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Hilfen der Bundesregierung Eine milliardenschwere Überraschung: Warum dieses Konjunkturpaket den Richtigen hilft

Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU)
Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU)
© Michael Kappeler/ / Picture Alliance
Die Koalition legt ein mutiges Konjunkturpaket vor, was kaum einer Union und SPD zugetraut hätte. Das Konzept lässt jeden halbwegs ökonomisch denkenden Menschen mit offenem Mund dastehen. Und trotzdem: Besser geht es nicht.

Vor kurzem bin ich auf einen Artikel von Bill Gates gestoßen. Er hat sich darin gefragt, wann unser Leben wieder normal sein wird. Diese Frage hämmert jedem durch den Kopf, wenn er daheim arbeitet, mit klapprigem Laptop und quengelnden Kindern ringt. Wann werde ich im Fußballstadion wieder Borussia Dortmund oder Bayern München anfeuern, wann Opa und Oma in den Arm nehmen können, ohne schlechtes Gewissen in einen Flieger steigen und nicht mehr mit dieser bekloppten Maske durch den Supermarkt rennen. Wann?

Bill Gates hat die Frage einfach beantwortet: Die Verhältnisse würden sich erst normalisieren, wenn es einen funktionierenden Impfstoff geben würde. Erst dann würden die Firmen investieren und die Menschen Geld ausgeben. Weil sie sich sicher fühlen würden. Doch bis es soweit ist, vergehen mindestens ein, zwei Jahre, vielleicht noch mehr. Bis dahin müssen wir auf die Politiker vertrauen. Sie müssen das Gefühl von Sicherheit vermitteln.  

Die Bundesregierung hat das bislang gut geschafft. Das Coronavirus hat hierzulande nicht so gewütet wie in vielen anderen Ländern, viele Staaten blicken sogar mit Neid auf uns. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Finanzminister Olaf Scholz (SPD) haben die jahrelange Sparpolitik und das Symbol der "Schwarzen Null" flott beerdigt; um Firmen und Arbeitnehmern zu helfen, haben sie knapp 1,2 Billionen Euro locker gemacht, was einem knappen Drittel des Bruttoinlandprodukts (BIP) entspricht. Damit sind wir vermutlich Weltmeister. Kaum ein Land auf dem Globus dürfte, gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP), so viele Milliarden spendiert haben. Es scheint geholfen zu haben, die Arbeitslosigkeit ist nicht explodiert, einige Wirtschaftsexperten haben zuletzt sogar ihre düsteren Prognosen von Ende März etwas  aufgehellt.

Nun hat die Koalition 21 Stunden gerungen und will weitere 130 Milliarden Euro ausgeben. Ist das Geld gut angelegt?

Die Große Koalition legt ein anständiges Konzept hin

Allerdings. Nachdem ich die 15 Seiten des Konjunkturpaket studiert habe, muss ich sagen: Ich bin platt. Mit einem solchen Ergebnis hätte ich nicht gerechnet. Was haben wir Journalisten die "Groko" in den letzten Jahren geschmäht. Zu schwerfällig, zu zerstritten, zu wenig Zukunft. Doch jetzt legen Merkel und Scholz ein Konzept hin, das jeden halbwegs ökonomisch denkenden Menschen mit offenem Mund stehen lässt.

Warum?

Sie haben keinen großen Unsinn beschlossen. Die Idee, den Solidaritätszuschlag für alle vorzeitig zu senken, ist ebenso vom Tisch wie die Kaufprämie für Verbrennungsmotoren. Beide Ideen wären mehr Blendwerk gewesen, als dass sie der Konjunktur geholfen hätten. Warum soll eine Regierung Konzerne wie VW, Daimler und BMW stützen, die in den letzten zehn Jahren mehr als 200 Milliarden Euro Gewinn gemacht haben und bereits von den Kurzarbeiterregeln profitieren? Und warum sollen Großverdiener bedacht werden? Ihnen hilft ein vollständiges Soli-Ende am meisten. Dafür will die Regierung jetzt die Mehrwertsteuer senken. Das nützt allen Branchen, nicht nur den Autobossen. Für Elektroautos soll es dagegen eine höhere Kaufprämie geben.

Sie vergessen nicht die ärmeren Teile der Gesellschaft. Das gilt nicht nur für die Mehrwertsteuersenkung, die Geringverdienern mehr hilft als Besserverdienern. Der geplante Kinderbonus von 300 Euro für Familien wird nicht auf die Grundsicherung angerechnet. Das gab es noch nie. Arme gingen stets leer aus, wenn der Staat Familien half; ein höheres Kindergeld wurde meist mit den Hartz-IV-Leistungen verrechnet. Für Alleinerziehende soll es dazu einen weiteren Steuervorteil geben. All das ist besonders für Leute wichtig, die nicht viel haben, die sich als Boten, Kellner oder Verkäufer durchs Leben schlagen. Fast ein Drittel aller Haushalte hat keine Rücklagen um einen finanziellen Engpass zu überbrücken.

Sie verweigern sich dem Spiel "rechte Tasche, linke Tasche". Dem Bürger wird nicht an einer Stelle etwas gegeben, was ihm an anderer Stelle genommen wird. Heißt konkret: Steigen durch die Krise die Sozialabgaben oder der Strompreis (weil die Umlage für Erneuerbare Energien wächst), dann gleicht der Staat die Mehrkosten aus. Bürger und Unternehmen sollen am Ende nicht mehr zahlen.

Sie helfen Firmen und Kommunen gezielt. Für Unternehmen gelten bessere Abschreibungsbedingungen und günstigere Steuerregeln, und wem die Kunden fehlen, wie Hoteliers, Restaurantbesitzern, Caterern, Kneipiers, Reisebüros oder Messebauern, erhält Betriebskostenzuschüsse. Städten und Gemeinden werden die Ausfälle bei der Gewerbesteuer ersetzt und mehr Geld für Hartz-IV-Empfänger überwiesen. Ach ja, Busse und Bahnen werden ebenfalls bedacht.

Und die Koalition investiert in die Zukunft. Sie will die Elektromobilität, die Wasserstofftechnologie, die Künstliche Intelligenz, die Quantentechnologie fördern, die Verwaltung digitalisieren und das Gesundheitswesen verbessern.

Erst muss der Brand gelöscht sein, dann geht es ans Aufräumen

Wer das alles liest, muss sagen: Der Plan klingt wie aus einem Lehrbuch. Hilfen für die Konjunktur sind dann gut, wenn sie schnell greifen, zielgenau sind und befristet wirken. Die Wissenschaftler sprechen von den drei "t" – "timely, targeted und temporary". Genau daran halten sich die Koalitionäre. Die Hilfen sollen bereits im Juli wirken, zielen auf die Probleme und sind überwiegend befristet. Besser geht es nicht.

Natürlich lässt sich manches kritisieren. Beispielsweise wird es Mitnahme-Effekte geben. Nicht alle Deutsche spüren die Krise. Beamte, bestimmte Dienstleister oder Baufirmen haben keine großen Einkommenseinbußen, doch ihnen hilft die gesunkene Mehrwertsteuer ebenfalls. Nicht sicher ist auch, wie weit die Firmen die gesunkene Mehrwertsteuer selbst einstreichen oder an die Kunden weitergeben. Vieles von dem, was die Koalition fördern will, sind Absichtserklärungen. Wie oft haben Merkel und Co. erklärt, dass sie die Lade-Infrastruktur für E-Autos verbessern oder die Mobilfunk-Löcher stopfen wollen, doch am Ende geschah wenig.

Natürlich muss man sich fragen: Wie sollen die vielen Milliarden zurückgezahlt werden? Werden die Schulden die jungen Leute auf ewig belasten? Doch dieser Punkt ist im Augenblick nicht so entscheidend. Es geht vor allem darum, dass Politik in unsicherer Zeit Sicherheit ausstrahlt, damit die Menschen wieder Hoffnung bekommen. Hoffnung ist das wichtigste, um eine Wirtschaft flott zu bekommen. Erst muss der Brand gelöscht sein, dann geht es ans Aufräumen.

Das zeigt auch ein Blick in die Vergangenheit. Als vor bald zwölf Jahren die Finanzkrise ausbrach, nahm die damalige Große Koalition viele Schulden auf, was dazu führte, dass die Wirtschaft sich rasch erholte. In der Folgezeit entstanden immer mehr Jobs, Steuereinnahmen und Löhne stiegen und der Staat konnte Schulden abbauen. Das kann mit dem Paket wieder gelingen. Die Koalition hat lange gerungen, aber es hat sich gelohnt. Und wenn jetzt die Forscher noch rasch einen funktionierenden Impfstoff finden ... Ach, ich höre besser auf mit dem Träumen.

fs

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