Angesichts der katastrophalen Umfragewerte der Union rufen CDU und CSU sich selbst zur Ordnung. Politiker beider Parteien forderten am Wochenende ein Ende des Dauerstreits in der Bundesregierung. Die Koalition habe erfolgreich gearbeitet, sagte Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) am Sonntag im Deutschlandfunk. Die Stimmung in der Koalition aber sei nicht gut gewesen und die Koalitionäre hätten die Erfolge selbst kleingeredet.
Umfragen sehen die Union derzeit bei nur noch 30 Prozent. Der Chef des Meinungsforschungsinstituts Emnid sieht wegen der massenhaften Abkehr treuer Unions-Anhänger von ihrer Partei gute Chancen für die Gründung einer konservativen Partei rechts von CDU und CSU. "Ausgerechnet die treuesten Unions-Wähler strömen derzeit in Scharen zu den Nichtwählern", schrieb der Meinungsforscher Klaus- Peter Schöppner in einem Beitrag für "Bild am Sonntag". Eine Partei christlich geprägter Konservativer, die Wirtschaft mit Werten verbinde, könne auf Anhieb 20 Prozent Wähler gewinnen.
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann sagte der Nachrichtenagentur dpa: "Vor allem sollte die Bundesregierung nicht durch koalitionsinterne Streitigkeiten, sondern durch handfeste politische Ergebnisse auffallen." Der saarländische Ministerpräsident Peter Müller (CDU) sagte der "Bild am Sonntag", die Union müsse "um den Status der Volkspartei ebenfalls bangen, wenn das so weiter geht".
Müller forderte die Union auf, sich nicht um jeden Preis an die Macht zu klammern: "Unsere Maxime kann in dieser Situation nicht lauten: Hauptsache die Union ist an der Regierung beteiligt, egal wie ihre Ergebnisse ausfallen." Der Berliner CDU-Landesvorsitzende Frank Henkel räumte ein: "Es muss sich dringend etwas ändern, damit die Regierung die in sie gesetzten Erwartungen erfüllen kann."
Ebenso wie Herrmann kritisierte Schavan die schwarz-gelben Umgangsformen: Es sei in jüngster Zeit in einer Weise voneinander geredet worden, wie es einer bürgerlichen Koalition nicht zukomme. Herrmann monierte: "Da gab es oft zu viel Gezänk und Gestreite - und es wurden wichtige Entscheidungen zu lange vertagt." Eine Alleinschuld bei Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sieht der CSU- Politiker aber nicht: "Es bringt nichts, wenn jemand als Solist auftritt und sich dann anschließend beschwert, der Dirigent habe nicht richtig dirigiert."
Herrmann mahnte indirekt auch die eigene Partei: Die CSU werde weiter mit Nachdruck für bayerische Interessen kämpfen. "Aber es muss auch immer deutlich werden, dass wir das im Teamgeist in der Koalition tun."
SPD-Chef Sigmar Gabriel warf Merkel in den "Lübecker Nachrichten" Versagen vor: "Angela Merkel sagt selbst, sie könne nur Schritt für Schritt denken. Das ist für eine Regierungschefin der Offenbarungseid." Grünen-Bundestagsfraktionschefin Renate Künast prophezeite der Koalition in der "Welt am Sonntag" einen heißen Herbst. "Die Leute haben die Nase voll von Schwarz-Gelb."