Wortgefecht im Bundestag Scholz macht das gut, Merz macht es besser – so kommentieren die Medien die hitzige Generaldebatte

Wie üblich musste Kanzler Olaf Scholz (SPD) sich bei der Haushaltsdebatte über den Etat des Kanzleramtes im Bundestag einer Generaldebatte stellen
Wie üblich musste Kanzler Olaf Scholz (SPD) sich bei der Haushaltsdebatte über den Etat des Kanzleramtes im Bundestag einer Generaldebatte stellen
© Michael Kappeler / DPA
Bei der Generaldebatte im Bundestag hat Kanzler Olaf Scholz keine schlechte Figur gemacht, schreiben die meisten deutschen Medien. Ihm fehlt aber etwas, was ein anderer Redner klar zeigt.

Rund einen Monat nach Beginn des russischen Kriegs in der Ukraine hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) seine Entscheidung zur Aufrüstung und neuen politischen Weichenstellungen verteidigt. In der Generaldebatte zum Haushalt im Bundestag sagte er der Ukraine am Mittwoch weitere Hilfe zu, zog aber zugleich eine scharfe Grenze für ein Engagement der Nato. Die Opposition machte deutlich, dass sie mehr sein will als nur der Mehrheitsbeschaffer für den Paradigmenwechsel der rot-grün-gelben Regierung. 

Die meisten deutschen Medien bewerten einen Auftritt besser als den des Bundeskanzlers. Die Presseschau im Überblick:

Frankfurter Rundschau

"Das Gute an Scholz’ Rede ist, dass er Kurs gehalten hat. Er verspricht, dass sich trotz allem an der Klimawende nichts ändern werde und diese Regierung zu faireren Löhnen und einer guten Gesundheitsversorgung stehe. Ungewöhnlich ist, wie er seine Wertschätzung für die Solidarität der Menschen in Deutschland mit der Ukraine ausdrückt. 'Ihr macht das gut', sagt er hanseatisch-nüchtern, ist vermutlich aber überwältigt. Es zeige, wie viel Gutes in Deutschland stecke. Das ist ein riesiges Potenzial für die Politik. Wenn die Bürgerinnen und Bürger mitmachen. Besser noch, wie in diesem Fall vorausgehen. Anpacken, helfen, spenden, Demokratie und Freiheit verteidigen. Die Regierung hat es gut."

Leipziger Volkszeitung

"Es klingt überheblich, wenn der Bundeskanzler der Union sagt, es sei 'völlig in Ordnung', dass sie ihre Vorstellungen von der Umsetzung des 100-Milliarden-Euro-Sondervermögens für die Bundeswehr einbringe. Wenn man auf ihre Stimmen angewiesen ist – und das ist die Ampel für die nötige Zweidrittelmehrheit zur Verankerung im Grundgesetz –, muss man kleinere Brötchen backen."

Pforzheimer Zeitung

"Olaf Scholz macht in seiner Rede in der Generaldebatte vor allem sehr klar, dass die deutsche Hilfsbereitschaft für die Ukraine Grenzen hat. Scholz hat gute Argumente – aber wirkt als Redner seltsam distanziert: Das Reden über Krieg und Frieden könnte mehr rhetorisches Herzblut vertragen. Rhetorisch punktet dagegen Oppositionsführer Friedrich Merz. Der CDU-Chef und Unionsfraktionsvorsitzende tut dem Parlament als Redner gut. Er schlägt einen scharfen, dennoch sachlichen Ton an. Und er provoziert Gegenreden aus dem Plenum, es geht turbulent zu im Parlament. Gut so! Dem Kanzler stehen innenpolitisch schwierige Wochen bevor. Beim Ankündigen von historischen Vorhaben kann Scholz es nicht belassen. An der Umsetzung wird er gemessen."

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Reutlinger General-Anzeiger

"Aber ist es konkret, wenn Scholz verspricht, dass die Nato nicht Kriegspartei wird? Das kann Scholz’ Wunsch sein. Entschieden aber wird das von anderen. Vor allem angesichts der jüngsten Entwicklung. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow erklärte zwar, dass Atomwaffen nur bei einer existenziellen Bedrohung Russlands eingesetzt würden. Der Putin-Vertraute und frühere Präsident Dmitri Medwedew deutete schon kurz darauf an, was eine 'existenzielle Bedrohung' bedeuten könnte. Medwedew warnte vor einer atomaren Katastrophe, wenn die USA nicht ihr 'primitives Spiel' stoppten – eine angeblichen Verschwörung mit dem Ziel der Zerstörung Russlands. Klingt abstrus? Derzeit klingt vieles abstrus, was aus dem Kreml kommt, und die Weltöffentlichkeit muss zur Kenntnis nehmen, dass diese russische Führung zu allem fähig ist."

Hitzige Generaldebatte: Friedrich Merz poltert gegen Ampel-Regierung – und wirft Scholz mangelnde Führung im Ukraine-Krieg vor
Friedrich Merz poltert gegen Ampel-Regierung – und wirft Scholz mangelnde Führung im Ukraine-Krieg vor

Rhein-Neckar-Zeitung (Heidelberg)

"Es klingt beruhigend, wenn Olaf Scholz der Ukraine die deutsche Solidarität versichert, zugleich aber klar macht, dass weder Bundesrepublik noch Nato Kriegspartei sein werden. Eine klare Ansage, hanseatisch kühl - und genau deshalb wohlklingend. Kriegstreiber gibt es in diesen Tagen schon genug. Aber stimmt das auch, was Scholz versichert? Und liegt die Kompetenz über die Entscheidung – Kriegseintritt oder nicht – überhaupt in seinen Händen? Daran sind erhebliche Zweifel angebracht. Sollte Putin den Konflikt weiter eskalieren, sollte er zum (begrenzten) Atomschlag ausholen, dann wird die Antwort darauf in Washington formuliert. Stand heute geriert sich US-Präsident Joe Biden als (drohende) Taube. Wie lange das so bleiben wird?"

Schwäbische Zeitung (Ravensburg)

"Der russische Überfall auf die Ukraine hat die Politik der Ampel-Koalition auf den Kopf gestellt. Der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck bittet Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate um Gaslieferungen, die Bundeswehr wird plötzlich als Teil der Landesverteidigung wiederentdeckt – und soll mit viel Geld aufgerüstet werden. Das ist der Zeitenwende geschuldet, von der Bundeskanzler Olaf Scholz spricht. Doch seine Präsenz als Kanzler hat sich seither nicht verstärkt. Scholz hätte die Generaldebatte im Parlament nutzen können, um klarzumachen, wie schwer es zu ertragen ist, nicht mehr für die Menschen in der Ukraine machen zu können, weil ansonsten der Frieden in Deutschland gefährdet ist. Stattdessen referierte er knapp, was die Ukraine nicht vom Westen erwarten kann. Diese Art der Sachlichkeit wirkt wie Ignoranz."

Süddeutsche Zeitung

"Der Kanzler hat sich passend zum Anlass der Generaldebatte um eine generelle Beruhigung bemüht. Doch den Debatten im Land und der Gefühlslage vieler Deutscher wurde er nicht gerecht."

Südwest-Presse (Ulm)

"Olaf Scholz hielt eine typische Olaf-Scholz-Rede. Es ging ihm offenbar nicht darum, den Saal mitzureißen. Sollte der Kanzler die Absicht gehabt haben, die Formel: "In der Ruhe liegt die Kraft" mit Leben zu erfüllen, so ist ihm das misslungen. Ruhe mag von Olaf Scholz derzeit ausgehen, von Kraft war wenig zu spüren. Der Kanzler vermittelt den Eindruck, es stünde vieles zum Besten. Die internationale Zusammenarbeit, die Wirkungen der Sanktionen, die Bemühungen, sich von russischen Öl-und Gasimporten unabhängig zu machen. Diese altväterliche Beruhigungstaktik ist unangemessen und wirkt angesichts der Gefahren verniedlichend. Der Krieg in der Ukraine tobt mit unverminderter Heftigkeit. Man wird ihn nicht mit einschläfernden Ansprachen beenden."

Die Welt

"Es ist ein Segen, dass Bundeskanzler Olaf Scholz das politische Handwerk versteht. In Zeiten wie diesen reicht das aber nicht. Die Geschäftsmäßigkeit, mit der er in der Generaldebatte des Bundestages seine Rede vortrug, erinnert an die noch kleinteiligeren Vorträge seiner Vorgängerin bei solchen Gelegenheiten. Aber die politische Weltlage hat sich geändert. Scholz muss einen Weg finden, der dies vermittelt."

Quellen: DPA, "sueddeutsche.de""Welt.de".

DPA
tkr