Morgen geht es in den Urlaub - und das merkte man ihr an: Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigte sich in der fast zweistündigen Bundespressekonferenz entspannt wie selten. Sie machte den ein oder anderen Witz und sprach über ihre Politik. Die Journalisten machten es ihr leicht, scharf nachgehakt wurde nicht. stern.de hat die wichtigsten Aussagen für Sie zusammengestellt.
Der Wahlkampf zur Bundestagswahl 2009 ist für Bundeskanzlerin Merkel noch fern: "Es liegen noch anspruchsvolle Projekte vor uns." Sie nannte die Erbschaftssteuerreform, die Einführung des Gesundheitsfonds, die Erhöhung von Kinderfreibeträgen und Kindergeld sowie den "Bildungsgipfel". Merkel will Ende Oktober mit den Länder-Ministerpräsidenten über eine Reform des deutschen Bildungssystems verhandeln. Einen Wahlkampf werde es geben, sagte sie, "aber nicht in den nächsten Monaten, denn da müssen wir erst noch genug umsetzen."
Ohne Vizekanzler
Merkel ist ohne Vizekanzler Frank-Walter Steinmeier erschienen - die erste Frage der Presse ging daher in die Richtung, ob das ein Zeichen für Uneinigkeit innerhalb der Großen Koalition sein könnte. Merkel verneinte das: "Ob ich mit dem Vizekanzler gemeinsam auftrete, hängt immer von der Sache ab." Es sei doch Tradition, dass der Bundeskanzler vor der Sommerpause Rede und Antwort stehe und das mache sie jetzt. "Wir hatten gerade eine sehr harmonische Kabinettssitzung, und ich habe mich nach der Sitzung noch einmal intensiv mit dem Vizekanzler ausgetauscht."
Keine klare Koalitionsaussage
Das Kabinett leiste sehr gute Arbeit, sagte Merkel. Es sei normal, dass es öffentlich auch mal Auseinandersetzungen zwischen den Ministern gebe. Unter dem Strich sei dies nicht beunruhigend. "Ich glaube, dass da jeder seinen Anteil am Erfolg hat", so die Bundeskanzlerin. Für die Koalition bleibe noch viel zu tun: "Ich erwarte, dass wir uns zusammensetzen und zusammenraufen, und zwar sowohl zwischen Union und SPD als auch zwischen Bund und Ländern." Eine klare Koalitionsaussage für die Bundestagswahl 2009 machte Merkel nicht. Es gebe auch Chancen, in einer anderen Konstellation als Schwarz-Rot zusammenzuarbeiten, sagte die CDU-Chefin. "Doch jede Koalition erfordert Kompromisse."
Merkel freut sich auf Obama
Merkel hat ihre Einwände gegen einen zunächst erwogenen Auftritt des US-Präsidentschaftsbewerbers Barack Obama vor dem Brandenburger Tor verteidigt. Sie freue sich, dass sie die Chance habe, Senator Obama persönlich kennenzulernen, sagte sie. Auch sei das Brandenburger Tor für jeden US-Präsidenten und auch andere Präsidenten ein guter Ort. Allerdings müssten bestimmte Wahlkampfveranstaltungen nicht überall in Berlin stattfinden. "Das mag altmodisch klingen", sagte Merkel. "Ich hatte meine Meinung einfach zum Ausdruck gebracht. Das muss ja auch in einem freien Land möglich sein. Manchmal wird ja gesagt, ich hab’ keine Meinung." Obama wird am Donnerstag im Rahmen seiner internationalen Wahlkampfreise in Berlin erwartet. Sein Team hatte anfangs einen Auftritt vor dem Brandenburger Tor favorisiert. Jetzt spricht er am Abend in Sichtweite - an der Siegessäule.
Vollbeschäftigung ist möglich
Die Bundeskanzlerin hält Vollbeschäftigung in einigen Jahren für möglich: "Ich glaube, dass man dieses Ziel ins Auge fassen sollte", sagte sie. In einigen Teilen Deutschlands wie im Raum München oder Stuttgart sei das Ziel bereits erreicht: "Daran sieht man, dass das schaffbar ist." Auf eine Jahreszahl, bis wann Vollbeschäftigung erreicht sein könne, wollte sie sich allerdings nicht festlegen lassen.

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Merkel warnte aber: "Ich glaube, dass das Brett, das wir bohren, immer dicker wird." So komme man am Arbeitsmarkt immer stärker in den Bereich der Langzeitarbeitslosen, der Menschen, die keine Ausbildung hätten oder jener mit einem Migrationshintergrund. Deshalb müsse über weitere arbeitsmarktpolitische Maßnahmen nachgedacht werden. Insgesamt spreche die demografische Entwicklung dafür, dass die Beschäftigungschancen in den kommenden Jahren steigen würden. Im Juni war die Zahl der Arbeitslosen erstmals seit 15 Jahren wieder unter 3,2 Millionen gefallen. Die Bundesagentur für Arbeit sieht gute Chancen, dass die Zahl im Herbst unter drei Millionen bleibt.
Gegen flächendeckenden Mindestlohn
Merkel erteilte der Einführung eines flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohns erneut eine deutliche Absage. Die Tarifautonomie habe Vorrang vor staatlicher Lohnfestsetzung, sagte sie. Weiter wies Merkel darauf hin, dass es in Deutschland mit dem Arbeitslosengeld II bereits ein Mindesteinkommen gebe. Aus ihrer Sicht seien auch Löhne unter diesem Existenzminimum akzeptabel, weil Niedriglöhne vom Staat auf Hartz-IV-Niveau aufgestockt würden. Wichtig sei aus ihrer Sicht, dass Geringqualifizierte einen Einstieg in die Arbeitswelt fänden, auch wenn sie dabei nur wenig verdienten. "Es ist besser, wenn Menschen teilhaben können", sagte sie.
Kindergeld erhöhen
Die Bundesregierung will nach Worten von Merkel im kommenden Jahr nicht nur den Kinderfreibetrag bei der Steuer erhöhen, sondern auch das Kindergeld. Vom Kindergeld profitierten auch die Bezieher niedriger und mittlerer Einkommen, während ein höherer Kinderfreibetrag vor allem Besserverdienenden zu Gute kommt. Über die Höhe werde nach Vorlage des Berichts über die Entwicklung des Existenzminimums im Herbst zu entscheiden sein, sagte Merkel am Mittwoch vor der Presse in Berlin. Vorsorge im Haushalt sei dafür getroffen.
Viele olympische Medaillen
Die Olympischen Spiele sind nach Merkels Ansicht eine große Chance für China, sich der Welt zu präsentieren. China habe die Möglichkeit, "das ganze Land bekanntzumachen" bei Milliarden Menschen auf der Welt, sagte sie. Umgekehrt biete sich vielen Ländern die Möglichkeit, mit China "sehr viel vertrauter zu werden" als bisher gewohnt. Sie wünsche sich "erfolgreiche, friedliche Olympische Spiele" in Peking. Deutschland wolle möglichst viele Medaillen im fairen Wettstreit gewinnen. Merkel: "Ich glaube, die deutschen Olympioniken sind auch sehr, sehr gut vorbereitet."
Perspektiven für Serbien
Merkel lobte die Festnahme des mutmaßlichen Kriegsverbrechers Radovan Karadzic: "Das war eine herausragende Leistung der serbischen Regierung." Zu einem möglichen EU-Beitritt sagte sie: "Serbien hat eine europäische Perspektive, das haben wir immer gesagt." Aber auch für Serbien gelte, dass die Kopenhagener Kritierien für einen Beitritt erfüllt werden müssten.
Nicht erpressbar
Auf die Frage, ob die kurdische Terrororganisation PKK für die Freilassung der drei deutschen Geiseln Geld erhalten habe, antwortete die Kanzlerin: "Wir sind nicht erpressbar. Der Krisenstab hat hervorragende Arbeit geleistet." Sie hoffe sehr, dass sich eine solche Entführung nicht wiederhole.
Urlaub: Erst Wagner, dann Berge
Es ist Tradition, dass der Bundeskanzler vor der Sommerpause Rede und Antwort vor der Bundespressekonferenz steht. Auch für Angela Merkel steht jetzt der Urlaub an. "Ich gehe mit dem Gefühl in den Urlaub, dass ich mich darauf freue", sagte sie. Aber sie wisse auch, dass danach viel Arbeit auf sie warte. Deswegen werde sie sich mit vielen politischen Fragen auch im Urlaub beschäftigen. Eigentlich ist der Mittwoch der letzte Arbeitstag der Kanzlerin. Doch für den demokratischen US-Präsidentschaftskandidaten Barack Obama macht sie eine Ausnahme und trifft ihn am Donnerstag zu einem Gespräch. Am Nachmittag reist die Bundeskanzlerin weiter nach Bayreuth, wo sie am Freitag die Eröffnung der Wagner-Festspiele besuchen will, anschließend geht es mit Ehemann Joachim Sauer zum Wandern in die Berge.