei dem Spahn-Anwalt.

Einen Erfolg erzielten die Rechtsvertreter des Ministers überdies vor dem Landgericht Hamburg. Das hatte im Oktober 2020 in einem Verfahren gegen den "Tagesspiegel" untersagt, den konkreten Kaufpreis der Villa in Dahlem zu nennen. Das verstoße gegen Persönlichkeitsrechte des Ministers, wenngleich dieser selbst mit der Aussage "Hartz IV bedeutet keine Armut" den Blick der Öffentlichkeit auf seine Vermögensverhältnisse gelenkt habe.

Das Gericht hatte Spahn dabei zugutegehalten, dass die Informationen über den Kaufpreis "ohne Einverständnis" des Ministers und seines Mannes an die Presse gelangt seien.

Spahns Anwalt wirft dem Grundbuch zu viel Offenheit vor

Tatsächlich hatte das Bundesverfassungsgericht aber bereits in seinem einschlägigen Urteil von August 2000 entschieden, dass die Grundbuchämter die Besitzer ausdrücklich nicht über Presseanfragen informieren sollten – jedenfalls nicht, bevor die Pressevertreter Einblick genommen hätten. Denn "müsste das Grundbuchamt den Adressaten des Verdachts von ihren Recherchen informieren, könnte der Rechercheerfolg nachhaltig gefährdet werden", da der Immobilieneigentümer zu Gegenmaßnahmen wie der "Vernichtung von Beweismitteln" greifen könnte, so das Gericht.

Auch das Grundbuchamt Schöneberg wies schon im November 2020 Kritik an seiner Einsichtspraxis zurück. Das Amt verwies einen Rechtsvertreter des Minister auf die Gerichtsurteile der Verfassungsrichter und des BGH. Spahns Anwalt Christian-Oliver Moser spricht jetzt trotzdem weiter davon, dass das Grundbuchamt möglicherweise Recht gebrochen habe. Nach seiner bisherigen Kenntnis sei "die Einsichtnahme durch Dritte in das Grundbuch auf Grundlage einer rechtswidrigen Handlung des Grundbuchamtes erfolgt", schrieb er auf eine Anfrage des stern. Eine "möglicherweise rechtswidrige Behördenhandlung" könne "von jedem betroffenen Bürger überprüft werden", argumentierte Moser: "Dies tun wir im Auftrag unserer Mandanten." Der Anwalt berief sich auch auf die 2018 in Kraft getretene EU-Datenschutzgrundverordnung, die es offenbar aus seiner Sicht erlaubt, die Einsichtsrechte der Presse stärker als bisher praktiziert einzuschränken.

Der Anwalt rechtfertigte auch die Nachforschungen im Auftrag des Ministers. Der nutze hier ein Recht, "welches in Deutschland jeder Privatperson" zusteht: "Nämlich zu erfahren, welche Dritte mit welcher Begründung in das Grundbuch ihrer Immobilie Einsicht genommen haben."

Die Grünen-Abgeordnete und Transparenz-Expertin Lisa Paus kritisierte jetzt Spahns Vorgehen. "Um möglichen Interessenkonflikten vorzubeugen, sollten unter anderem Verantwortliche der Regierung signifikante Vermögenswerte offenlegen – das hat der Anti-Korruptionsbericht der Greco jüngst noch einmal empfohlen", sagte sie. Spahn sollte darum "von sich aus hier für Transparenz sorgen und so offene Fragen zerstreuen", riet Paus.

Teilt Spahn die Auffassung seines Anwalts, dass die bisherigen höchstrichterlich garantierten Transparenzrechte der Presse bei der Einsicht in Akten im Grundbuch heute nicht mehr so gelten sollten wie bisher? Und wie steht er zu den Forderungen aus dem Europarat, die Offenlegungspflichten für Minister zu erweitern? Der stern hatte dazu Fragen an das Abgeordnetenbüro des Ministers geschickt, da es sich um keine Fragen der Gesundheitspolitik handelt. Das Büro ließ die Anfrage unbeantwortet.

wue

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