Bundesaußenminister und FDP-Chef Guido Westerwelle hat eine Krise der Regierungskoalition zurückgewiesen. Schwarz-gelb habe eine klare Mehrheit und einen ebenso klaren Regierungsauftrag vom Wähler erhalten, sagte Westerwelle der "Bild"-Zeitung. "Den werden wir erfüllen." Zwar seien die Ausdrücke, mit denen sich Politiker von CSU und FDP in den vergangenen Wochen im Streit über die Gesundheitsreform gegenseitig bedacht hatten, "unangemessen" gewesen. Er halte die Situation nun aber für "bereinigt", sagte Westerwelle der Zeitung.
Auch FDP-Generalsekretär Christian Lindner erteilte Spekulationen über ein frühzeitiges Ende der Bundesregierung eine Absage. "Die Koalition hält bis 2013", sagte er im ZDF-"Morgenmagazin. Lindner räumte allerdings politische Differenzen auch in der eigenen Partei ein. "Die Lage der FDP ist gegenwärtig nicht so, dass wir damit zufrieden wären."
Umfragewerte sind nur "Momentaufnahmen"
Pessimistischer sieht der FDP-Politiker Gerhart Baum die Lage. In der ARD sagte er: "Wahrscheinlich haben wir die Gemeinsamkeiten zwischen Schwarz-Gelb überschätzt." Als Störfaktor bezeichnete er die CSU.
Für die derzeit niedrigen Umfragewerte für seine Partei macht Vizekanzler Westerwelle das von der Regierung beschlossene Sparpaket verantwortlich. "Wir haben von Anfang an einiges zu schultern gehabt wie die Stabilisierung des Euro und das Sparpaket", sagte er der "Bild"-Zeitung. "Das hat uns Kritik eingebracht, war aber notwendig." Es gehe darum, "das Richtige zu tun und eben nicht zuerst um die eigene Beliebtheit." Die derzeitigen Umfragewerte seien "nicht schön", jedoch nur "Momentaufnahmen".
Künast: "Das Wort Neuwahl ist im Kopf"
Auch CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt räumt Mängel im Erscheinungsbild der Regierung in Berlin ein. Die Außendarstellung der Koalition sei "suboptimal", sagte Dobrindt im ZDF. Daran hätten alle ihren Anteil und müssten nun daran arbeiten, dass das Image besser werde.
Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin legte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hingegen nahe, im Bundestag die Vertrauensfrage zu stellen. "Angesichts der heftigen Widersprüche" in der Koalition sei es fraglich, ob Merkel für ihre Politik noch eine Mehrheit der Abgeordneten hinter sich habe, sagte Trittin dem "Hamburger Abendblatt". Sie solle daher "die Schlussabstimmung über das Sparpaket mit der Vertrauensfrage verbinden". Die Fraktionschefin im Bundestag, Renate Künast, sagte der "Süddeutschen Zeitung": "Das Wort Neuwahl ist im Kopf und im Herzen von jedem, der jetzt politisch verantwortlich denkt".
Guttenberg soll mit Rücktritt gedroht haben
Auch die SPD verlangt eine Neuwahl. Ihr Fraktionsvorsitzender Frank-Walter Steinmeier sagte der "Bild": "Diese Regierung ist gescheitert, und wenn die das einsehen, wäre eine vorgezogene Bundestagswahl der sauberste Weg". SPD-Chef Sigmar Gabriel betonte die Bereitschaft der SPD, die Regierung zu übernehmen. In der "Stuttgarter Zeitung" räumt er aber auch ein, dass er den Bruch der schwarz-gelben Koalition nicht für wahrscheinlich hält.
Hintergrund der ganzen Diskussion um die Arbeit von Schwarz-Gelb sind die anhaltenden Debatten im Regierungsbündnis über Sparpaket, Steuerpolitik, Wehrpflicht, den künftigen Bundespräsidenten und die Gesundheitspolitik, die am Wochenende in eine neue Runde gingen. Zuletzt hatten sich Union und FDP mit Worten wie "Wildsau" und "Gurkentruppe" gegenseitig diffamiert. Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) soll einem Zeitungsbericht zufolge mit Rücktritt gedroht haben. Zwei am Wochenende veröffentlichten Umfragen zufolge glaubt eine Mehrheit der Bürger, dass die Koalition nicht bis zum regulären Termin der nächsten Bundestagswahl im Herbst 2013 halten wird.