Radverkehrsplan 2020 Fahrrad-Offensive von Verkehrsminister Ramsauer

Die Deutschen sollen mehr Fahrrad fahren. Zusammen mit den Kommunen will die Regierung den Anteil am Verkehr auf 15 Prozent steigern. Doch bisher fehlen Geld und Konzepte wie etwa in Kopenhagen.

Wenn Peter Ramsauer in seiner Dienstlimousine in der Hauptstadt unterwegs ist, kann er sehen, wie viele Berufstätige inzwischen mit dem Rad unterwegs sind. Dabei hat der Verkehrsminister aber auch beobachtet, wie einige bei Rot über die Ampel fahren. Das hat ihn zu der Aussage verleitet, der "Verrohung dieser Kampfradler" müsse Einhalt geboten werden. Zugleich muss er aber auch erkennen, wie mangelhaft teilweise die Infrastruktur für Radler in Berlin ist.

Am Mittwoch hat das Kabinett seinen nationalen Radverkehrsplan bis zum Jahr 2020 beschlossen - damit wird ein Vorhaben aus dem schwarz-gelben Koalitionsvertrag umgesetzt. Das 88 Seiten umfassende Maßnahmenpaket soll dazu beitragen, den Radverkehrsanteil - gemessen an der gefahrenen Strecke - von 10 auf 15 Prozent zu steigern. In der Pflicht sieht Ramsauer beim Radwegebau besonders die Kommunen.

"Wir nehmen unsere Rolle als Moderator, Koordinator und Impulsgeber des Radverkehrs wahr", sagt Ramsauer. Zugleich will er aber auch härtere Strafen für "Kampfradler" prüfen, etwa höhere Bußgelder. Eine Absenkung der strafbaren Alkoholgrenze von 1,6 Promille will er aber vorerst nicht. Selbst der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) ist für 1,1 Promille als neuen Gefahrengrenzwert, ab dem Bußgelder bei Trunkenheit am Lenker gezahlt werden müssten.

Stärkung des Radverkehrs besonders in ländlichen Regionen

In der Radhochburg Münster sieht die Polizei betrunkene Radler, die mit schlingerndem Kurs den Verkehr gefährden, als großes Problem. Bei 30 Unfällen hatten Radler 2011 dort mehr als 1,6 Promille. Bernhard Witthaut, Chef der Gewerkschaft der Polizei, fordert von Ramsauer Maßnahmen statt Ankündigungen: Nur mit mehr Polizeipräsenz könne man "uneinsichtigen Radfahrern auf die Felge rücken".

Doch diese Debatte verstellt etwas den Blick auf Ramsauers wahres Anliegen: Er setzt auf eine Stärkung des Radverkehrs besonders in Kommunen und ländlichen Regionen, die bisher eher Rad-Diaspora sind. Der Bund will in seinem Einflussbereich Radwege an Bundesstraßen weiter ausbauen und Betriebswege an Wasserstraßen umrüsten.

Ramsauers Problem bei der Rad-Offensive: Sie ist nicht mit mehr Geld flankiert. 2012 stehen nur 76 Millionen Euro für den steigenden Radverkehr zur Verfügung, für 2013 sind laut Haushaltsentwurf bisher nur noch 60 Millionen Euro eingeplant. Auch die Kommunen sind knapp bei Kasse - so klaffen Theorie und Realität etwas auseinander.

Anteil radelnder Pendler in Kopenhagen bei 50 Prozent

Das Problem ist in vielen Städten die mangelnde Entflechtung von Rad- und normalem Verkehr. Allein in Berlin stieg die Zahl der Unfälle, an denen Radfahrer beteiligt waren, 2011 auf 7376 - das waren 19 Prozent mehr als 2010. Der Grünen-Politiker Anton Hofreiter, Vorsitzender des Bundestags-Verkehrsausschusses, fordert, sich ein Beispiel an der dänischen Hauptstadt Kopenhagen zu nehmen.

Dort gibt es kilometerlange Pendler-Radwege, wo Radfahrer aus dem Umland auf eigenen Radstraßen und getrennt vom Autoverkehr in das Zentrum gelangen. Der Anteil radelnder Pendler beträgt dadurch in Kopenhagen schon mehr als 50 Prozent. Mit grüner Welle für Tempo 20 und fest installierten Fahrradpumpen am Wegesrand können die Hauptstädter über die Pendlerpisten bequem zum Arbeitsplatz radeln.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Hofreiter betont, das Geld sei das eine, aber Ramsauer könne zumindest auch rechtlich bei der Straßenverkehrsordnung für Verbesserungen sorgen. Radfahrer würden oft mit Bußgeldern belangt, wenn sie die Straße und nicht einen daneben verlaufenden Radweg benutzten. Gerade in der Stadt müsse man zwischen den Langsamfahrern und den sportlichen Radlern unterscheiden, die 30 Stundenkilometer schafften. "Wer sehr schnell unterwegs ist, für den ist es sicherer, auf der Straße zu fahren." Aber es sei nicht klar geregelt, ob er das auch dürfe. Ganz neue Probleme entstehen hier künftig durch schnelle, elektrisch betriebene Räder, die immer mehr die Straßen bevölkern.

Umweltminister Altmaier fährt mit gutem Beispiel voraus

Außerdem fordert die Radfahrerlobby schon seit Jahren Verbesserungen bei der Deutschen Bahn, für die Ramsauer zuständig ist. Dazu gehört etwa die Radmitnahme in ICE-Zügen.

Gerade in Städten dürfte der Trend zum Rad auch unabhängig von den Maßnahmen der Politik anhalten - und das nicht primär aus Gesundheits- und Klimaschutzgründen. In Berlin zum Beispiel ist Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) recht viel mit dem Rad unterwegs. Einfach, weil der Weg zum Ministerium wegen vieler Baustellen so oft rascher zu schaffen ist. Und per Twitter nennt er noch einen weiteren Vorteil: "Dass die Spritpreise auf Rekordniveau sind, zeigt, dass wir die Abhängigkeit vom Erdöl verringern müssen."

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Georg Ismar, DPA