Unterstützung der Ukraine Luftwaffen-Kampfjets soll es für die Ukraine nicht geben – warum sich die Regierung trotzdem mit Lieferungen beschäftigen muss

Polnische MiG-29-Kampfjets Werden sie an die Ukraine geliefert?
Polnische MiG-29-Kampfjets. Polen besitzt 22 Exemplare aus alten NVA-Beständen und wenige weitere. Werden sie an die Ukraine geliefert? Die Debatte läuft.
© Radoslaw Jozwiak / AFP
Die Diskussion über Kampfjet-Lieferung an die Ukraine ist in voller Fahrt. Auch wenn Bundeskanzler Olaf Scholz das Thema beiseite schieben möchte, könnte es schon bald auf dem Kabinettstisch liegen.

Nach den Kampfpanzern jetzt Kampfjets für die Ukraine? Die Debatte über eine weitreichendere Unterstützung des von Russland überfallenen Landes geht in die nächste Runde.

Doch in Berlin gibt man sich entspannt, zumindest vordergründig. Denn Deutschland könne überhaupt der Ukraine keine eigenen Kampfjets zur Verfügung stellen, ist zu hören. Über insgesamt 231 Kampfjets verfügt die Bundeswehr, davon 93 des Typs Tornado und 138 Eurofighter, dem "Rückgrat der deutschen Kampfflugzeugflotte". Beide Modelle stehen auf dem Wunschzettel der Ukraine, werden aber nach Lage der Dinge (vorerst) nicht dort landen.

Keine Tornados und Eurofighter für die Ukraine

Schon jetzt ist die Einsatzbereitschaft der deutschen Kampfjets extrem niedrig und die Bundeswehr nur mit Mühe und Not dazu in der Lage, mit ihnen ihre Aufgaben durchzuführen, zum Beispiel die Überwachung der Nato-Ostflanke. Und vor allem die Tornados gelten als alt und reparaturanfällig. Kurzformel: Die deutschen Kampfjets, die überhaupt noch fliegen, braucht die Bundeswehr selbst.

Hinzu käme: Die Ausbildung ukrainischer Piloten auf den Maschinen würde viel Zeit in Anspruch nehmen. Die Wartung und Reparatur von Tornados und Eurofightern müsste womöglich mit deutschem Personal auf ukrainischem Boden über die Bühne gehen. Es spricht wenig für die Lieferung deutscher Kampfjets an die Ukraine

Der Wunschzettel der Ukraine umfasst zwar noch andere "westliche Kampfjets wie F-16 und F35", wie Vizeaußenminister Andrij Melnyk kürzlich bei Twitter schrieb, doch auch die wird das Land (vorerst) nicht bekommen. Unter anderem erteilte US-Präsident Joe Biden diesen Forderungen der Ukraine zuletzt eine Absage, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ebenso.

Und trotzdem kann sich die Bundesregierung nicht auf die bequeme Position zurückziehen, dass sie mit der Debatte über die Unterstützung der Ukraine mit Flugzeugen nichts zu tun hätte – im Gegenteil. 
Denn vor allem aus Polen werden Rufe laut, der Ukraine Kampfjets vom Typ MiG-29 zu liefern.

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Der Vorteil für die ukrainische Armee wäre, dass ihre Piloten dieses Modell ohnehin fliegen und somit eine aufwendige Ausbildung entfallen würde. Zudem könnte die Ersatzteilversorgung durch das Ausschlachten älterer Maschinen und durch andere frühere Ostblockstaaten, die ebenfalls MiG-29 in ihren Beständen haben, gesichert werden.

Polnische MiG-29-Kampfjets als Option?

Entwickelt wurde des Modell in den 1970er Jahren in der Sowjetunion. In den 1980er Jahren wurden die Rote Armee und die Luftstreitkräfte etlicher Warschauer-Pakt-Staaten mit dem Kampfjet ausgestattet, mehr als 1500 Exemplare verließen das Werk der Mikojan-Gurewitsch-Flugzeugbaugesellschaft. 24 von ihnen stellte die Nationale Volksarmee (NVA) der DDR in Dienst.

Nach der Auflösung der NVA infolge der Wiedervereinigung 1990 gelangten die Maschinen in den Bestand der Bundeswehr. 2003 verkaufte die Bundeswehr 22 von ihnen zum symbolischen Preis von einem Euro an das seinerzeit neue Nato-Mitglied Polen, wo die Maschinen bis heute zum Arsenal der Luftstreitkräfte gehören. Die Regierung in Warschau erwägt, MiG-29 aus früheren NVA-Beständen an das überfallene Nachbarland zu liefern – und an dieser Stelle käme wieder Berlin ins Spiel.

Wie bei den ans Ausland verkauften Leopard-2-Panzern aus deutscher Produktion müsste auch im Fall der MiG-29 deutscher Herkunft die Bundesregierung ihr Okay zu einer Weitergabe an ein Drittland geben, sollte Polen einen entsprechenden Antrag stellen. Das ist – soweit bekannt – noch nicht passiert. Ohnehin sagte Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki im französischen Fernsehen jüngst, die Lieferung von Kampfflugzeugen könne nur die Nato als Ganzes treffen. Die Erfahrung des seit fast einem Jahr andauernden russischen Angriffskriegs zeigt: Die Bundesregierung sollte zu dieser Frage bald eine Haltung entwickeln; die Debatte über Kampfjets für die Ukraine läuft bereits.

Quellen: Bundeswehr (1), Bundeswehr (2), Andrij Melnyk bei Twitter, Nachrichtenagenturen DPA und AFP.

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