Die AfD hat ihren Stimmenanteil bei der Landtagswahl in Thüringen mehr als verdoppelt, sagen die ersten Hochrechnungen voraus. Die Partei unter der Führung von Rechtsaußen Björn Höcke dürfte damit zweitstärkste Kraft im Freistaat werden, die Macht wird sie dennoch nicht ergreifen: Alle übrigen Parteien erteilten einem Bündnis mit der selbsternannten Alternative bereits vorab, aber auch am Wahlabend selbst, eine Absage.
Größere Rolle für Björn Höcke in der AfD
Und doch: Für Björn Höcke könnte dieser Abend eine Wende bringen. Sollten bei Bundestagsfraktionschef Alexander Gauland und Bundessprecher Jörg Meuthen jemals Berührungsängste mit dem prominentesten Vertreter des völkischen Flügels bestanden haben, waren diese spätestens mit dem 18-Uhr-Gong zur ersten Prognose passé: Ob Höcke mit dem Wahlergebnis in Zukunft eine größere Rolle in der Bundespartei spielen sollte, wurden beide Politiker gefragt. Gauland sagte, dies müsse er selber wissen.
Dass Höckes "Flügel"-Gruppierung vom Verfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall eingestuft wird, scheint in Gaulands Augen jedoch nicht gegen einen größeren Einfluss des "siegreichen" Thüringer Landesverbandes und seines Vorsitzenden zu sprechen. "Der Flügel ist nicht rechtsextrem, Björn Höcke ist nicht rechtsextrem", behauptete Gauland ins ARD-Mikrofon sagend.
Noch deutlicher wurde Jörg Meuthen im ZDF. Er sieht nach dem guten Abschneiden der AfD in Thüringen eine größere Rolle für Höcke in der Partei. Es sei "folgerichtig", wenn dieser nun für den Bundesvorstand kandidiere.
Der Erfolg der AfD in Thüringen und was daraus noch folgen könnte – beides sorgt bei vielen für ernste Besorgnis:
So äußerte sich die kommissarische SPD-Vorsitzende Malu Dreyer entsetzt über das Erstarken der Rechtspopulisten. Sie sei "schockiert" über deren Ergebnis, sagte Dreyer in Berlin. Dies gelte umso mehr, weil die Landes-AfD von Björn Höcke geführt wird, "der vom Verfassungsschutz überwacht wird und der rechtsextrem ist". Sie kündigte an: "Die SPD wird sich damit nicht abfinden und dagegen ankämpfen." Dies sei jetzt "Aufgabe aller Demokraten".
Deutliche Worte fand auch Charlotte Knobloch, die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern und frühere Vorsitzende des Zentralrates der Juden in Deutschland: Die Erosion der demokratischen Kultur setze sich mit dem heutigen Sonntag fort, erklärte sie. "Viele Wähler haben eine Partei unterstützt, die seit Jahren mit mit Verharmlosung der NS-Zeit, Nationalismus und Hass unter anderem gegen die jüdische Minderheit den Nährboden für Ausgrenzung und rechtsextreme Gewalt bereitet."
SPD-Politikerin Sawsan Chebli schrieb bei Twitter: "24 Prozent der Menschen in Thüringen haben einen Mann gewählt, der nach einem Gerichtsurteil als "Faschist" bezeichnet werden darf. Diese Leute haben ihr demokratisches Wahlrecht benutzt, um demokratische Grundprinzipien abzuschaffen. Bin erschüttert."
In die gleiche Kerbe schlug Grünen-Chefin Annalena Baerbock: "Die AfD ist hier in Thüringen mit einem Faschisten angetreten, der das auch klar und deutlich in diesem Wahlkampf immer wieder benannt hat. Und dennoch hat die AfD in Thüringen dieses Wahlergebnis bekommen", erklärte sie.
Auch Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow reagierte auf den Erfolg der AfD. Er stellte jedoch auch fest, dass immerhin 76 Prozent der Thüringer die AfD nicht gewählt hätten.