Stichwahl in Thüringen Erster AfD-Oberbürgermeister verhindert: Parteiloser Kandidat siegt in Nordhausen

Thüringens Landtagspräsidentin Birgit Pommer gratuliert Wahlsieger Kai Buchmann in Nordhausen
Thüringens Landtagspräsidentin Birgit Pommer gratuliert Wahlsieger Kai Buchmann. Der parteilose Buchmann bleibt Oberbürgermeister von Nordhausen
© Matthias Bein / DPA
Sehen Sie im Video: Jubel in Nordhausen nach AfD-Niederlage: "Wir sind nicht Sonneberg!"






Jubel bei den Anhängern von Kai Buchmann am Sonntagabend in Nordhausen. Der Oberbürgermeister der thüringischen Stadt hat sein Amt in der Stichwahl verteidigt. Mit rund zehn Prozentpunkten Vorsprung ließ der parteilose Kommunalpolitiker seinen Konkurrenten von der AfD, Jörg Prophet, hinter sich. Buchmann: "Ja, ich denke, ich freue mich für Nordhausen, dass wir heute noch mal groß in der Presse auftreten, dann wieder nicht und hier ein normales Leben führen in Nordhausen."
Reaktion von Wählerin und Wähler (FRAU (OHNE NAMENSNENNUNG): "Und wir sind überglücklich, dass die AfD hier verschissen hat." MANN (OHNE NAMENSNENNUNG): "Zeichen, dass wird doch für Demokratie stehen, für Vielfalt. (FRAU): "Genau. (MANN): "Wir sind nicht braun, wir sind nicht Sonneberg, wir sind Nordhausen."
In der ersten Wahlrunde vor zwei Wochen hatte Prophet noch mit 42 Prozent der Stimmen deutlich vor seinem Konkurrenten gelegen. Zu seiner Niederlage am Sonntag sagte er: "Den Reaktionen zufolge, die ich auf der Straße bei den ganzen Infoständen hatte, bei den Veranstaltungen gehabt habe, haben uns eigentlich beflügelt in der subjektiven Wahrnehmung, dass wir eventuell schon eine Mehrheit haben. Das ist nicht der Fall. Das ist aber für uns kein Verlust in dem Sinne, sondern für mich persönlich auch Ansporn, jetzt die nächsten Aufgaben anzugehen und vor allen Dingen die Themen, die wir haben, klarer herauszuarbeiten." Seinem Konkurrenten bot Prophet eine Zusammenarbeit im Stadtrat an. Von einer sogenannten "Brandmauer" gegen seine vom thüringischen Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestufte Partei hält der AfD-Kandidat nichts. "Ach, wissen Sie, Brandmauern, das sind so Begriffe von Leuten, die von Kommunalpolitik keine Ahnung haben. Wir haben in der letzten Woche verschiedene Ausschüsse gehabt, wir haben nächste Woche Kreistag, Stadtrat. Ich hatte es schon erwähnt, wir arbeiten permanent zusammen."
Mit einem Sieg wäre Prophet der erste AfD-Oberbürgermeister Deutschlands geworden. Im thüringischen Sonneberg war Ende Juni mit Robert Sesselmann der erste AfD-Landrat gewählt worden, 2024 stehen in Thüringen Landtagswahlen an. In aktuellen Umfragen liegt die AfD hierbei vor der Partei Die Linke von Ministerpräsident Bodo Ramelow, der derzeit mit einem Bündnis aus SPD und Grünen regiert.
Es war ein knappes Rennen in Nordhausen, doch am Ende gewinnt Kai Buchmann die Wahl zum Oberbürgermeister. Damit verhindert der parteilose Kandidat eine Premiere für die AfD.

Die AfD ist bei der Oberbürgermeisterwahl im thüringischen Nordhausen gescheitert. Der parteilose Amtsinhaber Kai Buchmann setzte sich am Sonntag nach vorläufigem Ergebnis bei einer Stichwahl überraschend gegen den AfD-Kandidaten Jörg Prophet durch. Das teilte das Wahlamt der Stadt mit. Demnach erhielt Buchmann nach einem langen Kopf-an-Kopf-Rennen bei der Auszählung 54,9 Prozent der Stimmen, Prophet 45,1 Prozent.

Die AfD konnte damit ihre Erfolgsserie bei Kommunalwahlen in Ostdeutschland nicht fortsetzen. Im Juni war Robert Sesselmann im Südthüringer Landkreis Sonneberg zum ersten AfD-Landrat Deutschlands gewählt worden, wenig später siegte ein AfD-Kandidat bei der Bürgermeisterwahl in Raguhn-Jeßnitz (Sachsen-Anhalt).

Keine AfD-Premiere bei Oberbürgermeister-Wahl in Nordhausen

Die Auszählung wurde im Ratssaal von Nordhausen von Applaus begleitet, immer dann, wenn Buchmann vorn lag oder sein Vorsprung sich vergrößerte. Draußen vor dem Gebäude versammelten sich kurz vor Bekanntgabe des Ergebnisses Dutzende Menschen und jubelten. Einige hatten Plakate dabei, die sich gegen die AfD richteten. Als das Ergebnis bekannt wurde, brach langanhaltender Jubel im Ratssaal aus. Buchmann ging umher und reichte jubelnden Anhängern seine Hände und umarmte Mitstreiter.

In Nordhausen galt der AfD-Kandidat Prophet, ein 61 Jahre alter Unternehmer, nach dem ersten Wahldurchgang vor zwei Wochen als Favorit. Er erzielte am 10. September 42,1 Prozent der Stimmen, Buchmann nur 23,7 Prozent. Bei einem Erfolg in der Stichwahl wäre Prophet der erste Oberbürgermeister in Deutschland mit AfD-Parteibuch gewesen. Die Thüringer AfD wird vom Landesverfassungsschutz als erwiesen rechtsextremistisch eingestuft und beobachtet, bundesweit ist die Partei ein Verdachtsfall.

Warnungen vor AfD-Erfolg nahe KZ-Gedenkstätte

Nordhausen hat rund 42.000 Einwohner und ist eine Industrie- und Hochschulstadt. Am Rande der Stadt liegt die KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora. Die Nationalsozialisten hatten in das Lager etwa 60.000 Menschen verschleppt, mindestens 20.000 Häftlinge starben.

Vor der Stichwahl hatten mehrere Politiker, Verbände und Organisationen vor einer Wahl des AfD-Kandidaten Prophet gewarnt. Der Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, Jens-Christian Wagner, hatte Prophet unter anderem Geschichtsrevisionismus vorgeworfen. Auch im Thüringer Verfassungsschutzbericht 2021 wurde ein Text von Prophet als Beispiel für die "geschichtsrevisionistische Agenda" der AfD angeführt.

Auch Buchmann war vor der Wahl in die Kritik geraten. Gegen ihn läuft noch ein Disziplinarverfahren. Zwischenzeitlich war er unter anderem wegen Mobbing-Vorwürfen vom Dienst suspendiert worden, ein Gericht hob dies aber später auf.

DPA
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