Haushaltskrise Operation "Gesamtpaket": Die Ampel sucht nach einem Ausweg

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD, Mitte.), Wirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen, rechts.) und Finanzminister Christian Lindner (FDP)
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD, Mitte.), Wirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen, rechts.) und Finanzminister Christian Lindner (FDP)
© Kay Nietfeld / DPA
Das Geld ist knapp, die Zeit ist es auch. Trotzdem will die Ampel den Haushalt für 2024 noch in diesem Jahr ins Ziel bringen. Bringt der Koalitionsausschuss am Abend Klarheit – oder noch mehr Konflikte?

Kein Grund zur Sorge, kriegen wir hin. So sieht es der Kanzler, so will er es verstanden wissen. Haushaltskrise hin oder her, Olaf Scholz demonstriert Zuversicht. Ob sich diese Zuversicht als berechtigt erweist oder doch als Zweckoptimismus herausstellt, könnte schon dieser Mittwochabend zeigen. 

Voraussichtlich um 20.30 Uhr kommen die Ampel-Spitzen zum Koalitionsausschuss zusammen. Krisensitzung, schon wieder. Und das Konfliktpotenzial ist enorm.

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts hat die Haushaltspläne von SPD, Grünen und FDP pulverisiert, an den milliardenschweren Investitionsvorhaben der Koalition hängen große Fragezeichen. Vieles muss nun neu gedacht, der Bundeshaushalt 2024 völlig neu aufgestellt werden. Eigentlich wollte die Ampel ihn in dieser Woche im Bundestag beschließen. Daraus wird nichts. Aber wann dann?

Eine Antwort darauf vermochte der Kanzler, trotz aller Zuversicht, in seiner Regierungserklärung am Dienstag nicht zu geben. Zwei Wochen nach dem Knall aus Karlsruhe bleiben zentrale Fragen offen. Größter Knackpunkt: Wie viel Geld der Bundestag für die Ampel-Vorhaben mobilisieren kann. Vor den Koalitionsspitzen könnte eine lange Nacht liegen.

Die Ausgangslage, grob skizziert: Die FDP will Prioritäten im Haushalt setzen, also Einsparungen. SPD und Grüne wollen hingegen, dass der Bundestag für das kommende Jahr noch einmal eine Notlage ausruft. Dann dürfte die Ampel ganz legal die Schuldenbremse umgehen und weit mehr Kredite aufnehmen. Eine Kompromisslinie? Bislang nicht absehbar. 

Trotzdem versicherte Scholz im Bundestag, dass sich kein Bürger um Kürzungen sorgen müsse, ob bei Wohngeld oder Rente. Auch die Unterstützungen für die Ukraine oder gegen die Energiekriese dürften nicht nachlassen. Und die Modernisierung des Landes solle keinesfalls vernachlässigt werden. Die Botschaft: Kein Grund zur Sorge. Allerdings blieb der Kanzler sehr vage, wie das alles – im Einklang mit der Verfassung – finanziert werden soll. 

"Dafür wird es mehrere Runden brauchen"

Katja Mast erwartet intensive Gespräche, was wohl so viel heißen soll, wie: Könnte auch ungemütlich werden. Die SPD-Fraktionsmanagerin dämpfte am Mittwochmorgen schon mal die Erwartungen. Das "Gesamtpaket", das die Koalition präsentieren will, werde jedenfalls "ganz sicher nicht bis heute Abend vorliegen". Es gibt also noch Gesprächsbedarf, wie die Haushaltslücke für 2024 – die Mast auf einen "zweistelligen, höheren Milliardenbetrag" taxiert – geschlossen werden soll. 

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Trotzdem drängen Sozialdemokraten (und Grüne) darauf, den Haushalt 2024 noch in diesem Jahr ins Ziel zu bringen. Sie wollen eine sogenannte vorläufige Haushaltsführung vermeiden, die in Wahljahren üblich ist. Dann könnte der Bund nur noch für laufende Kosten aufkommen, etwa wegen gesetzlicher Verpflichtungen. Bei neuen Ausgaben müsste explizit Finanzminister Christian Lindner (FDP) seinen Daumen heben. Doch der senkt ihn schon jetzt, wenn die Schuldenregeln grundsätzlicher infrage gestellt werden.

Der Zeitplan ist ambitioniert, wenn der Haushalt 2024 tatsächlich noch in diesem Jahr im Bundestag beschlossen werden soll. "Mit gutem Willen aller Akteure, auch des Bundesrats, ist es möglich", sagt SPD-Fraktionsgeschäftsführerin Mast. Im Dezember ist bisher nur eine einzige Sitzungswoche vorgesehen. Eine Sondersitzungswoche – vor Weihnachten – gilt daher als wahrscheinlich.

Auch SPD-Haushaltspolitiker Andreas Schwarz geht nicht von einer Lösung am heutigen Abend aus. "Dafür wird es mehrere Runden brauchen", sagte er zum stern. Schwarz erwartet von der Runde aber, dass sie den zeitlichen Ablauf bis zur Verabschiedung klärt – und wie die Koalition insgesamt mit dem Urteil umgehen will. "Die SPD möchte eine vorläufige Haushaltsführung mit den bekannten Einschränkungen verhindern", sagte der SPD-Mann. Das würde zu mehr Klarheit und weniger Verunsicherung beitragen.

Der Druck auf die Ampel ist groß, die Zeit knapp – und ein Weg aus der Haushaltskrise noch nicht absehbar. Welche Themen beim Koalitionsausschuss noch besprochen werden? Der Haushalt für 2024 biete genug Gesprächsstoff "für ein abendfüllendes Programm", sagt Mast.