In seiner ersten Regierungserklärung als Bundeskanzler hat Olaf Scholz die Leitlinien und Vorhaben seiner Amtsperiode beschrieben. Dabei stimmte er die Bürgerinnen und Bürger auf den größten Umbruch von Wirtschaft und Produktion seit 100 Jahren ein. "Hinter uns liegen 250 Jahre, in denen unser Wohlstand auf dem Verbrennen von Kohle, Öl und Gas gründete. Jetzt liegen vor uns etwa 23 Jahre, in denen wir aus den fossilen Brennstoffen aussteigen müssen und aussteigen werden", sagte der SPD-Politiker am Mittwoch im Bundestag. Bis 2045 müsse Deutschland klimaneutral sein. Die Regierung sei dem Pariser Klimaabkommen verpflichtet und werde zu seinem Erfolg beitragen. "Damit liegt vor uns die größte Transformation unserer Industrie und Ökonomie seit mindestens 100 Jahren."
Scholz kündigt Jahrzehnt der Zukunftsinvestitionen an
Die neue Regierung aus SPD, Grünen und FDP sei eine Regierung des sozialen, gesellschaftlichen und kulturellen Fortschritts, erklärte Scholz. Zudem sei sie "eine Regierung des technischen Fortschritts, weil wir nur mit technischem Fortschritt klimaneutral werden können und weil Deutschland und Europa nur so mithalten können im globalen Wettbewerb." Veränderung falle schwer, sagte der Kanzler. So sei "Made in Germany" immer ein Gütesiegel gewesen. Die Versuchung sei groß, bislang Erfolgreiches immer weiterzumachen. Doch neue Wege müssten eingeschlagen werden und das werde die Ampel-Koalition auf allen Ebenen konsequent tun.
Dazu kündigte Scholz ein Jahrzehnt der Zukunftsinvestitionen an. "Es geht darum, die Fundamente für ein neues technologisches Zeitalter zu legen", sagte er. Konkret kündigte er etwa milliardenschwere Investitionen in neue Wohnungen, Schienenwege, Ladesäulen, Offshore-Windparks, Photovoltaik-Anlagen und Stromnetze an, sowie "eine moderne Verwaltung, die Wandel vorantreibt, statt ihn zu verzögern."
Der Großteil der Investitionen solle privatwirtschaftlich erbracht werden, die Regierung werde aber dafür sorgen, "dass die Rahmenbedingungen stimmen", erklärte Scholz und nannte etwa Steuererleichterungen für Firmen, die in Klimaschutz und Digitalisierung investieren. Er machte aber auch klar: "Nicht alles, was wünschenswert ist, wird sofort machbar sein.
Scholz erläuterte die zentralen Punkte des Koalitionsvertrags der vor einer Woche ins Amt gekommenen Ampel-Koalition. Er versprach unter anderem, mehr und günstigen Wohnraum in Deutschland zu schaffen, den Mindestlohn auf zwölf Euro zu erhöhen und eine Verkehrswende mit einem Ausbau des Schienenverkehrs auf den Weg zu bringen. "Wir werden in den kommenden Jahren dafür sorgen, dass Mobilität einfacher, komfortabler und klimafreundlicher wird und dabei für alle bezahlbar bleibt."
"Wir werden den Kampf gegen die Corona-Pandemie gewinnen"
Mit Blick auf die Corona-Pandemie versprach Scholz: "Wir werden alles tun, was notwendig ist, es gibt da für die Bundesregierung keine roten Linien." Die Regierung werde jeden nur möglichen Hebel bewegen, "bis wir alle unser früheres Leben und alle unsere Freiheiten zurückbekommen haben". Der Kanzler rief dabei erneut alle Bürger auf, sich impfen zu lassen. Dies sei das Wichtigste. Jeder Erwachsene könnte bereits zweimal geimpft sein und alle besonders Gefährdeten könnten bereits eine Auffrischungsimpfung erhalten haben. "Dann hätten wir die Pandemie jetzt im Griff."
Der Kanzler machte den Menschen in Deutschland Mut, dass die Krise überwunden werden könne: "Ja, es wird wieder besser, ja, wir werden den Kampf gegen diese Pandemie mit der größten Entschlossenheit führen, und ja, wir werden diesen Kampf gewinnen."
Scholz dankte den Bürgerinnen und Bürgern, die mit ihrer Vorsicht und Rücksichtnahme den Zusammenhalt der Gesellschaft ermöglichten. An ihrer Seite werde die neue Regierung stehen. Heute gebe es aber auch Wirklichkeitsverleugnung, absurde Verschwörungsgeschichten, mutwillige Desinformation und gewaltbereiten Extremismus.

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"Eine kleine, extremistische Minderheit in unserem Land hat sich von unserer Gesellschaft, unserer Demokratie, unserem Gemeinwesen und unserem Staat abgewandt", sagte Scholz. Die Bundesregierung habe Respekt vor ernst gemeinten Einwänden, höre zu und suche die Debatte. "Aber genauso klar ist: Wir werden es uns nicht gefallen lassen, dass eine winzige Minderheit von enthemmten Extremisten versucht, unserer gesamten Gesellschaft ihren Willen aufzuzwingen."
Scholz warnt Russland vor Aggression gegen Ukraine
Außenpolitisch richtete Scholz angesichts der massiven russischen Truppenbewegungen an der ukrainischen Grenze erneut eine Warnung an Moskau. "Sollten es noch nicht alle verstanden haben: Jede Verletzung territorialer Integrität wird einen hohen Preis haben", drohte er und bekräftigte zugleich die Bereitschaft Deutschlands zu "konstruktivem Dialog" mit Russland.
Der Kanzler bekannte sich ausdrücklich zum europäischen Zusammenhalt. "Das Gelingen Europas ist unser wichtigstes nationales Anliegen", betonte er. "Wollen wir unseren europäischen "Way of life" selbstbewusst verteidigen, dann geht das nur gemeinsam als Europäische Union." Als größte Volkswirtschaft im Zentrum des Kontinents trage Deutschland dafür eine besondere Verantwortung und müsse Brücken bauen durch beständiges Verhandeln. "So haben es meine Vorgängerin und meine Vorgänger gehalten, und das wird auch mein Handeln leiten."
In der Europapolitik will Scholz sich aufs Engste mit Frankreich abstimmen. "Die Bundesregierung wird keinen europapolitischen Vorstoß unternehmen ohne engste Konsultation mit unseren französischen Freunden", sagte er. "Die deutsch-französische Verständigung ist die notwendige Bedingung für Fortschritt in Europa." Der Kanzler stellte zugleich klar, dass die Zukunft Europas "weder in Paris noch in Berlin entschieden" werde. "Gerade unser Land hat eine besondere Verantwortung, auch die Interessen der östlichen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union und unserer osteuropäischen Nachbarn mitzudenken."
Scholz sagt: "Danke, Frau Doktor Merkel"
Begonnen hatte Scholz seine Regierungserklärung mit einem ausdrücklichen Dank an seine Vorgängerin Angela Merkel (CDU): "In den Wochen des Regierungswechsels mitten in dieser schwierigen Zeit der Pandemie hat Bundeskanzlerin Merkel alles nur mögliche getan, um die Staffelübergabe an ihren Nachfolger so reibungslos wie nur irgend möglich zu gestalten", sagte der neue Regierungschef.
"Die unaufgeregte demokratische Zivilität des Übergangs von der einen Bundesregierung zur nächsten Bundesregierung wurde weltweit mit viel Bewunderung und Respekt aufgenommen. Auch hierfür, genauso wie für die vertrauensvolle Zusammenarbeit und Kollegialität in den vergangenen Jahren, sage ich: Danke, Frau Doktor Merkel."
Merkel habe "der Bundesrepublik Deutschland 16 Jahre lang in eindrucksvoller Weise als Bundeskanzlerin gedient, jederzeit orientiert an der Sache und an den Tatsachen, stets völlig uneitel und ohne Allüren, immer mit Mut und mit Klugheit, mit Pragmatismus und mit Umsicht".