Müntefering über Lafontaine "Er wird grandios scheitern"

Die Empörung in der SPD über den Frontalangriff von Oskar Lafontaine ist groß. Dennoch will die SPD ihren früheren Vorsitzenden nicht ausschließen sondern parteiintern mit ihm abrechnen.

Parteichef Franz Müntefering gab sich angesichts der neuesten Attacken seines Vorgängers Oskar Lafontaine am Montag sportlich-gelassen: "Er ist aufs Spielfeld gekommen - und da wird er auch die nötige Antwort bekommen." Dies sei innerhalb der Partei sogar einfacher.

Der frühere SPD-Chef hatte Schröder in einem vorab veröffentlichten "Spiegel"-Interview ultimativ aufgefordert, seine Politik zu ändern oder zurückzutreten. Für den Fall, dass die SPD bis zur Bundestagswahl 2006 keinen Kurswechsel in ihrer Sozialpolitik vollziehe, drohte er seine Unterstützung für eine neue Linkspartei an. Die Attacke stieß nicht nur in der SPD-Spitze, sondern auch auf dem linken Flügel der Partei auf scharfe Kritik.

Kanzler will sich noch nicht äußern

Bundeskanzler Gerhard Schröder wollte sich am ersten Tag nach seinem Italien-Urlaub nicht dazu äußern. "Nicht jede Äußerung im öffentlichen Raum ist es wert, dass sie vom Bundeskanzler persönlich kommentiert wird", sagte der stellvertretende Regierungssprecher Hans Langguth.

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Müntefering wertete den Angriff Lafontaines dagegen offen als Kampfansage. Indem er selbst aufs Spielfeld gekommen sei, habe Lafontaine die Situation verändert. "Seine Forderung ist, er will die Leitlinien der Politik bestimmen in der SPD und in Deutschland und er will eine Politik der Illusion und eine Politik von gestern uns auferlegen", sagte Müntefering im WDR. "Man wird sehen, er wird grandios scheitern und er wird einsam und ziemlich alleine in der Ecke stehen."

Parteiausschluss steht nicht zur Debatte

Ein Parteiausschlussverfahren steht laut SPD-Spitze zur Zeit nicht zur Debatte. "Er ist für uns sogar einfacher zu handhaben, wenn er innerhalb der Partei ist", sagte Müntefering. Generalsekretär Klaus Uwe Benneter wies auf das Parteistatut hin. Danach droht der Parteiausschluss bei Mitgliedschaft in oder Tätigkeit für eine andere Partei. Zur Zeit gebe es aber noch keinen Anlass, "die eitle Selbstgefälligkeit von Herrn Lafontaine" entsprechend zu sanktionieren, sagte Benneter im ARD-Morgenmagazin.

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Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende und Wortführer der Parlamentarischen Linken, Michael Müller, sagte am Montag im Deutschlandfunk, Lafontaine müsse deutlich machen, ob er die Partei spalten oder eine konstruktive Politik betreiben wolle. Er begreife nicht, dass ein so fähiger Politiker wie der Saarländer sich nicht für eine Reformpolitik unter den Bedingungen der Globalisierung einsetze. "Er führt die Schlachten von gestern, er hat seine Rolle nicht gefunden", sagte Müller.

"Er soll selber gehen"

Der dem reformorientierten SPD-"Netzwerk" angehörende Abgeordnete Hubertus Heil wurde mit den Worten zitiert: "Wenn er es mit seinen Äußerungen darauf anlegt, rausgeworfen zu werden, sage ich nur: Er soll selber gehen." Klaas Hübner, Sprecher des konservativen Seeheimer Kreises in der SPD, sagte dem Blatt: "Ich rate Lafontaine, sich zu überlegen, ob er in der Partei noch aufgehoben ist." Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit nannte Lafontaines Verhalten "hoch unsolidarisch" und forderte ihn im "Tagesspiegel" vom Montag zum Austritt auf.

"Eitel und unsolidarisch"

Partei- und Fraktionschef Franz Müntefering erteilte Lafontaine bereits am Wochenende eine scharfe Rüge und nannte sein Verhalten "eitel und unsolidarisch". Lafontaine versuche Bundeskanzler Gerhard Schröder und die Politik der SPD zu diffamieren, ohne Rücksicht auf die mitten in Landtagswahlkämpfen stehenden Landesverbände zu nehmen.

Der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Gernot Erler sagte der "Financial Times Deutschland" (Montagausgabe), die Äußerungen Lafontaines im "Spiegel" seien "vom Stil her geradezu abstoßend". Lafontaine benutze die - von IG-Metall-Funktionären gegründete - Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit "für seinen persönlichen Rachefeldzug gegen Schröder". Gegenüber der "Welt" warf Erler Lafontaine Erpressung nach dem Motto vor: "Wehe wenn die SPD nicht in einem Jahr Kurs und Kanzler wechselt, dann werde ich vielleicht kommen." Lafontaine müsse sich entscheiden, was er wolle.

Informelle Kontakte

Der Sprecher der Wahlalternative, Klaus Ernst, sagte der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung", wenn Lafontaine sich zur Mitarbeit entschlösse, "heißen wir ihn besonders herzlich willkommen". Ein anderer Sprecher, der Fürther Gewerkschafter Thomas Händel, berichtete den "Nürnberger Nachrichten" (Montagausgabe), es gebe seit längerem "informelle Kontakte" mit Lafontaine. "Man telefoniert ab und zu miteinander. Er erkundigt sich, was sich bei uns so tut."

Ein Wechsel Lafontaines könnte der Linkspartei nach Einschätzung von Parteienforschern kräftigen Zulauf verschaffen. Der Mainzer Parteienforscher Jürgen Falter sagte der "Bild"-Zeitung vom Montag, eine von Lafontaine geführte Partei hätte ein Potenzial von 15 bis 20 Prozent der Stimmen. Sollte der frühere Parteichef seine Drohung wahr machen, "besteht für die SPD Anlass zu großer Sorge". Auch die PDS würde Stimmen verlieren, die SPD würde es aber schwerer treffen. Ähnlich äußerte sich auch der Politologe Franz Walter in der Berliner "tageszeitung". Der Linkspartei fehle ein fähiger Kopf, um mehr als fünf Prozent der Stimmen zu bekommen. "Das könnte der Volkstribun und Charismatiker Lafontaine ändern", sagte Walter.

AP · DPA · Reuters
AP/Reuters