Der Streit in der SPD um das Verhältnis zur Linkspartei geht unvermindert weiter. Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) forderte die hessische SPD-Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti auf, eine Koalition mit der Linkspartei abzuwägen. "Diese Prüfung muss stattfinden", sagte Wowereit. Es gehe ihm dabei auch darum, "endlich mal dieses blöde Tabu wegzukriegen", das die Linke in den West-Bundesländern als Koalitionspartner ausschließe. Aus Sicht der SPD sei das Tabu "völlig falsch" und nütze nur der CDU und der Linken.
Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) hält den Wortbruch-Vorwurf an seine Partei für nachvollziehbar. Der "Passauer Neuen Presse" sagte Steinbrück auf eine entsprechende Frage: "Ja. Der Fehler ist nicht gewesen, dass man sich in Hessen mit verschiedenen Optionen beschäftigt hat, nach einem in der Tat sehr schwierigen Wahlergebnis. Der entscheidende Punkt ist, dass sich alle entscheidenden Persönlichkeiten vor der Wahl eindeutig geäußert haben und nun ein Strategiewechsel zumindest nicht definitiv ausgeschlossen ist." Glaubwürdigkeit sei ein sehr hohes Gut in der Politik, so Steinbrück weiter. "Ohne Glaubwürdigkeit ist man nicht strategie- und kommunikationsfähig. Insofern befindet sich die SPD derzeit in einer sehr schwierigen Lage."
Steinbrück warnt vor Linkskurs
Zu dem von der SPD-Spitze auf Initiative Kurt Becks getroffenen Beschluss, wonach Ypsilanti bei der Regierungsbildung freie Hand hat, erklärte Steinbrück: "Im konkreten Fall Hessen halte ich es für falsch, sich auch nur indirekt - über eine in Kauf genommene Duldung - von den Linken wählen zu lassen." Eindringlich warnte Steinbrück seine Partei davor, auf einen Linkskurs zu setzen.
Die FDP in Hessen lehnte unterdessen in Wiesbaden das Werben der SPD um eine Ampelkoalition abermals ab. FDP-Landeschef Jörg-Uwe Hahn will an diesem Donnerstag vor der Presse seine Ablehnung erläutern. Davon unbeeindruckt drängte die hessische SPD-Vorsitzende Andrea Ypsilanti die FDP erneut zu Gesprächen über eine Ampelkoalition: Die Liberalen müssten sich überlegen, ob sie in der Fundamentalopposition bleiben oder die Möglichkeit wahrnehmen wollten, mit der SPD Politik zu gestalten, sagte die Parteichefin nach einer Vorstandssitzung in Frankfurt/Main.
Die Grünen führten bereits ein zweistündiges Gespräch mit der Linken, die damit zum ersten Mal offiziell in Treffen der Landtagsparteien einbezogen wurden. Der Grünen-Landesvorsitzende Tarek Al-Wazir berichtete, die Linke sei zwar eventuell bereit, bei der Ministerpräsidentenwahl für Ypsilanti zu stimmen. Er habe sie jedoch darauf hingewiesen, dass auch über eine solche Wahl hinaus Verlässlichkeit nötig sei - etwa zur Verabschiedung eines Haushalts.
SPD-Vorstand verabschiedet Eckpunktepapier
CDU-Ministerpräsident Roland Koch und der CDU-Fraktionsvorsitzende Christean Wagner wollen an diesem Donnerstag über die Ergebnisse einer zweitägigen Klausur von Landesvorstand, Regierung und Landtagsfraktion informieren. Nach einem Bericht der "Bild"-Zeitung will die CDU den Grünen und der FDP eine gemeinsame Regierung anbieten. Koch solle darin Ministerpräsident bleiben.
Der SPD-Vorstand verabschiedete ein Eckpunktepapier für Gespräche mit FDP, Grünen und auch der CDU. Es werde den Parteien umgehend zugeleitet. Die hessische SPD-Chefin wollte trotz aller Ablehnung der FDP die Hoffnung nicht aufgeben, dass sich die Liberalen doch noch bewegen. Falls es doch ein striktes Nein gebe, müsse sich die SPD über Konsequenzen unterhalten.
Die FDP werde in Hessen definitiv keine Koalition mit SPD und Grünen eingehen, sagte indes Parteichef Guido Westerwelle der "Passauer Neuen Presse". "Für die SPD ist die Zusammenarbeit mit den Kommunisten längst entschiedene Sache. Die Sozialdemokraten wollen, auch in Hessen, zielstrebig das Modell SPD-Grüne-Linkspartei für den Bund vorbereiten. Wir werden dafür nicht die nützlichen Idioten sein." Zudem habe in Hessen "die bürgerliche Mitte einen Regierungsbildungsauftrag", da die CDU knapp stärker sei als die SPD und die FDP deutlich stärker als die Grünen.

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Al-Wazir geht von der Bildung einer Minderheitsregierung aus SPD und Grünen aus. Eine Ampel-Koalition werde am Widerstand der FDP scheitern, ein schwarz-gelb-grünes Jamaika-Bündnis an der Ablehnung durch die Grünen, sagte Al-Wazir dem "Wiesbadener Kurier". SPD und Grüne müssten sich dann für ihre Vorhaben im Landtag wechselnde Mehrheiten suchen, auch mit den Linken.
Ypsilanti: Die erste Option ist die Ampel
Ypsilanti appellierte nochmals eindringlich an die FDP, sich einer Ampelkoalition auf Landesebene nicht zu verschließen. Im "ZDF-Morgenmagazin" sagte Ypsilanti: "Ich erwarte von der FDP, dass sie sich inhaltlich mit uns auseinandersetzt." Eine Entscheidung über eine Zusammenarbeit mit der Linkspartei stehe erst an, wenn die FDP sich endgültig verweigere. "Unsere erste Option ist die Ampel", betonte Ypsilanti. Sie habe mit dem hessischen FDP-Chef Jörg-Uwe Hahn telefoniert und ihm ein Vier-Augen-Gespräch angeboten. "Es geht um Stillstand oder Aufbruch in eine neue Politik. Dafür möchte ich Grüne und FDP gewinnen", sagte die SPD-Landeschefin.
Das Problem sei, dass sich die FDP immer noch verweigere. Sie appellierte auch an den FDP-Vorsitzenden Guido Westerwelle, seiner hessischen FDP die Entscheidung über eine Ampelkoalition freizustellen. "Dann wären wir einen Schritt weiter." Eine große Koalition lehnt Ypsilanti nach wie vor rundheraus ab: "Das sehe ich nicht." Sie betonte, niemand in Hessen wolle Roland Koch weiterhin als Ministerpräsidenten. Zu einer Zusammenarbeit mit der Linken wollte sie sich nicht konkret äußern: "Wenn die FDP nicht springt, dann müssten wir uns andere Wege überlegen." Über einen solchen Schritt entscheide sie nicht alleine, sondern müssten die Parteigremien beschließen.